Wenn mich jemand fragt, was in letzter Zeit die wichtigste Änderung auf dem Mühlehof war, kann ich die Antwort ziemlich rasch sagen: Es ist die Einführung (fast) freier Sonntage. Und das, ohne dass ich die Tierhaltung aufgegeben hätte. Noch immer tummeln sich Pensionspferde und Label-Mastschweine auf dem Mühlehof. Ich habe aber sensationellerweise herausgefunden: Ich bin nicht der Einzige, der zu diesen Tieren schauen kann.
Als ich vor bald vier Jahren auf den Mühlehof kam, dachte ich mir: Es wäre schön, jedes zweite Wochenende frei zu haben. Ja, damit meinte ich Samstag und Sonntag, ausser natürlich, es stünden saisonbedingte Arbeitsspitzen an. Passiert ist aber, was vielen Landwirten wohl sehr schnell passiert, wenn man nicht aufpasst: Ich arbeitete jedes Wochenende, ausser dann, wenn ich in den Ferien war.
Diesen Sommer griff ich die Idee von damals notgedrungen wieder auf. Ich merkte, dass ich am Anschlag war und etwas ändern musste. Erstaunliches geschah: Ich musste nur einige WhatsApp-Nachrichten verschicken, und schon hatte ich Stellvertreterinnen gefunden, welche für mich am Sonntagmorgen die Tiere versorgen – gegen ein faires Entgelt, versteht sich.
Mit Pferden und Mastschweinen ist der Stall auf dem Mühlehof zum Glück eine relativ einfache Angelegenheit, zumindest wenn alles nach Plan läuft und keine Patienten zu versorgen sind. Die Gesundheitskontrolle bei den Tieren kann ich auch später am Tag noch erledigen. Und ja, zugegeben: Am Abend gehe ich jeweils selbst in den Stall. Das macht mir aber nichts aus. Der Abendstall dauert nur rund eine halbe Stunde. Bis dann bin ich ja ausgeschlafen und gar nicht unglücklich, noch einer kleinen Routinetätigkeit nachgehen zu können.
Entscheidend ist für mich in erster Linie, dass der Morgen frei ist. Die grösste Auswirkung hat dieser Fakt auf die Gestaltung des Vorabends. Früher ging ich samstags zwar auch häufig weg, jedoch rückte ab 23 Uhr meist die Tatsache ins Bewusstsein, dass ich schon um 6.30 Uhr im Stall stehen und beim nächsten Drink darum vielleicht besser passen sollte. Ich passte nicht immer, bekam dann am Sonntagmorgen aber postwendend die Quittung für nächtliche Ausschweifungen. Das hatte zur Folge, dass die Wochenenden manchmal gar nicht so erholsam waren und der Start in die neue Woche harzig verlief.
Dank den freien Sonntagmorgen stellt sich am Samstagabend bei mir neuerdings ein Gefühl von Wochenende ein. Ein sehr schönes Gefühl, wie ich zugeben muss. Trotzdem habe ich manchmal noch ein leicht schlechtes Gewissen. Darf ich als Landwirt am Sonntag einfach ausschlafen? Was denken denn die anderen? Kann ich mir das überhaupt leisten? Viele Berufskollegen von mir arbeiten ja noch viel mehr als ich, und die brauchen auch keinen freien Sonntag …
Es ist natürlich saudumm, so zu denken. Natürlich darf ich ausschlafen. Das ist ja gerade der Witz an der Selbstständigkeit. Wie man sich bettet, so liegt man. Und wenn freie Sonntage ein Bedürfnis von mir sind, dann ist es meine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das möglich ist. Das klingt in der Theorie sehr einfach, in der Praxis ist es dann doch etwas schwieriger.
Ich möchte diese Errungenschaft der (fast) freien Sonntage nicht wieder aufgeben. Ich bin zufriedener, und nicht selten kommt mir eine gute Idee für den Betrieb in der Zeit zwischen Samstag- und Sonntagabend zugeflogen. Diese Idee unterziehe ich dann unter anderem folgendem Test: Gefährdet der Einfall meine freien Sonntagmorgen? Falls ja, muss ich vor der Umsetzung nochmals darüber nachdenken.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt ervon Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.