Üblicherweise lief das mit den Schweinen ja ziemlich sauglatt. Vor allem auch administrativ.
Ich: «Grüezi, ich möchte für nächste Woche gerne 48 IP-Suisse Schlachtschweine anmelden, Donnerstag oder Freitag abzuholen.»
Vermarkter: «Danke für den Bescheid, ist notiert, Sie hören von uns.»
Dann kam am Mittwoch oder Donnerstag zuverlässig ein Telefon mit der Information, wann genau die Schweine definitiv abgeholt werden. Prächtig. Oder eher: So, wie es eigentlich sein sollte.
Ob die Tiere das ideale Schlachtgewicht haben, verkommt zum Glücksspiel
Im Jahr 2022 läuft das etwas anders. Also, der erste Teil, der bleibt sich in etwa gleich. Ich melde Schlachtschweine an, die Person am Telefon teilt mit, sie habe dies entsprechend notiert.
Anschliessend war es aber zwei Mal so, dass ich überhaupt gar nichts mehr vom Vermarkter gehört habe. Die Schweine stauen in den Ställen, und niemand hat eine Ahnung, wann sie abgeholt werden können. Ob die Tiere das ideale Schlachtgewicht haben, ist zum Glückspiel verkommen. Man muss froh sein, wenn die Schweine nach diversen Telefonaten einigermassen zeitig abgeholt werden und sich die Abzüge in akzeptablen Grenzen halten. Diese Grenze wurde nun überschritten.
Meine letzten Mastschweine wurden zwölf Tage zu spät abgeholt. Die Konsequenz: Gewichts- und Qualitätsabzüge von knapp 3000 Franken, das Durchschnitts-Schlachtgewicht der Tiere lag bei über 100 kg.
Wenn ich beim gleichen Telefongespräch
- zuerst vertröstet werde, dass meine Schweine leider unmöglich fristgerecht geschlachtet werden können
- daraufhin laut werde und es dann doch irgendwie geht, dass dieSchweine abgeholt werden
- und wenige Sekunden später gefragt werde, ob man mir sofort wieder neue Jager bringen dürfe
dann hört der Spass auf.
Bisher habe ich stets wieder Tiere eingestallt, auch wenn ich nur mässig motiviert war. Nicht zuletzt aus Solidarität mit den Züchtern, deren Ställe voll sind und die auch nicht recht wissen, wohin sie mit ihren Jagern sollen. Darauf habe ich jetzt aber keine Lust mehr. Mein Stall bleibt vorerst leer, obwohl das bisherige Motto lautete: Mit einem vollen Stall verdiene ich mal mehr, mal weniger, mit einem leeren Stall aber garantiert nichts.
Verständnis für die Situation, aber dennoch einen Schlussstrich gezogen
Mir ist bewusst, dass die Situation für die ganze Branche schwierig ist und dass wir Landwirte am Hauptproblem – der Überproduktion – eine Mitschuld tragen. Ich bin nicht neidisch auf die Leute, welche bei den Vermarktern versuchen müssen, die Schweine irgendwie zu platzieren und täglich mit frustrierten Bauern zu tun haben.
Dennoch wäre es schön, wenn hier eine bessere Kommunikation stattfinden würde. Am meisten gestört hat mich, dass die Schweine erst dann geholt wurden, als ich mich lautstark beschwert habe. Das ist nicht mein Verständnis einer Geschäftsbeziehung: Dass der, der am lautesten brüllt, am ehesten zum Zug kommt. Ich bin nicht so der Typ, der gerne rumbrüllt.
Jetzt bin ich selber gespannt, wie es weiter geht. Stalle ich nach Neujahr wieder ein? Nehme ich nur noch ganz wenige Tiere, die ich allesamt direkt vermarkte? Gibt es eine andere intelligente Nutzung für den Stall?
Brainstorming ist angesagt, und ich bin gespannt auf das Ergebnis. Derzeit stört mich der leere Stall gar nicht. Denn etwas zu produzieren, was nicht nachgefragt wird, macht keine Freude. Insofern lautet das neue Motto eher: «Kein Geld verdienen geht einfacher mit einem leeren als mit einem vollen Stall.»
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.