Es ist doch oft so: Kurz vor dem Coiffeur-Termin gefällt einem die alte Frisur am besten. Exakt die Frisur, die einen zuvor wochenlang lang genervt hat, bis der Leidensdruck endlich gross genug war, zum Coiffeur-Termin zu gehen. Aber am Morgen von Tag X, wenn es den Haaren endlich an den Kragen gehen soll, blicke ich erstaunt in den Spiegel und denke: Gar nicht so übel, diese Frisur. Dieses Phänomen ist das Coiffeur-Paradoxon.
Das Coiffeur-Paradoxon ist auch in anderen Lebensbereichen zu beobachten. Auf Ende Februar habe ich meine Stelle als Fachredaktor dieser Zeitschrift gekündigt. Dazu bewogen haben mich die laufend steigende Verantwortung auf meinem Betrieb im Reusstal sowie eine grundsätzliche Lust auf Veränderung. Ich kam also zum Schluss, mein Engagement als «die grüne»-Redaktor zu beenden.
Je näher nun aber das Ende des Monats Februar rückte, desto öfters war ich mit dem Coiffeur-Paradoxon konfrontiert. «Eigentlich ist der Job hier schon sehr interessant und aufgrund der hohen Flexibilität eine ideale Ergänzung zur Tätigkeit als Landwirt. Die Abwechslung und der Austausch mit den KollegInnen ist ja sehr interessant und wohltuend», dachte ich in erhöhter Frequenz.
Etwas zu beenden fällt mir nicht leicht. Selbst dann nicht, wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass ich dieses Etwas nicht mehr will. Gegen Ende kommt oft so etwas wie Wehmut auf. Sei es eine langjährige Beziehung, ein alter Betriebszweig, ein bewährtes Hobby, eine jahrelang Sucht oder eine feste Routine, unter die ein Schlussstrich gezogen wird:
Alles, was vertraut ist, ist bei allen negativen Facetten letzten Endes eben doch vertraut. Und dieses Vertraute gibt Halt und Sicherheit. Aus Erfahrung weiss ich, dass es Zeit braucht, bis etwas Neues wiederum vertraut wird. Und ich brauche ein gewisses Mass an Vertrautheit. Ohne Stabilität ist es schwierig.
Auch wenn es mir immer wieder schwer fällt, loszulassen: Es ist nötig. Auch, weil ich weiterhin Lust auf Neues habe. So sehr Abschiede melancholisch stimmen, so gerne habe ich das leicht berauschende Gefühl des Neuanfangs. Und wenn dein Leben bereits prall gefüllt ist, so lässt sich – ich schreibe aus Erfahrung – nicht beliebig immer mehr obendrauf packen. Um Platz für Neues zu schaffen, muss zuerst mit Altem aufgeräumt werden.
Die Kündigung hinterlässt eine Lücke. Primär bei mir selbst, denn meine Nachfolgerin auf der Redaktion beginnt schon in den nächsten Tagen. Meine Lücke ist die journalistischen Tätigkeit, welcher ich fast immer gerne nachgegangen bin. Besonders die Gespräche mit interessanten BerufskollegInnen, aber auch mit vielen anderen Menschen aus dem Dunstkreis der Landwirtschaft, waren stets eine Bereicherung.
Das Recherchierte dann zu einer schönen Geschichte zu verdichten war mir eine Freude, jeden Monat von neuem. Die grössere Lücke ist aber menschlicher Natur. In vier Jahren ist mir nie jemand richtig auf den Wecker gegangen. Gut, bei einem Pensum von 40 Prozent ist das vielleicht einfacher, selbstverständlich ist es dennoch nicht. Die KollegInnen sind mir ans Herz gewachsen.
Damit beide Lücken nicht ganz so gross sind, schreibe ich auch in Zukunft diese Kolumne. Und von den KollegInnen höre ich, wenn ich mit der Kolumne in Verzug bin. Und ich sehe sie, wenn ich die Texte im Tonstudio als Podcast aufnehme.
Wie sich die Lücke sonst noch füllen wird, weiss ich nicht. Die nächste Veränderung kommt bestimmt, und ich freue mich darauf. Gut möglich, dass Sie an dieser Stelle darvon erfahren werden.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt er von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.
Nach vier Jahren als Ressortleiter Pflanzenbau werden wir Sebastian vermissen. Machs gut!