Milkipedia
Der Schweizer Milchmarkt hat seine eigene Sprache. Landwirte interessieren vor allem Abzüge und Zuschläge. Was steckt aber in A2-Milch? Wieso heisst die Vollmilch so, obwohl ihr Fett entnommen wird, um einen Fettgehalt von 3,5 Prozent zu erreichen? Und wer bestimmt den Produzentenmilchpreis, der den Landwirten bezahlt wird?
Antworten auf diese Fragen in der neuen «Milkipedia» vom Fachmagazin «die grüne». Das Schweizer Milch-Nachschlagewerk wird laufend ergänzt.
A2-Milch
A2-Milch ist natürliche Kuhmilch, die sich in der Protein-Zusammensetzung leicht von herkömmlicher Milch unterscheidet und als besonders bekömmlich gilt.
Ob eine Kuh A1- oder A2-Milch gibt, hängt von ihrer genetischen Veranlagung ab. Nur A2-Kühe geben auch A2-Milch.
Der Unterschied zwischen A1- und A2-Milch liegt in ihrer biochemischen Zusammensetzung, konkret um eine andere Aminosäure im Milcheiweiss Beta-Kasein. Während A1-Milch an einer bestimmten Stelle in der Aminosäurenkette die Aminosäure Histidin enthält, sitzt dort bei A2-Milch die Aminosäure Prolin.
Diese unterschiedliche Zusammensetzung hat Auswirkungen darauf, wie die Milch verdaut wird. Aus der Kasein-Variante A1 kann während der Verdauung ein spezielles Peptid entstehen, das in seltenen Fällen zu Unwohlsein führt. Bei der A2 hingegen entsteht dieses Peptid nicht. Deshalb soll A2-Milch verträglicher sein als A1-Milch. Bisher gibt es aber keine wissenschaftlichen Belege dafür.
Entdeckt haben die A2-Milch die Neuseeländer, wo sie mit einem Marktanteil von >10 % seit Jahren grosse Beliebtheit geniesst.
In der Schweiz hat die Migros Aare mit dem Milchverarbeiter Aaremilch im November 2019 eine Schweizer A2-Urmilch lanciert. Diese wird in der Naturparkkäserei Diemtigtal abgfüllt und ist in den Filialen der Migros Aare erhältlich. A2-Milch kostet 2.50 Franken pro Liter – deutlich mehr als konventionelle Milch und auch Bio-Milch.
Abzüge
Abzüge und Zuschläge: Den Milchproduzenten (Landwirten) werden je nach Saisonalität, Qualität der Milch, Gehalt der Milch und Liefermengen verschiedene Abzüge und Zuschläge verrechnet.
A-Milch
A-Milch oder Segment A: Milchprodukte mit hoher Wertschöpfung, die durch Importzölle geschützt oder durch Beiträge gestützt werden (siehe Schoggigesetz).
Für den Schweizer Markt:
- Konsummilch und Konsumrahm
- Butter für Detailhandel und Lebensmittel-Industrie
- Pulver und Konzentrate für Lebensmittel-Industrie
- Käse
- Joghurt
- Andere Frischprodukte
Für den Export:
- Milchpulver und Konzentrate
- Andere Frischprodukte
- Butter für LLebensmittel-Industrie
B-Milch
B-Milch oder Segment B: Milchprodukte mit eingeschränkter Wertschöpfung respektive höherem Konkurrenzdruck ohne Grenzschutz und ohne Rohstoffpreisausgleich. Mit Ausnahme von verkäster Industriemilch für den Export.
Für den Schweizer Markt:
- Quark
- Milchmischgetränke
- Milchproteine
Für den Export:
- Joghurt
- Magermilchpulver
- Käse (Industrie)
- Andere Frischprodukte
C-Milch
C-Milch oder Segment C: Milchprodukte zum tieferen Weltmarktpreis. Regulierprodukte respektive Abräumprodukte ohne Beihilfe.
Für den Export:
- Butter
- Vollmilchpulver
- Rahm
- Milch (> 3,0 % Fett)
BO Milch (kurz auch BOM)
Die Branchenorganisation BO Milch (kurz auch BOM) wurde gegründet, nachdem der Bund 2009 die Milch-Kontingentierung aufgehoben hatte.
Die BO Milch ist nach eigenen Aussagen «zuständig für die Spielregeln im Schweizer Milchmarkt im Interesse der gesamten Wertschöpfungskette.» Im Detail sind dies:
- Segmentierung und Richtpreise
- Exportstützung von verarbeiteten Lebensmitteln
- Organisation des «Grünen Teppichs»
- seit 2023 die staatlich geregelte Milchprüfung
- Verantwortung für geregelte Butterimporte zur Markt-Stabilisierung
Heute zählen 36 regionale und nationale Organisationen sowie Unternehmen zu den Mitgliedern der BO Milch:
- 18 Organisationen der Milchproduzenten, von der Aaremilch bis zu den Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP.
- 11 Unternehmen der Milchindustrie, von der Emmi bis Züger Frischkäse.
- 5 gewerbliche Käser wie der Bernische Milchkäuferverband und die Genossenschaft der Ostschweizer Milchverarbeiter.
- 2 Vertreter des Detailhandels, nämlich Coop und Aldi.
Direktlieferant
Als Direktlieferant verkauft der Milchproduzent (Landwirt) die Milch ohne Zwischenhandel dem Verarbeitungsbetrieb (Käserei oder Industrie).
Erstmilchkäufer
Der Erstmilchkäufer kauft die Milch direkt vom Milchproduzenten (siehe auch: Zweitmilchkäufer)
Gehalt
Der Gehalt ist der Anteil Fett und Eiweiss in der Milch, der Standardgehalt beträgt 4 % Fett und 3.3 % Eiweiss.
Homogenisierung
Lässt man Milch stehen, schwimmt das Fett in Form von kleinen Kügelchen nach oben. Damit dies nicht passiert wird die Milch homogenisiert.
Bei der Homogenisierung wird der Durchmesser der in der Milch vorhandenen Fettkügelchen unter hohem Druck von 150 bis 300 bar von 10 bis 30 µm auf einen Tropfendurchmesser von 1 bis 2 µm reduziert. Die Milch rahmt dann nicht auf und kann zudem leichter verdaut werden – schmeckt aber auch anders.
Die Homogenisierung alleine macht aber die Milch aus mikrobieller Sicht nicht länger haltbar.
Industriemilch
Industriemilch kann im Gegensatz zur Käsereimilch auch von Kühen stammen, die mit Silage gefüttert wurden, da aus ihr kein Käse hergestellt wird, sondern andere Milchprodukte.
Käsereimilch
Käsereimilch ist Milch, die zur Käseherstellung verwendet wird. Sie besteht zu grossen Teilen aus Milch von Kühen, die ohne Silage gefüttert werden. Heute wird aber auch Milch aus Silagefütterung zur Käseherstellung verwendet.
Konsummilch
Konsummilch ist alle Milch die unverarbeitet konsumiert wird. Zum Beispiel Rohmilch, die vom Landwirt direkt oder von Konsumenten über den Kanal der Direktvermarktung konsumiert wird. Aber auch wärmebehandelte Milch wird als Konsummilch bezeichnet. Man unterscheidet dabei:
- Pasteurisierte Milch, auch Frischmilch genannt
- Hocherhitzte Milch
- Ultrahocherhitze Milch UHT
Milchpreis ab Hof
Der Milchpreis ab Hof ist der Milchpreis von beim Milchproduzenten abgeholter Milch inklusive Transportkosten (aus Sicht des Verarbeiters).
Milchpreis ab Sammelstelle
Der Milchpreis ab Sammelstelle ist der Milchpreis ab einem Ort, wo mehrere Produzenten ihre Milch hinbringen, damit der Milchkäufer eine grössere Menge abholen kann.
Milchpreis: Die verschiedenen Publikationen
In der Schweiz existieren verschiedene Milchpreis-Publikationen, die wiederum auf unterschiedlichen Berechnungs- und Erhebungsgrundlagen basieren:
- «Marktbeobachtung Milch» des Fachbereichs Marktanalysen im Bundesamt für Landwirtschaft BLW
- «Milchpreismonitoring» der Schweizer Milchproduzenten SMP
- «Richtpreis-Publikation» der Branchenorganisation BO Milch
Die Preise der einzelnen Publikationen werden auf unterschiedlichen Stufen des Milchkaufs publiziert und geben eine Übersicht über Entwicklungen im
Schweizer Milchmarkt.
Milchpreis franko Rampe
Der Milchpreis franko Rampe ist der Milchpreis am Standort des Verarbeiters ohne Berücksichtigung der Transportkosten (aus Sicht des Verarbeiters).
Milchspitzen (Verwertung zu Magermilchpulver und Butter)
In den Monaten April und Mai erreicht die Milchproduktion in der Schweiz jeweils ihren saisonalen Höchststand. Da die Nachfrage nach Milch über das Jahr ausgeglichen ist, müssen diese Milchspitzen im Frühjahr einer speziellen Verwertung zugeführt werden.
Traditionell werden die Milchspitzen zu Magermilchpulver und Butter verarbeitet. An Stelle von Magermilchpulver werden heute aber auch immer mehr hochwertige Milchproteine oder Industriekäse hergestellt.
Weil im Frühjahr naturgemäss mehr Butter produziert wird, steigen zu dieser Zeit die Butterlager jeweils an. Im Sommer, wenn wieder weniger Milch anfällt und das Milchfett für den steigenden Konsum von Rahm gebraucht wird, werden die Butterlager wieder abgebaut. Optimalerweise reicht das Lager gerade, um Ende Jahr noch den hohen Butterbedarf für das Backen der Weihnachtsguetzli zu decken.
Molkereimilch
Molkereimilch wird in einer grossen Verarbeitungsstätte verwertet und meist mit Silofütterung produziert.
Pasteurisierte Milch (Pastmilch)
Für die Pasteurisierte Milch (Pastmilch) wird Rohmilch während 15 bis 30 Sekunden auf eine Temperatur von 75 bis 85°C erhitzt und anschliessend rasch abgekühlt. Pastmilch ist gekühlt einige Tage haltbar.
PMO Produzenten-Milchverwerter-Organisation
Bei einer Produzenten-Milchverwerter-Organisation PMO ist ein Milchverwerter Teil dieser Organisation. Der Milchverwerter übernimmt und verarbeitet die Milch der Produzenten.
Die PMO-Mitglieder beliefern so als Direkt-Lieferanten einen Verarbeiter oder eine Käserei.
Bei der PMO bestimmt der Verarbeiter mit seinen Lieferanten den Milchpreis direkt.
PO Produzenten-Organisation
Eine Produzenten-Organisation PO kauft die Milch als Erstmilchkäufer beim Produzenten und verkauft sie an verschiedene Verarbeiter weiter.
Bei der PO verhandeln die Verantwortlichen den Verkaufspreis mit verschiedenen Verarbeitern.
Produzentenmilchpreis
Der Produzentenmilchpreis ist durchschnittliche Milchpreis ab Hof, welcher dem Produzenten nach Zuschlägen und Abzügen ausbezahlt wird.
Rohmilch
Rohmilch ist unbehandelte (nicht entrahmte) Milch «frisch von der Kuh». Der Fettgehalt der Rohmilch kann leicht variieren und beträgt in der Regel 3,8 bis 4,2 Prozent.
Das reine Naturprodukt Rohmilch muss gekühlt werden, weil es sonst schnell verderben kann und sich Bakterien vermehren können. Denn erst durch das Erhitzen der Milch werden die Bakterien abgetötet, was die Milch länger haltbar macht (siehe «Wärmebehandlungsverfahren»).
In der Schweiz gilt Rohmilch als «nicht genussfertig». Sie muss deshalb mit einer Aufschrift gekennzeichnet werden, dass sie auf mindestens 70 Grad Celsius erhitzt werden muss.
Rohmilch wird auch zur Herstellung von Hartkäse verwendet.
Segmentierung im Milchmarkt
Als Segmentierung im Milchmarkt wird die Aufteilung in die Produktgruppen oder Segmente A, B und C nach Reglement der BO Milch bezeichnet.
Segment A, Segment B und Segment C
Segment A, Segment B und Segment C (siehe A-Milch, B-Milch und C-Milch)
Selbstversorgungsgrad
Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz für Milch und Milchprodukte liegt bei 118 Prozent (2021) und damit als einzige Lebensmittelgruppe über 100 Prozent.
Der Export-Anteil ist aber mit 25 Prozent deutlich höher, da Milchprodukte auch importiert werden. Die Schweizer Milchpreise sind damit auch vom Export und von den Weltmarkt-Preisen abhängig.
Siloverzichtzulage
Die Siloverzichtzulage wird vom Bund gemäss der Milchpreisstützungsverorodnung MSV direkt den MilchproduzentInnen ausbezahlt. Diese Zulage gilt für Milch von Kühen, Schafen und Ziegen ohne Silagefütterung, die zu Käse verarbeitet wird. Sie beträgt 3 Rappen je Kilogramm verkäster Milch, wenn zusätzlich zur silofreien Fütterung noch weitere Bedingungen erfüllt werden.
Zusätzlich zahlt der Bund eine Zulage für verkäste Milch 15 Rappen pro Kilogramm Milch (siehe «Verkäsungszulage») für Milch von Kühen, Schafen und Ziegen aus. Sowie eine Zulage für Verkehrsmilch (siehe «Verkehrsmilchzulage») 5 Rappen pro Kilogramm Milch von Kühen.
Teiloffener Markt
Seit 2007 der Käsehandel mit der Europäischen Union EU liberalisiert wurde, ist der Schweizer Milchmarkt ein Teiloffener Markt. Konsummilch oder Butter befinden sich bis heute im geschützten Markt, die «Weisse Linie» (siehe dort) ist also noch geschlossen.
UHT-Milch
UHT-Milch (von engl. Ultra-High Temperature = ultrahoch erhitzt) wird im Unterschied zu Pastmilch kürzer erhitzt – dafür aber viel heisser,
nämlich während 2 Sekunden auf eine Temperatur von bis 155 °C.
Beim UHT-Verfahren (= Uperisieren) werden alle Bakterien abgetötet. Diese Milch ist ungeöffnet einige Wochen bei Zimmertemperatur haltbar
Verkäsungszulage
Die Verkäsungszulage (korrekt: Zulage für verkäste Milch) wird vom Bund gemäss der Milchpreisstützungsverorodnung MSV direkt den MilchproduzentInnen ausbezahlt. Diese Zulage gilt für Milch von Kühen, Schafen und Ziegen beträgt 15 Rappen pro Kilogramm Milch abzüglich des Betrags der Zulage für Verkehrsmilch, sofern diese ebenfalls entrichtet wird.
Zusätzlich zahlt der Bund eine Zulage für Fütterung ohne Silage von 3 Rp./kg Milch aus (siehe «Siloverzichtzulage»).
Verkehrsmilch (Verkaufsmilch)
Als Verkehrsmilch (Verkaufsmilch)gilt:
- Milch, die zum Frischkonsum, zur Verarbeitung oder zur Verfütterung vom Betrieb oder Sömmerungsbetrieb weggeführt wird
- Mich, die im eigenen Betrieb oder Sömmerungsbetrieb zu Produkten verarbeitet wird, die nicht der Selbstversorgung dienen
Verkehrsmilchzulage
Die Verkehrsmilchzulage (korrekt: Zulage für Verkehrsmilch) wird vom Bund gemäss der Milchpreisstützungsverorodnung MSV direkt den MilchproduzentInnen ausbezahlt. Diese Zulage gilt für Milch von Kühen und beträgt 5 Rappen pro Kilogramm Milch.
Zusätzlich zahlt der Bund eine Zulage für verkäste Milch 15 Rappen pro Kilogramm Milch (siehe «Verkäsungszulage») für Milch von Kühen, Schafen und Ziegen aus, abzüglich des Betrags der Zulage für Fütterung ohne Silage von 3 Rp./kg Milch (siehe «Siloverzichtzulage»).
Vollmilch
Die Vollmilch ... Der Fettgehalt von standardisierter Vollmilch beträgt 3,5 Prozent. Um diesen Fettgehalt exakt zu erreichen, wird der Milch während der Verarbeitung Fett entnommen und später Milch mit weniger Fett beigemischt. Diese Standardisierung macht den Verarbeitungsprozess gemäss der Milchindustrie einfacher und effizienter.
Im Unterschied zu Rohmilch (siehe «Rohmilch») darf die Vollmilch durch Erhitzen (siehe «Wärmebehandlungsverfahren») haltbar gemacht werden.
Vollmilch enthält alle wertvollen Bestandteile der Milch.
Wärmebehandlungsverfahren
Sogenannte Wärmebehandlungsverfahren werden in Molkereien zur Keimreduktion und für eine längere Haltbarkeit eingesetzt:
- Pasteurisieren (Kurzzeit erhitzen, Hocherhitzen)
- Sterilisieren
- Ultrahocherhitzen
(Details zu den verschiedenen Wärmebehandlungsverfahren unter dem jeweiligen Stichwort, z. B. «Pasteurisieren»)
Die Nährstoffverluste durch das Erhitzen sind mit Ausnahme der sterilisierten Milch gering. Die Verluste der hitzeempfindlichen Vitamine liegen zwischen 5 und 20 Prozent. Die anderen Vitamine sowie die Mineralstoffe wie Calcium bleiben erhalten.
Weltmarkt
Die Schweizer Milchpreise sind stark von den Weltmarkt-Preisen abhängig. Eine Reduktion der Milchmenge hätte einen viel kleineren Einfluss auf den Milchpreis als der Weltmarktpreis. Denn die gesamte Schweizer Milchproduktion ist im globalen Vergleich mit einem halben Prozent der weltweiten Gesamt-Milchmenge verschwindend klein.
Zuschläge
Zuschläge und Abzüge: Den Milchproduzenten (Landwirten) werden je nach Saisonalität, Qualität der Milch, Gehalt der Milch und Liefermengen verschiedene Zuschläge und Abzüge verrechnet.
Zweitmilchkäufer
Der Zweitmilchkäufer kauft die Milch einer Käserei, einer Handelsorganisation oder einem Verarbeiter ab – und nicht direkt dem Milchproduzenten (Landwirt).
Zulage für Fütterung ohne Silage (siehe Siloverzichtzulage)
Zulage für Fütterung ohne Silage (siehe Siloverzichtzulage)
Zulage für verkäste Milch (siehe Verkäsungszulage)
Zulage für verkäste Milch (siehe Verkäsungszulage)
Zulage für Verkehrsmilch (siehe Verkehrsmilchzulage)
Zulage für Verkehrsmilch (siehe Verkehrsmilchzulage)