Als Kind kam ich früh in Kontakt mit ausländischen Arbeitskräften: Carlos und Casemiro aus Portugal, Are und Merike aus Estland oder Speedy und Marek aus Polen halfen auf dem Feld und im Stall, assen mit uns ihr Mittag essen und sorgten dafür, dass wir Kinder auf dem Kartoffelvollernter auch ein bisschen Spass hatten. Mit dieser Erfahrung werde ich kaum alleine dastehen.
Sehr viele Betriebe, welche in den letzten Jahren investiert haben und gewachsen sind, sind auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen – wenn sie es nicht schon seit jeher waren. Gute Angestellte sind ein wichtiger Erfolgsfaktor, wie dies auch in anderen Branchen der Fall ist. Nur finden wir in der Landwirtschaft zunehmend selten Arbeitnehmende im Inland. Zu hoch die Arbeitsbelastung, zu tief der Lohn, vielleicht sogar zu schmutzig die Hände (natürlich nur im wortwörtlichen Sinn).
Die allermeisten Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter sind Schweizer Staatsangehörige, genauso wie ihre Eltern und Grosseltern es waren. Das liegt nicht daran, dass nur Schweizer dazu in der Lage wären, sondern hat seine Ursachen im Erbrecht und im bäuerlichen Bodenrecht. Dem gegenüber gibt es eine beträchtliche Anzahl Auslandschweizer, welche in Kanada und Co. Betriebe bewirtschaften.
Anders sieht es aus bei den Angestellten, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Die letzte Lohnerhebung des Schweizerischen Bauernverbandes aus dem Jahr 2014 zeigte, dass gerade einmal 27 Prozent aller Angestellten Schweizer sind. Der Rest, also stolze 73 Prozent, kommt aus dem Ausland. 10 Jahre zuvor lag der Anteil Schweizer Angestellter noch bei 47 Prozent.
Im Gemüsebau ist die Situation nicht anders als auf Alpwirtschaften oder gemischten Betrieben. Und obwohl ausländische Arbeitskräfte zum Alltag in der Landwirtschaft gehören und viele Höfe ohne sie die Segel streichen müssten, weht ihnen in unserer Branche ein rauer Wind entgegen.
«Jugo», «Neger», «Polaken». Egal was man von political correctness hält: Diese Worte höre ich zu oft, und eigentlich nie in einem positiven Kontext. Allenfalls kommt noch der Nachtrag: «Mein Rumäne, der ist super. Aber sonst muss ich schon sagen, dass …» Die Gleichung geht nicht auf: Die Ausländer sollen hart und zu einem tiefen Lohn arbeiten, dafür möglichst nicht aufmucken und rasch wieder verschwinden?
Rassismus geht mir auf den Sack. In der Landwirtschaft, aber auch sonst. Das ist keine diplomatische Aussage, dafür eine ehrliche.
In den letzten beiden Jahren habe ich als Arbeitgeber Erfahrungen gemacht mit Tagelöhnern von nah und fern. Es gab Ausländer, die haben lausig gearbeitet und waren mir kein bisschen sympathisch. Es gab aber auch Schweizer, die ich nicht mehr anstellen würde: An Faulheit nicht zu überbieten, eine Spur aus Zigarettenstummeln im Feld hinterlassend und Tischmanieren, die einem den Appetit rauben. Handkehrum gab es extrem speditive Ausländerinnen und sehr fleissige Schweizer, ein Nationalitäts-Muster war nicht festzustellen (auch kein Muster zwischen den Geschlechtern übrigens). Und schlussendlich waren wir auch einfach froh, dass wir genug Leute fanden, welche mit uns die strenge Arbeit der Süsskartoffelernte bewältigt haben.
Darin liegt wohl eine der grössten Herausforderungen für unsere Branche: Wer arbeitet künftig noch in der Landwirtschaft? Einige Fälle sind bekannt, wo attraktive (= herausfordernde, verantwortungsvolle) Stellen lange Zeit unbesetzt blieben oder bleiben. Nicht, weil es nur schlechte Bewerber gab, sondern weil es überhaupt keine Interessenten gab! Auf Herr und Frau Schweizer würde ich keine allzu grossen Hoffnungen setzen. Die Anforderungen des Jobs und der Lohn klaffen zu weit auseinander. Die Anzahl der ausgebildeten Fachkräfte reicht seit längerem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Wir brauchen die Ausländer weiterhin, wie wir sie schon immer gebraucht haben. Da wäre es doch schön, würden wir diesen Arbeitnehmenden gegenüber etwas aufgeschlossener begegnen.
Nicht unterschlagen möchte ich an dieser Stelle die positiven Beispiele: Betriebe, die ihre Arbeitnehmenden unterstützen und wertschätzen. Mitarbeiterausflüge, kleine Feste und Feiern für die Arbeitnehmenden, Flexibilität bei Familienbesuchen und Unterstützung in schwierigen Situationen findet man auch auf Landwirtschafts betrieben. Die Erfahrung zeigt: Viele Arbeitnehmende danken es mit Treue und guter Arbeit.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet
mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG.
Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für
«die grüne».
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt er
von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.
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