Eines vorneweg: Es fühlte sich nicht anders an, ich zu sein, nachdem das mitternächtliche Glockengeläut an Silvester verstummte und die Hofübergabe somit amtlich wurde. Ich denke auch nicht, dass die leichten Kopfschmerzen tags darauf auf den Handwechsel zurückzuführen waren. Nein, diese Änderung der Besitzverhältnisse, das ist bisher doch eher eine abstrakte Sache. Vermutlich, weil von aussen rein gar nichts davon zu sehen oder erkennen ist. Ich wohne, wo ich wohnte, ich tue, was ich tat, ich bin, wer ich war – zumindest grösstenteils.
Das Büro als Hauptarbeitsplatz?
Innerlich – das meine ich räumlich – gab es aber bereits eine Veränderung. Ich habe investiert, aufgerüstet, vergrössert und abgeändert, in einen wichtigen neuen Betriebszweig. Künstliche Intelligenz ist hier allgegenwärtig, die Maschinerien sind von einem grossen Bildschirm aus steuerbar, es ist vermutlich «Farming 5.0» und wird, wenn die Mär von der administrativen Vereinfachung denn eine Mär bleibt, der neue Hauptarbeitsplatz eines jeden Landwirts. Die Rede ist selbstverständlich vom Büro, und zu hoffen bleibt, dass die MI (menschliche Intelligenz) mit der KI halbwegs Schritt zu halten vermag.
Bisher gab es das Büro natürlich auch, doch eher rudimentär, als Zweigstelle zur Kommandozentrale der Eltern quasi. Nun steigt der Bedarf nach einer durchdachten Lösung aber markant an. Die Mailbox schwappt täglich über, der Briefkasten hat Schluckprobleme und mein erklärtes Ziel ist es, dass nicht das pure Chaos ausbricht. Ordner, Fächli, Beschriftungen und ein gutes Ablagesystem müssen her, damit im Gegenzug ein Gefühl der Sicherheit und Kontrolle da ist, das mich ruhig schlafen lässt.
Es geht aber nicht nur um das Praktische: Da die Büroaufenthalte alltäglich und gar nicht so kurz sind, lohnt es sich auch, es zu einem Ort zu machen, an dem man gerne ist. Licht, (Steh-)Pult, Pflanzen, Farbe …
Einiges ist gemacht, ich würde aber sagen, es gibt noch Luft nach oben. Weil es an der Agrama leider keinen Stand mit Büroeinrichtungen gibt, habe ich sogar schon nach Ausstellungen dieser Art Ausschau gehalten. Nun, zum Glück erfolgt so eine Hofübergabe im Januar und nicht im Mai.
Klarheit für Aussenstehende
Die Betriebsübergabe beschäftigt familienintern, wird aber natürlich auch von aussen mit einigem Interesse begutachtet. Zu Recht: Ein Betrieb ist vernetzt, und die vielen Anspruchsgruppen – Mieter, Pensionärinnen, Kundinnen und Kunden der Lohnarbeiten, Händler, Behörden, Berufskollegen und Nachbarn – möchten wissen, ob und wie es weitergeht. Herrscht Unsicherheit, ist das gut für die Gerüchteküche und schlecht fürs Geschäft, selbst wenn man keine Aktionärsgesellschaft ist.
Da die Hofübergabe für Aussenstehende unsichtbar ist und einige Fragen im Raum stehen – wer ist nun Ansprechperson wofür? –, haben wir uns entschieden, einen kleinen Umtrunk mit Kaffee und Kuchen zur Hofübergabe durchzuführen. Es geht aber nicht nur um die Klärung der Zukunft, auch ein kleiner Rückblick und ein grosses Danke an das Umfeld gehören dazu. Denn immer mehr wird mir bewusst: Ohne das Mitwirken, die Hilfe und das Vertrauen ganz vieler Menschen wäre all das nicht nur unmöglich, sondern irgendwie auch sinnlos.
Hagenbuchs Randnotizen
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er leitet einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.