Dem Jahr 2024 werde ich keine Träne nachweinen. Es war von A bis Z ein Murks. Auf dem Feld musste man sich fast jede Arbeit irgendwie stehlen und zwischen zwei Übeln versuchen, das kleinere auszuwählen. Dreschen und Landschaden verursachen oder warten und Auswuchs riskieren? Säen bei feuchten Bedingungen und idealem Termin oder warten (in der Regel auf noch feuchtere Bedingungen)? Heute einen Traktor vorspannen und ernten oder die Ware im Boden verfaulen lassen?
So oder ähnlich präsentierten sich die Fragestellungen rund um den Ackerbau. Der Pflanzenschutztraktor musste einmal aus dem Feld gezogen werden, das Heu hat es vaterländisch verschifft und vom ständigen Strassenputzen wollen wir gar nicht erst reden. Das Herbstgras konnten wir nicht im Fahrsilo versorgen, und so zieren nun über 80 sehr formschöne Rundballen das Hofgelände, damit man sich auch 2025 noch eine Weile an dieses leidige Jahr erinnern darf.
Das ganze Jahr unter Druck und im Verzug
Ich bin ehrlich gesagt etwas müde. Denn all die Regentage, in denen man auf den Feldern einigermassen blockiert war, dienten irgendwie nicht der Erholung. Gefühlt waren wir heuer ständig im Verzug und immer unter Druck. Man durfte kein noch so kleines Zeitfenster verpassen. Wir haben noch nie so oft an Sonn- und Feiertagen, in der Nacht und über Mittag gearbeitet, und das meist bei allerhöchstens mittelprächtigen Bedingungen. Sie sehen, es ging uns also gleich wie fast allen anderen Schweizer Landwirten – es war ein Murks. Und das ging mir doch auch etwas an die Substanz.
In den vorherigen Jahren dachte ich manchmal bei der Saat des letzten Weizens: Eigentlich schade, ich würde noch gerne das eine oder Feld säen. Diesmal nicht. Je länger das Jahr ging, desto mehr war alles Erledigte eine Erleichterung.
Wäre es also besser gewesen, im Januar 2024 abzuhauen und für ein Jahr eine Weltreise zu machen? Eine sehr hypothetische Frage, aber na ja, viel Erfreuliches hätte man tatsächlich nicht verpasst. Dieses Jahr wurde ich sogar recht erfinderisch im Erkennen von Gefreutem: Oft tröstete ich mich damit, dass es anderswo noch schlimmer kam.
«Wir hatten nur 60 Liter Regen, ein paar Kilometer weiter waren es 110!»
«Bei uns hat es nur leicht gehagelt, im Nachbardorf waren die Körner noch grösser.»
«Uns hat es nur 3 ha Heu verschifft, bei einem Bekannten sogar 8 Hektaren!»
«Zum Glück sind die Kartoffeln hier ersoffen, dann müssen wir sie auch nicht mehr ernten …»
Die Region des Hirns, welche für Galgenhumor und Zweckoptimismus besorgt ist, hatte ein intensives Jahr.
Bewährungsprobe bestanden
Was ich als nachhaltig positiv mitnehme: Wir haben dieses Jahr letztendlich irgendwie geschafft. Die Feldarbeiten sind erledigt. Die Fahrsilos voll. Im Stall sind gesunde Tiere. Die Gebäude stehen und haben den Wasserdichtetest erfolgreich bestanden. Die meisten Rechnungen sind bezahlt. Die Menschen werden sich voraussichtlich alle von den Strapazen vollständig erholen.
Das heisst für mich: Wenn es in diesem Jahr irgendwie ging, dann wird es doch wohl immer irgendwie gehen. Möge diese Aussage aber bitte nicht in allzu naher Zukunft auf die Probe gestellt werden.
Hagenbuchs Randnotizen
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.