Also, diese Texte unter dem Titel «Plötzlich Bauer», die schreibe ich ja nun doch seit geraumer Zeit. Die erste Kolumne erschien im März 2018. Seither ist einiges passiert:
- Russland führt einen grundlosen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
- Die Covid-Pandemie hielt die Welt fast drei Jahre lang sprichwörtlich in Atem.
- Die Notre Dame hat gebrannt.
- Die Schweiz hat landesweit über sechs landwirtschaftliche Initiativen abgestimmt, darunter auch die Hornkuh-Initiative.
- Der FC Sion hat 15 Mal den Trainer gewechselt.
- Roger Federer ist zurückgetreten.
- Der Schweizerische Ziegenzuchtverband hat zweimal den Geschäftsführer gewechselt.
Parallel zu diesen Ereignissen haben sich über 60 «Plötzlich Bauer»-Kolumnen von mir angesammelt. Unter «plötzlich» versteht man gemäss Duden, wenn etwas von einem Moment auf den anderen unerwartet eintritt. Ich dürfte nun also offiziell den Weltrekord für die längste Leitung innehaben: Ich bin seit über fünf Jahren völlig unerwartet Landwirt. Und das, nachdem ich die Lehre als Landwirt und das Agronomie-Studium absolviert habe. Da konnte man von mir als Bauernsohn echt nicht damit rechnen, dass ich plötzlich Landwirt werde …
An guten Tagen «Landwirt aus Leidenschaft», am schlechten «Trotz allem Landwirt»
Zu meiner eigenen Verteidigung: Am Anfang fühlte sich das alles wirklich sehr überraschend und beinahe exotisch an, da ich als Jugendlicher nie mit der Landwirtschaft auch nur geliebäugelt habe. Aber nun hat doch eine gewisse Gewöhnung stattgefunden. Das ist auch gut so: Ich weiss nicht, ob ich noch leben würde, wenn ich ständig so nervös gewesen wäre wie in den ersten Nächten in Unterlunkhofen. Beim kleinsten Geräusch bin ich damals erwacht und habe manchmal mitten in der Nacht kontrolliert, ob bei den Tieren alles in Ordnung ist. Auch hatte ich einige Albträume von kranken Schweinen oder entlaufenen Pferden. Tempi passati, zum Glück, auch wenn es eine sehr schöne Zeit war.
Jedenfalls ist es heute definitiv nicht mehr so, dass ich plötzlich Landwirt bin. Aber was dann? An guten Tagen «Landwirt aus Leidenschaft». An schlechten Tagen «Trotz allem Landwirt». Mal fühle ich mich als «Landwirt mit Leib und Seele», und dann wieder eher Fremdkörper in der eigenen Branche («Wieso zur Hölle Landwirt?»).
Was vielleicht einigen von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nicht bewusst ist: Der Betrieb gehört nicht mir. Ich beziehe Lohn von meinen Eltern, mit variablem Erfolgsanteil, wobei Erfolg in beide Richtungen gehen kann. Die Hofübergabe ist geplant auf den 1. Januar 2025. «Noch Knecht». Oder, zukunftsgerichtet: «Bald Chef». Oder auch: «Bald hoch verschuldet».
Den Titel ändern, um nicht im Alltagstrott zu versinken
Um nicht zu sehr im Alltagstrott zu versinken, tut es mir manchmal gut, etwas zu verändern. Und sei es vorerst nur den Titel dieser Kolumne. Sie wissen ja, bereits der Flügelschlag eines Schmetterlings in West-Usbekistan kann Auswirkungen ungeahnten Ausmasses bis nach Unterlunkhofen haben. Darum freut es mich, weiterhin an dieser Stelle ein Plätzchen zugewiesen zu bekommen. Übertitelt wird es neu mit «Hagenbuchs Randnotizen».
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.