Im Mai und Juni geht in der Regel auf den Feldern die Post ab. Mit dem dauerhaft anwesenden Personal sind die anfallenden Arbeiten nicht zu schaffen, wir sind auf zusätzliche Hände angewiesen. Das gilt besonders für das Setzen unserer Süsskartoffeln.
Wenn bis zu zehn Mitarbeitende beschäftigt sind, ist mein Job nicht mehr unbedingt, mit dem Traktor zu fahren – obwohl das manchmal eine schöne Abwechslung und direkt erholsam wäre. Ich hätte dann eine klare Aufgabe und am Ende des Tages ein bestens sichtbares Resultat meiner Arbeit. Mein Job ist in dieser Zeit aber eher zu schauen, dass alle Mitarbeitenden am für sie richtigen Platz möglichst gut arbeiten können.
Gut arbeiten. Das klingt ziemlich banal. Und tatsächlich machten es mir die Mitarbeitenden eher leicht. Es lief rund, es gab keine gröberen Pannen und die Arbeit machte, obwohl es streng war, allen Beteiligten auch Spass. Und das lag natürlich in erster Linie am Team selber –und nicht unbedingt direkt an der Arbeit. Denn auch wenn ich sehr gerne Süsskartoffeln anbaue: Wirklich lustig ist die blosse Tätigkeit an sich ja nicht. Würde ich komplett alleine ein Feld bepflanzen, pflegen und ernten, hätte ich vom Pflug bis zur vollen Paloxe kaum je gelacht. Ich hätte mich wohl stattdessen des Öfteren gefragt, was das hier eigentlich soll.
Es herrscht allgemeiner Konsens darüber, dass es wichtig ist, dass die Mitarbeiter motiviert sind. Und es wird oft als Aufgabe der Führungspersonen verstanden, für diese Motivation zu sorgen oder Anreize dafür zu schaffen (Geld, Wertschätzung, Anerkennung, Zuckerbrot oder Peitsche, je nach Typ). Das stimmt – ist aber nur eine Seite der Medaille. Mir geht es hier um etwas anderes: Die Mitarbeitenden motivieren auch mich. Und zwar, ohne dass es ihre Aufgabe wäre. Und vermutlich, ohne dass sie es wissen (ausser, sie lesen diesen Text).
Denn bei mir ist es so: Ich kann schon auch ganz gut selbstständig und alleine arbeiten. Bin ich aber in ein grösseres Ganzes eingebettet, motiviert mich das zusätzlich. Es geht dann nicht bloss um mich, um meine Arbeit, mein Einkommen, meine Leistung, meine Produktion, meine Dienstleistung. Es geht darum, gemeinsam etwas zu erreichen. Es geht darum, dass ich meinen Job gut mache, nicht bloss, damit ich maximal davon profitiere. Mache ich meinen Job gut, profitieren auch andere davon. Mache ich meinen Job gut, haben alle während der Arbeit eine gute Zeit und ein Einkommen. Mache ich meinen Job gut, machen auch die anderen ihren Job gut.
In den letzten Monaten wurde mir bewusst, wie sehr die Mitarbeitenden mich motivieren. Klar gibt es auch Tage, an denen in meiner Gefühlswelt nicht nur regenbogenfurzende Einhörner über üppig grüne Weiden tollen. Aber auch dann helfen mir die Mitarbeitenden, mich aufzuraffen. Es funktioniert nämlich nicht, mit einer Scheisslaune auf das Feld zu kommen und dann von zehn Personen zu erwarten, dass sie gute Arbeit leisten. Darum wirken Mitarbeitende auch ausgleichend. Und sie wirkend auch disziplinierend: Wenn ich selber nicht sauber und rasch arbeite, kann ich das auch nicht von den anderen erwarten.
Dieses Jahr läuft bis jetzt ganz gut, was die Mitarbeitenden betrifft. Spannend wird es wohl dann werden, wenn es irgendwo im Gefüge harzt. Das war zuletzt selten der Fall, kann sich aber erfahrungsgemäss schnell ändern. Die Kunst wird sein, auch daraus Motivation zu ziehen und versuchen, gute Lösungen zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass das gelingt. Ich muss solche Probleme ja auch nicht alleine lösen. Und aus der Pensionspferdehaltung habe ich glücklicherweise bereits einige Übung im Konfliktmanagement.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG.
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt er von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.