Meine berufliche Karriere hat wohl mit der Hofübernahme ihren Zenit bereits erreicht. Eine Stelle oberhalb des Betriebsleiters wäre mir zumindest nicht bekannt. Ausser vielleicht, der Betrieb würde einmal eine AG, und ich wäre Hauptaktionär und/oder Verwaltungsratspräsident. Nun ja, jedenfalls winkt in den nächsten Jahren kaum eine Beförderung. Nichtsdestotrotz besuchte ich diesen Januar eine Weiterbildung. Sie war zwar nicht lohnrelevant,dafür spannend.
Beim Austausch mit den Berufskolleginnen und -kollegen fiel mir ein sehr häufig ausgesprochener Satz auf: «Als Ausgleich arbeite ich noch auswärts.» Arbeiten als Ausgleich. Nicht Töpfern oder Fallschirmspringen, Rudern oder Fussballspielen, nein, der häufigste Ausgleich zum Job als Landwirt scheint für viele Betriebsleitende einfach eine andere Arbeit ausserhalb des eigenen Hofs zu sein. Arbeit mit Arbeit ausgleichen, also. Auch ein Weg, um die Waage des Lebens in Balance zu halten. Und die Hauptmotivation ist oftmals nicht der Verdienst, sondern effektiv der Ausgleich.
Luftveränderung durch Arbeit
Das klingt vielleicht zu Beginn etwas komisch, vor allem für Personen ausserhalb des primären Sektors und die Menschen, welche eher ihre Work-Life-Balance als ihre Work-Work-Balance immer schön im Lot haben möchten. Ich kann die Beweggründe meiner auswärts engagierten Kolleginnen und Kollegen aber durchaus nachvollziehen: Ich habe es jeweils auch sehr geschätzt, Teilzeit auf einer Redaktion (oder sonst wo) arbeiten zu können. Die Zugreise nach Bern? Ein Entspannungsprogramm. Die Mittagspause? Oft lustig oder zumindest interessant. Die zu erledigende Arbeit? Machbar, und zwar ohne den Druck, ein wichtiger Entscheidungsträger oder Eigentümer der Firma zu sein.
Besonders in Zeiten, in denen es auf dem Landwirtschaftsbetrieb nicht so rund lief, war die regelmässige Luftveränderung eine wohltuende Sache für mich. Nicht selten relativierten sich Probleme, präsentierten sich nach der Heimkehr in einem anderen Licht oder rückten sogar so weit in den Hintergrund, dass ich sie in der Folge als irrelevant abtun konnte. Dennoch bin ich nicht mehr dort. Vielleicht, weil nach fünf Jahren die immer gleiche Luftveränderung irgendwann auch keine wirkliche Luftveränderung mehr ist.
Die nächste Kolumne auswärts schreiben
Nun habe ich – abgesehen von dieser Kolumne, die ich aber problemlos allein zu Hause im Büro schreiben kann – keinen derartigen Ausgleich mehr vorzuweisen. Das Engagement im Freiämter Landwirtschaftsverein oder die schauspielerische Tätigkeit in der Improvisationstheatergruppe sind nicht wirklich mit einem auswärtigen Job zu vergleichen.
Fehlt mir nun der Ausgleich?
Gemach. Die Hofübergabe ist erst einen guten Monat her. Es handelt sich hier wohl um eine typische Winter-Kolumne. Ich vermute nicht, dass ich mir im Mai den Kopf darüber zerbrechen werde, was ich ausserhalb des Betriebs noch alles anstellen (oder mich anstellen lassen …) könnte. Obwohl das vielleicht auch gerade dann nicht nur Nachteile hätte.
Luftveränderungen schaden dennoch nie. Zum Glück gibt es ja Weiterbildungen und auch sonst viele schöne Möglichkeiten, eine kurze oder auch etwas längere Zeitspanne ausserhalb des gewohnten Rayons zu verbringen. So ist denn auch mein Vorsatz für die nächste Kolumne, dass ich diese auswärts schreibe. Und zwar ganz mondän, in einem Co-Working-Café in Zürich. Pröstli!
Hagenbuchs Randnotizen
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er führt einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.