Während der Feldsaison diktiert eigentlich stets das Wetter meinen Alltag. Da stellt sich mir nie gross die Frage, ob ich jetzt Lust habe, diese oder jene Arbeit zuerst zu erledigen. Ein Zeitfenster zu verpassen liegt nicht drin, besonders in einem Jahr wie dem langsam zu Ende gehenden 2021. Die Natur gibt den Takt vor, und ich versuche, mich möglichst im Gleichschritt mit ihr zu bewegen und nicht aus dem Tritt zu geraten.
Das hat sich jetzt etwas geändert. Die letzten Wiesen sind gegüllt und der Weizen gesät. Der Mist ist geführt, könnte man sagen. Klar, es gibt immer noch vieles zu erledigen – sehr vieles sogar. Aber die anstehenden Arbeiten finden grösstenteils nicht mehr auf den Feldern statt und sind kaum vom Wetter abhängig. Anders als während der Saison ist es nicht mehr entscheidend, ob ich eine Arbeit heute oder erst morgen erledige. Die erste Amtshandlung des Tages ist es nicht mehr, die verschiedenen Wetter-Apps zu konsultieren (und sich über die abweichenden Prognosen aufzuregen).
Meine Umstellung auf den Wintermodus – das zeigt die Erfahrung – ist zunächst einmal so, dass ich eine Zeit lang etwas Mühe habe, meine Tage zu strukturieren und mir meine die Arbeit sinnvoll einzuteilen. Irgendwie ist es ja schon auch noch praktisch, wenn der Wetterbericht einem nahelegt, was zu tun ist. Jetzt muss ich das ganze Priorisieren wieder selber übernehmen – und ja, an gewissen Tagen auch das Motivieren.
Dass ich im Arbeitsalltag im Winter mehr Luft und Freiheit habe, ist schön. Ich muss sie dann aber auch zu nutzen wissen. Das dauert jeweils eine gewisse Zeit. Die Umstellung auf den Wintermodus ist definitiv anspruchsvoller als die Zeitumstellung zur Winterzeit. Die läuft ja kurz und schmerzlos ab.
Der Freiheiten der Winterzeit möchte ich nicht nur für Arbeit nutzen. Natürlich habe ich vor, vermehrt Freunde zu treffen, Ausflüge zu unternehmen und mehr Zeit in meine Hobbys zu investieren. Oder, auch ganz gut: Einfach einmal nichts tun. Das Suchtpotenzial für diese Form der Nicht-Beschäftigung ist bei mir eher klein, und es kommt vor, dass mir dabei gar nicht so dumme Gedanken und Ideen in den Sinn kommen.
Damit das gelingt, muss ich aber beides planen – Arbeit und Freizeit. Sonst kann es sein, dass ich während der Freizeit ein schlechtes Gewissen habe («ich müsste doch eigentlich noch …»), womit es dann natürlich vorbei ist mit dem süssen Nichtstun. Ist die Arbeit aber einigermassen gut geplant, klappt das mit dem Abschalten auch ziemlich gut.
Es geht aber jetzt nicht einfach drei Monate darum, möglichst viel Überstunden abzubauen. Ich freue mich auch auf die anstehenden Arbeiten. Es ist die Zeit, diverses zu tun, wofür unter dem Jahr die Zeit gefehlt. Kleine Renovationsarbeiten an den Gebäuden, Aufräumarbeiten rund um den ganzen Betrieb, sauber machen, was nur selten sauber gemacht wird.
Ebenfalls möchte ich Zeit nutzen, um mir Fragen grundsätzlicher und strategischer Natur zu stellen: Möchte ich den Stall noch so machen, wie ich es jetzt ein Jahr lang getan habe? Welche betrieblichen Abläufe kann ich optimieren? Welche neuen Projekte könnte ich in Angriff nehmen? Wie kann ich mehr von dem Tun, was ich gerne tue und muss weniger von den Dingen erledigen, die mir nicht so liegen?
Es ist Zeit, all mein Tun mit etwas Distanz zu beleuchten, zu hinterfragen und die Weichen so zu stellen, dass ich auf dem richtigen Kurs bin.
Wenn das einigermassen gelingt, dann wird die Umstellung vom Wintermodus in den Frühlingsmodus deutlich weniger harzig als umgekehrt.
«Plötzlich Bauer»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».
Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt ervon Alltäglichem und Ausser-gewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.