Als Jugendlicher war ich empfänglich für antikapitalistische Parolen. Gewinnmaximierung und grenzenloses Wachstum als einzige Maxime? Dümmer geht’s nicht, dachte ich. Grenzenloses Wachstum bei begrenzten Ressourcen? Kann unmöglich aufgehen. Selbst mir, mit bescheidenen mathematischen Fähigkeiten ausgestattet, leuchtete das ein. Da war ich aber Lehrling oder Student.
Jetzt arbeite ich auf unserem Mühlehof. Die Anzahl Pensionspferde habe ich von 5 auf 14 erhöht. Mastschweine-Plätze sind nun 144 statt 64 vorhanden. Die Flächen mit Spezialkulturen haben wir ausgedehnt, Umbauten in Angriff genommen. Und das erste Auto, das ich seit einem Jahr besitze, hat schon erstaunlich viele Kilometer auf dem Tacho.
Das ist alles «einfach so» passiert. Ich habe mich nicht bewusst an den Tisch gesetzt und gedacht: Wachstum ist geil.
Wieso also kam es dazu? Ich habe die Potenziale gesehen und wollte diese ausschöpfen. Die natürlichste Sache der Welt. Nutzen, was es zu nutzen gibt.
Der Ausbau steht gewissermassen für Erfolg, für ein «sich beweisen» als fähiger Landwirt. Ich folgte den ungeschriebenen Spielregeln im Spiel der Marktwirtschaft: Mehr ist besser, Auslastung das Ziel, Stillstand ein Rückschritt.
Was heisst das für das nächste Jahr auf dem Mühlehof? Muss ich dann 20 Pensionspferde halten und fünf zusätzliche Hektaren mit Spezialkulturen bewirtschaften, damit ich das Gefühl habe, vorwärtszukommen?
Natürlich nicht. Es gibt Grenzen, die einerseits durch die eigene Arbeitszeit und andererseits die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Ackerland oder Gebäude-Infrastruktur gesetzt werden. Und das ist auch gut so. Denn so kann die Devise nicht einfach «mehr ist mehr» lauten.
Aber: Was könnte die Alternative dazu sein? In der Schweizer Landwirtschaft wird die Qualitäts-Strategie hoch gehalten. In unserem Fall könnte das heissen: Umfassenderes Leistungsangebot für die Pensionspferde. Bessere Arbeitsorganisation und weniger Leerläufe. Oder die Vermarktung exklusiver Produkte (weniger Menge, höhere Wertschöpfung).
All das befreit mich aber nicht vor der Konfrontation mit der entscheidenden Frage: Was will ich überhaupt. Und was will ich nicht?
Ohne eine Antwort auf diese Frage ist mir nach einem Jahr als Landwirt klar, was passiert: Mehr Arbeit, mehr Verantwortung und mehr Investitionen. Kurzfristig freute ich mich zugegebenermassen über den Ausbau unserer Tätigkeiten auf dem Mühlehof. Langfristig weiss ich aber, dass es mit dieser Strategie nie genug sein wird. Ich kann die Frage, wohin ich mit unserem Betrieb genau will, noch nicht beantworten. Ich weiss aber, dass ich diese Antwort nicht der Zeit überlassen möchte (die Antwort wäre bekanntlich: Mehr).
Eine Vision lässt sich in den seltensten Fällen aus dem Ärmel schütteln. Sie wächst eher langsam heran und ist irgendwann reif. Mit der nötigen Aufmerksamkeit hoffe ich, diesen Zeitpunkt ideal zu erwischen und genügend Mut zu haben, zuzugreifen – oder loszulassen. Garantiert ist das aber nicht. Sonst wäre es ja langweilig.