«Hast du gesehen, der Sepp hat schon gemäht!» – «Jetzt schon? Spinnt denn der?»

«Ja, und der Müller hat schon wieder am Wochenende gegüllt, der ist doch nicht ganz bei Trost! So wird es schwierig mit dem Goodwill bei der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung …»

«Mhm. Du, schönen Mais hat die Silvia!»

«Ja, die düngt aber auch wie eine Wahnsinnige, möchte ja wissen, wie ihre Bilanz da noch aufgeht …»*

Nein, ich habe nicht die Küche bei Ihnen zu Hause verwanzt und Ihre Tischgespräche niedergeschrieben. Ich möchte aber doch wetten, dass es so oder ähnlich in vielen Bauernstuben zu und her geht. Es ist eine beliebte Nebendisziplin in unserer Branche: das Kommentieren der Tätigkeiten der Berufskollegen.

Wer hat welche Maschine neu gekauft? Wer hat Land erworben oder gepachtet, wer hat Land verloren? Wer hatte eine Panne am Traktor, und, speziell wichtig: Um welche Traktorenmarke handelt es sich dabei? (Sicher nicht New Holland …) Wer hat an der Viehschau abgeräumt? Wer hat neu gebaut oder möchte gerüchteweise neu bauen? Wer hat als erster gemäht, wem hat es ins Heu geschifft, wer baut eine neue Kultur an, wer hört mit dem Melken auf und wer hat eine neue Frau?

Beobachtungen auf dem Betrieb der Kollegen sind inspirierend

Die meisten dieser Fragen sind für unsere eigenen Betriebe absolut irrelevant. Gerade darin besteht vielleicht auch der Reiz bei diesen Gesprächen: Sich mit den Problemen anderer zu beschäftigen, ist meistens deutlich entspannter, als immer nur die eigenen zu wälzen.

Aber halt, verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es ist nicht schlecht, dass wir über das Tun und Lassen unserer Kolleginnen und Kollegen reden. Es ist auch Ausdruck unseres grossen Interesses an der Landwirtschaft. Und es wird kein berufsspezifisches Phänomen sein: Ich gehe davon aus, dass die Schreiner ebenfalls rege mitverfolgen, was ihre Konkurrenz so treibt.

Der Austausch muss ja nicht negative Lästerei sein. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der Region machen gemäss meinen Beobachtungen und auch Erfahrungen einen Superjob, und es ist inspirierend zu sehen, wie sie ihre Betriebe bewirtschaften, sich organisieren oder welche Investitionen sie tätigen. Man kann ja auch voneinander lernen, im schlechtesten Fall wenigstens, wie man es selber nicht machen möchte.

Wie wird wohl das eigene Schaffen kommentiert?

Noch spannender als zu tratschen, wäre es manchmal zu erfahren, wie das eigene Schaffen kommentiert wird. Das sickert ja nur selten und höchstens über Umwege zu einem durch. Natürlich ist auch das für unseren Betrieb letztendlich komplett schnurz. Ausser vielleicht, wenn sich alle rundherum einig sind, dass man ein absoluter Vollpfosten sei.

Dann müsste ich das wohl idealerweise als Anlass zum Hintersinnen nehmen. Ausser natürlich, ich bin wirklich ein Vollpfosten. Dann würde ich einfach weiter über meine Nachbarn reden, aber dann am besten ausschliesslich negativ, um mir selbst und allen, die es hören wollen, zu beweisen, dass die anderen die wahren Vollpfosten sind. Das wäre dann wohl ein Teufelskreis.

*Die Namen sind erfunden, die Chance ist jedoch gross, dass es einen Sepp, einen Müller und eine Silvia gibt, auf welche obige Aussagen zutreffen.

Hagenbuchs Randnotizen

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.

Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.