«Gratis zum Mitnehmen» ist manchmal am Strassenrand zu lesen. Neben einem Schild aus Pappkarton steht dann zum Beispiel ein gammliges Sofa im Regen, eine Ikea-Vitrine mit zersplittertem Glas oder ein Kinderwagen mit platten Reifen. Irgendwie verschwinden diese Dinge meist, wobei ich nicht ganz sicher bin, ob sich hin und wieder nicht auch die Müllabfuhr der Sache annehmen muss.

Als Motivation für diese «Spenden» kommen (eher weniger) Grosszügigkeit gegenüber Fremden oder (eher mehr) das Einsparen von Entsorgungsgebühren in Frage.

Auch auf Bauernhöfen ist hin und wieder «Gratis zum Mitnehmen» zu lesen. Zum Beispiel, wenn im Garten eine Kürbis- oder Zucchetti-Schwemme herrscht, oder wenn mehr Johannisbeeren wachsen, als Konfigläser im Haus sind.

Vor dem Mühlehof haben wir unlängst auch ein solches Schild postiert. Für Zucchetti und Gravensteiner Äpfel. Nach dem Wochenende war alles weg. Und als ich die leeren Kisten holte, merkte ich, dass ich mich freute. Schön und gut, nur wusste ich nicht, worüber ich mich genau freute. Nach einigem Nachdenken war ich mir unsicher, ob es sich nun um eine gute oder saudumme Tat handelte.

Wir Landwirte leben von der Produktion und dem Verkauf von Lebensmitteln (und Dienstleistungen). Da ist es nicht gerade förderlich für den Absatz, wenn jemand «mein» Produkt gratis anbietet.

Ich fände es nicht ideal, wenn eine Paloxe mit guten Kartoffeln an der Strasse stünde mit dem Hinweis: «Bedient euch, es ist gratis!» Weil ich – unter anderem –vom Verkauf von Kartoffeln lebe. Zudem klingt der Satz «Was nichts kostet, ist nichts wert» in meinen Ohren. Wer weiss, wo dieses Gratis-Essen genau gelandet ist? Im Kompost vielleicht?

Warum haben wir das überhaupt gemacht? Der Umschwung des Betriebes mit Garten und Obstbäumen wirft Ertragsüberschüsse ab, die nicht samt und sonders in der eigenen Küche verwertet werden können. Selbst wenn man sich ausschliesslich von Graven-steiner Äpfeln und Zucchetti ernähren würde (was ich nicht will). Rundherum reifen Früchte und es stellt sich die Frage: Was tun damit?

Am einfachsten wäre Folgendes: Nichts. Hin und wieder ein Paar Äpfel für uns, vielleicht noch etwas Apfelmus, Schnaps, Konfi und Konsorten, dann reicht es aber auch.

Nur gibt es ein Problem: Die Bäume sind immer noch gerappelt voll. Und was die Wespen freut, ist für unsereins kein schönes Bild. Verfaulende Früchte am Boden stören. Selbst im Wissen, dass sich die Arbeit für deren Ernte niemals bezahlt macht, ist es irgendwie doch schwierig, das zu akzeptieren.

Ich habe kein weidendes Vieh, welches sich dem kontinuierlich anfallenden Fallobst annimmt. Die Schweine können in die Bresche springen. Ein paar Äpfel sind in der Tat ein gutes Ablenkmanöver, damit man beim Misten seine Ruhe hat. Nichtsdestotrotz haben wir neulich also spontan die «Gratis-zum-Mitnehmen-Kiste» an den Fussweg gestellt. Und uns dann gefreut, als sie leer war.

  • Erstens: Weil wir dachten, dass die Speisen doch noch einer sinnvollen Verwendung zugeführt worden sind.
  • Zweitens: In der Annahme, dass sich einige Menschen darüber freuen würden.
  • Drittens: Was nichts kostet, ist nichts wert – das ist nur die eine Seite der Medaille. Geschenke kommen immer irgendwie zurück, steht auf der Kehr-seite. Vielleicht bei bevorstehenden Abstimmungen. Oder in Form von Verständnis, wenn ein Hauch Hofdünger in der Luft liegt. Vielleicht auch gar nicht.

Jedenfalls hoffe ich, dass wir keinem Produzenten in die Quere gekommen sind. Und das Fazit der Geschichte? Nichts ist mehr einfach. Nicht einmal, etwas gratis abzugeben.

 

«Plötzlich Bauer»

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».

Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt er von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.