Das Unvermeidliche tritt nun also ein. Auch ich schreibe jetzt noch etwas zu den bevorstehenden Agrar-Initiativen. Auch deshalb, weil sonst der Verdacht aufkommen könnte, ich sei ein heimlicher Jünger von Franziska Herren oder ein Nestbeschmutzer wie Kilian Baumann. Bin ich nicht, keine Angst.

Obwohl ich es selbst in diesem Moment nicht besser mache, bin ich der Meinung: Wir haben innerhalb der Landwirtschaft zu viel über diese Initiativen diskutiert. Leserbriefe, Leitartikel, Kommentare und Fachtexte am Laufmeter waren in der Fachpresse zu finden.

Wir haben uns (grösstenteils) gegenseitig darin bestärkt, dass die Initiativen hirnrissig und existenzgefährdend sind. Das gab uns das gute Gefühl, nicht allein zu sein. Ein deutlich besseres Gefühl, als wenn man die Kommentarspalten zur Pestizid-Berichterstattung in den Tageszeitungen oder bei SRF durch scrollt.

Es ist legitim, dass man sich gut fühlen will. Nur ist leider klar, dass wir LandwirtInnen diese Abstimmung nicht alleine gewinnen.

Ich staunte nicht schlecht, als ich immer wieder auf Leute traf, die noch nichts von den anstehenden Initiativen gehört haben. Das ist wohl ein Zeichen dafür, dass ich mich oft in der «Landwirtschaftsblase» bewege. Jedenfalls scheint es, dass es doch auch Menschen gibt, für die das Thema nicht allerhöchste Priorität hat.

Ich möchte gerne einen Beitrag leisten, dass die Abstimmungen gewonnen werden – also die Initiativen abgelehnt. Wie das? Nun, ich könnte versuchen, Befürworter der Initiativen umzustimmen. Das ist aber ein Kampf gegen Windmühlen. Ich führte schon ziemlich lange Gespräche über die Initiativen mit Konsumentinnen und Konsumenten. Ich begründete ausführlich, hörte geduldig zu, erklärte und präzisierte Missverständnisse. Das Ergebnis war dann in etwa folgendes:

«Vielen Dank für das Gespräch, es war sehr interessant und ich kann Sie und ihre Argumente durchaus verstehen. Dennoch werde ich Ja stimmen, weil es für mich vom Gefühl her einfach stimmiger ist.» Die Idee ist zu verlockend: Bioland Schweiz, sauberes Wasser, Einklang mit der Natur, der Staat richtet es schon, grosse Schritte nach vorne müssen anfangs etwas wehtun, jetzt muss man endlich ein Zeichen setzen …

Jedenfalls bin ich von dieser Strategie nun abgewichen. Ich habe keine Lust, mit jemandem zu reden, der in ein und demselben Satz pseudofundiertes Geschwurbel über Nitrat, Pestizide, Ammoniak, Import, Subventionen und Tierwohl äussert.

OK, das schreit nun nach einem Beispielsatz. «Die Böden und folglich auch das Trinkwasser sind mit Nitrat und Pestiziden verseucht, weil die Bauern Subventionen dafür erhalten, Kraftfutter aus Brasilien zu importieren, gegen den Tierschutz zu verstossen und mit Ammoniak-Emmissionen auch noch Naturschutzgebiete zerstören.»

So in der Art. Nein danke, sonst brauche ich chemisch-synthetisch hergestellte Blutdrucksenker.

Also versuche ich stattdessen folgendes: Ich gehe auf die persönliche Ebene. Ich teile Menschen aus meinem Umfeld mit, dass ich froh um ihre Hilfe wäre. Dass die beiden Initiativen für mich als Landwirt und unseren Familienbetrieb das Ende bedeuten könnten. Wenn jemand genauer wissen möchte, warum das so ist: Ich kann bei Bedarf gerne Fakten nachliefern. Vorderhand geht es aber um das Persönliche. Helfen Sie mir, so die Botschaft.

Ich bin mir sicher, auch Sie haben ein persönliches Umfeld, bestehend aus Menschen, die nicht immer abstimmen gehen. Bitten auch Sie auf sympathische Weise um Hilfe. Mit Persönlichem ist vielleicht auch den emotional gefärbten Halbwahrheiten beizukommen. Mit Fakten geht das leider in den meisten Fällen nicht.

 

«Plötzlich Bauer»

Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten im Freiamt AG. Er arbeitet in einem Teilzeitpensum als Redaktor Pflanzenbau für «die grüne».

Hagenbuch begann sich erst spät für die Landwirtschaft zu interessieren. In seiner Kolumne erzählt er von Alltäglichem und Ausser-gewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischen Blick und einem Augenzwinkern.