Heute geht es um die Wechseljahre. Also nicht jene der Landwirtinnen, sondern die Jahre, in denen zwei (manchmal auch drei) Generationen gleichzeitig auf einem Betrieb leben und arbeiten.
Im Unterschied zu diesen beiden Wechseljahren, die sich über längere Zeit erstrecken, erfolgt die Übergabe meist zu einem bestimmten Datum. Von einem Tag auf den anderen läuft der Zahlungsverkehr über ein Konto mit anderem Namen. Bei den entsprechenden Stellen (und das sind gar nicht mal so wenige) ist der neue Bewirtschafter hinterlegt, und gut ist.
Das gibt Arbeit und kann auch ziemlich komplex sein, ist aber eine einmalige Sache, die dann auch mal durch ist.
Verantwortung für Betriebszweige, finanzielles Risiko bei den Eltern
Eine grössere Herausforderung als diese einmalige Übergabe sind aber die Wechseljahre an sich. Bei uns ist es so, dass die Verantwortung einzelner Betriebszweige bereits bei mir liegt, die Hauptverantwortung sowie das Eigentum und damit auch der Grossteil des finanziellen Risikos aber bei meinen Eltern.
Die Abgrenzung ist da nicht immer ganz einfach, und diese Wechseljahre haben es auch deshalb in sich. Bei keinem meiner Kolleginnen und Kollegen, die sich an einem ähnlichen Punkt befinden, sind die Wechseljahre ein Klacks, der völlig reibungslos vonstattengeht.
Zur Illustration ein Müsterchen aus unserem Alltag: Diesen Frühling streikte ich. Nicht gleich wie die Franzosen, mit gelbem Gilet und Strassensperre, aber immerhin für fast einen ganzen Tag hat es gereicht.
Es war mir einfach zu dumm, beim Gülleverschlauchen zu helfen. Nicht, weil Gülleverschlauchen an sich dumm ist. Gegen das Verschlauchen von qualitativ hochwertiger Muni-Gülle habe ich rein gar nichts einzuwenden.
Zum Streik veranlasst haben mich sinnlose Diskussionen (in beiderseits nicht gerade freundlichem Ton) mit meinem Vater. Es ging rückblickend betrachtet um Lappalien: Mit oder ohne Doppelräder verschlauchen, die eine oder andere Parzelle zuerst, an diesem oder jenem Ende der Parzelle beginnen …
Wer ist denn nun der Chef?
Alles nicht Entscheidungen von immenser strategischer Tragweite für den Betrieb. Das Problem war, dass beide eine relativ genaue Vorstellung hatten, wie es laufen sollte, diese Vorstellungen aber vorgängig nicht miteinander abgeglichen haben. Kurzum: Es war unklar, wer nun genau der Chef ist.
Als dann noch ein Schlauch eindrehte, war das der Tropfen, der die Gülle zum Versiegen und das Fass zum Überlaufen brachte. Genervt ging ich nach Hause, duschte und schickte Postkarten aus Unterlunkhofen an meine Freunde.
Es wurde dann – oh Wunder – auch ohne mich erfolgreich gegüllt. Heute gedeihen auf den betreffenden Feldern üppiger Mais und schöne Süsskartoffeln. Gleich zur Tagesordnung übergehen konnten wir anschliessend nicht, so ein Streik ist bei uns dann doch nicht ganz alltäglich.
Nach der Aussprache war die Sache erledigt
Am nächsten Tag gab es eine kurze Aussprache, die Sache war dann soweit abgehakt. Auch wenn ich immer noch überzeugt bin, dass meine Idee richtig war, und mein Vater wohl ebenso der Meinung ist, dass sein Vorgehen richtig gewesen wäre. Aber das ist Wurst. Ein Vorteil unseres relativ arbeitsintensiven Betriebes ist, dass wir nicht gross Zeit haben, um nachtragend zu sein.
Die Wechseljahre sind wohl noch lange nicht vorbei. Da ist es gut zu wissen,dass man zur Not auf das Mittel der Aussprache zurückgreifen kann.
«Hagenbuchs Randnotizen»
Sebastian Hagenbuch ist Landwirt und Agronom. Er bewirtschaftet mit seinen Eltern einen Betrieb mit zwei Standorten in Rottenschwil und Unterlunkhofen im Kanton Aargau.
Hagenbuch erzählt in seiner Kolumne von Alltäglichem und Aussergewöhnlichem, wechselt ab zwischen Innen- und Aussensicht, immer mit kritischem Blick und einem Augenzwinkern.