Die Hochdorf Holding ist – nach Emmi und Cremo – die drittgrösste Milchverarbeiterin des Landes und der wichtigste Milchpulver-Lieferant für die Schweizer Schokoladeindustrie. Aber Hochdorf schreibt seit 2017 Verluste.

Nach 2017 und 2018, als der Kurs der Hochdorf-Aktie monatelang über 350 Franken lag, ist die Aktie in einem kontinuierlichen Sinkflug. Im Juni 2023 kostete eine Hochdorf-Aktie nur noch 20 Franken.

Mit der «Strategie 2016–2020» wollte Hochdorf ins Ausland

Der Absturz ist das Resultat der gescheiterten «Strategie 2016–2020» der damaligen CEOs Thomas Eisenring (2013-2019) und Peter Pfeilschifter (2020-2022), die Hochdorf «zu einem global tätigen, profitablen Nischenunternehmen mit Premiumprodukten machen» sollte.

Denn Milchpulver ist längst zur Massenware geworden, für deren Herstellung sich der teure Standort Schweiz nur noch bedingt eignet. Deshalb wollte Hochdorf vermehrt im Ausland produzieren und die Herstellkosten so auf EU-Basis senken.

Die verheerenden Folgen der «Strategie 2016–2020»

Die hinter der «Strategie 2016–2020» steckende Idee war grundsätzlich nicht dumm – bei der Umsetzung wurden aber gravierende Fehler gemacht. Die erhofften Gewinne blieben aus und das Schuldenloch mit jeder Akquisition im EU-Ausland tiefer und tiefer.

2010 beteiligte sich Hochdorf an Baltic Milk in Litauen, 2015 an der Uckermärker Milch GmbH im ostdeutschen Brandenburg. Baby Care [Babynahrung] sollte zum neuen Hauptprodukt von Hochdorf werden, weil mit Baby Care deutlich höhere Margen erzielt werden können als mit herkömmlichem Milchpulver.

Das Hochdorf-Management bekam aber schnell zu spüren, dass in den ausländischen Märkten Swissness immer noch ein besseres Verkaufsargument ist. Deshalb wurde die margenstarke Babynahrung doch nicht im ostdeutschen Brandenburg produziert – sondern stattdessen weniger werthaltige Artikel wie Butter, Quark und Magermilchpulver.

Für die Produktion von Babynahrung wurde 2017 in Sulgen für 110 Millionen Franken der neue Sprühturm 8 installiert, in dem die Milch mittels Zerstäubung pulverisiert wird. Und danach für 90 Millionen Franken ein noch grösserer Sprühturm 9, der bis heute still steht.

Die Werke in Litauen und Brandenburg schrieben je länger, je mehr dunkelrote Zahlen und mussten 2018 respektive 2020 mit grossem Verlust wieder verkauft werden.

Amir Mechria ist neuer Haupt-Aktionär von Hochdorf

In diesem Rahmen kein noch grösseres Unglück – aber mit Blick auf die Compliance eher unschön – ist die Übernahme der auf die Trocknung von Früchten und Gemüse spezialisierten Zifru Trockenprodukte GmbH im ostdeutschen Zittau. Der damalige Hochdorf-CEO Eisenring war offenbar zu 43 Prozent an Zifru beteiligt.

Der grösste Verlust der Eisenring-Zeit ist aber mit dem Namen Pharmalys verbunden. Ende 2016 beteiligte sich Hochdorf mit 51 Prozent an drei Unternehmen der Pharmalys-Gruppe des tunesischen Unternehmers Amir Mechria – einem Vermarkter von Babynahrung vor allem in Afrika und im Nahen Osten. Dies in der Hoffnung, das Baby Care-Geschäft beschleunigt ausbauen zu können.

Hochdorf bezahlte dafür bis März 2018 rund 245 Millionen Franken, davon 114 Millionen in bar und 131 Millionen in Form einer Pflichtwandelanleihe – um diese drei Jahre später für 100 Millionen Franken dem früheren Besitzer Amir Mechria wieder zurück zu verkaufen. Ohne Rückgabe der Aktienrechte notabene.

Wem gehört die Hochdorf Holding?

Das Unternehmen wurde 1895 von regionalen Unternehmern und Gewerbetreibenden als «Erste Centralschweizerische Natur-Milch-Exportgesellschaft» gegründet – weil damals Schifffahrtslinien «sterilisierte Milch in Dosen» benötigten.

Lange produzierte das Unternehmen Markenprodukte für den Export. Nach 1930 konzentrierte sich Hochdorf auf das Inland mit Marken wie Pilatus (Kondensmilch-Marke, deren Produktion 1990 eingestellt wurde) und Heliomalt (ein Weizen-/Gersten-Drink, der seit 2012 neue Besitzer hat).

Nach dem Börsengang von 2011 hielt die ZMP Invest AG der Zentralschweizer Milchproduzenten am meisten Aktien. Seit 2020 ist Amir Mechria (Inhaber von Pharmalys) nicht nur Hochdorfs grösster Kunde im Bereich Babynahrung, sondern auch Grossaktionär:

20,7 % Amir Mechria
18,0 % ZMP Invest (100prozentige Tochtergesellschaft der ZMP und Mehrheitsaktionärin des grössten Schweizer Milchverarbeiters Emmi)
14,6 % Bermont Investments Ltd. auf den British Virgin Islands(die bis 2019 als Stichting General Holdings 5 Prozent der Aktien hielt)
   5,6 % Innovent Holding AG der Familie Weiss in Wollerau SZ

Das Milchpulver-Werk ist für den Schweizer Milchmarkt systemrelevant: In Hochdorf werden saisonale Überschüsse im wahrsten Sinne des Wortes pulverisiert und damit Druck vom Markt genommen.

Die von Hochdorf verarbeitete Milchmenge entspricht der durchschnittlichen Jahresproduktion von 1200 Schweizer Milchproduzenten oder 7 Prozent der 3,4 Millionen Tonnen Milch, die in der Schweiz jährlich produziert wird.

2022 übernimmt Ralph Siegl bei Hochdorf das Kommando

AboPorträt von Hochdorf-CEO Ralph Siegl.MilchmarktHochdorf-CEO Ralph Siegl im Exklusiv-Interview: «Wir drehen an den grossen Schrauben»Sonntag, 30. Juli 2023 Von 2016 bis 2018 hatte Hochdorf insgesamt 500 Millionen Franken in den Umbau und Ausbau des Unternehmens gesteckt – und muss ernüchtert feststellen, dass der Return on Investment auf sich warten lässt.

2019 wurde Thomas Eisenring als CEO durch Peter Pfeilschifter ersetzt, und dieser wiederum im Januar 2022 notfallmässig durch Ralph Siegl. Tatsächlich besserte sich seither die Lage des Unternehmens.

Die Bruttomarge erreichte im Februar 2022 ein Tief von 18 Prozent – was bei Hochdorf aber hinten und vorne nicht reicht, um schwarze Zahlen zu schreiben.

Hochdorf machen die stark gestiegene Rohstoffkosten von Milch und Molke zu schaffen. 2022 betrug der Milchpreis gemäss Hochdorf 73 Rappen pro Kilo Milch gegenüber 68 Rappen im Jahr 2021 (+7,4 %).

Hochdorf löste das Problem zumindest teilweise, indem das Unternehmen beim margenschwachen Milchpulverbereich zum Teil auf die Lohnveredlung umstellte und damit weniger Milch einkaufen musste (217'000 Tonnen gegenüber 253 000 t im Vorjahr).

Hochdorf veredelt dabei die von den Direktlieferanten und verschiedenen Händlern angelieferte Milch (oder Molke) und kann so die eigene Verarbeitungsmarge sichern.

Walzenmilchpulver für Schweizer Schokoladehersteller

Das volumenstärkste Standbein ist immer noch die Herstellung von Walzenmilchpulver für Schweizer Schokoladehersteller. Aber bei diesem Massenprodukt ist der Margendruck hoch.

Zudem hat sich das Unternehmen gemäss dem im Januar 2022 neu angetreten Hochdorf-CEO Ralph Siegl «bei der Milchbeschaffung breiter und besser aufgestellt».

Nicht ganz freiwillig allerdings, die Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP liefern ihre Milch seit kurzem nur noch an Emmi (deren Mehrheitsaktionärin die ZMP sind), da Emmi unter anderem durch das neue Werk für Luzerner Rahmkäse mehr Bedarf hat.

Und wie viele andere Unternehmen leidet Hochdorf zudem auch unter den massiv höheren Energiepreisen. Seit 2020 haben sich diese Kosten verdreifacht, was bei den riesigen Mengen an Strom und Gas, die zum Trocknen der Milch und Molke benötigt wird, für den Turnaround alles andere als hilfreich ist.

Walzenvollmilchpulver für die Schweizer Schokolade

In jeder 100 Gramm-Tafel Milchschokolade steckt rund ein Viertel Milchpulver, das aufgelöst rund 200 Gramm Milch ergeben würde.

Die Schweizer Schokoladeindustrie verarbeitet jährlich mehrere zehntausend Tonnen Schweizer Walzenvollmilchpulver. Alleine Hochdorf 2022 lieferte davon weit über die Hälfte.

Für Walzenvollmilchpulver wird das Milchkonzentrat dünn auf 120 bis 160 Grad heisse Walzen aufgetragen.

Nach einer Walzen-Umdrehung ist das Konzentrat vollständig getrocknet, wird mit einem Messer von der Walze gelöst und danach auf die vom Kunden gewünschte Partikelgrösse zerkleinert.

Im Unterschied zu den kugelförmigen Milchpulver-Teilchen im sprühgetrocknetem Milchpulver haben die plättchenförmigen Partikel des Walzenvollmilchpulvers eine grössere und porösere Oberfläche, die für den zarten Schmelz der Schweizer Milchschokolade verantwortlich ist.

Durch die thermische Behandlung karamellisiert zudem der Milchzucker und das Walzenvollmilchpulver entwickelt einen angenehm leichten Karamellgeschmack. Ein Qualitätsmerkmal für Schweizer Schokolade.