Wie funktioniert der Milchmarkt Schweiz? Klar, am Morgen kommt der Milchsammelwagen auf den Landwirtschaftsbetrieb, pumpt die Rohmilch ab und fährt sie in die nächste Molkerei. Und am Tag darauf steht die Milch bei Migros und Coop im Kühlregal.
Wenn es denn so einfach wäre. Dazwischen sind viele Akteure – je nach Branchenorganisation, Produzentenorganisation, Verarbeiterorganisation, Milchverarbeiter und Detailhändler.
Bei meinen Recherchen zum Milchmarkt Schweiz bin ich auf so viele «Organisations-Stufen» gekommen, dass mir ganz sturm wird. Und jede dieser «Organisations-Stufen» wirkt sich aus auf den Produzentenpreis (Erzeugerpreis), den die Landwirte für ihre Rohmilch erhalten.
1950 wurde den Milchproduzenten 81 Prozent des gesamten Verkaufspreises ausbezahlt – heute sind es nur noch rund 33 Prozent. Das heisst umgekehrt: 67 Prozent der im Detailhandel erzielten Einnahmen gehen an die Zwischenstufen. Bei Bio- und Label-Produkten sind die Margen der Verarbeiter noch grösser.
Der Milchmarkt Schweiz ist so vielschichtig wie eine Blätterteig-Cremeschnitte
Bisher konnte mir noch kein Politiker, kein Verbandsfunktionär und kein Landwirt erklären, wie dieser Milchmarkt tatsächlich funktioniert. Sogar der Direktor der Schweizer Milchproduzenten SMP, Stephan Hagenbuch, musste länger überlegen und erklärte dann den Milchmarkt Schweiz am Beispiel – einer Cremeschnitte.
«Der Milchmarkt Schweiz ist so vielschichtig wie eine Blätterteig-Cremeschnitte – mit Dutzenden von (Milch-)Marktteilnehmern, die in vielen Schichten agieren.»
Normale Cremeschnitten haben nur drei Blätterteig-Schichten. Für den Fototermin mit Stephan Hagenbuch habe ich deshalb bei der kleinen und feinen Confiserie «Süsse Werkstatt» in Spiez BE eine Sonderanfertigung mit fünf Blätterteigschichten bestellt, die «Milchmarkt-Cremeschnitte».
Eine Langzeit-Recherche zum Milchmarkt Schweiz quer durch das ganze Land
[IMG 2]Das war nur der Anfang einer Recherche quer durch die Schweiz. Am Tag vor dem Interview mit dem SMP-Direktor war ich zum Beispiel mit einem Milchsammelwagen der Rolli Transporte AG unterwegs, der Heumilch in die Simmentaler Naturpark-Käserei bringt. Diese gehört der Aaremilch, die wiederum der Estavayer Lait SA ELSA gehört, die der Migros gehört.
Nur ein Beispiel für die «Milchmarkt-Cremeschnitte», deren Schichten kaum einer der 17'500 Schweizer Milchproduzent wirklich kennt. Da sind schätzungsweise 17'500 Fragen offen.
Die Serie soll den Milchmarkt Schweiz transparenter und für die Milchproduzenten berechenbar machen
Dabei verkauft jeder unserer Schweizer Milchproduzenten durchschnittlich 182'000 Kilo Milch pro Jahr. Zusammen sind das 3,5 Millionen Tonnen Milch oder 3,5 Millionen Kubikmeter, auf jeden Fall unvorstellbar viel.
Vorstellbar wird diese Milchmenge durch einen Vergleich mit dem Roche Tower in Basel, mit 41 Stockwerken auf 178 Metern das höchste Gebäude der Schweiz. Mit der Jahresproduktion von 3,5 Millionen Kubikmetern könnte der Roche Tower genau zehn Mal aufgefüllt werden.
In der neuen Serie «Milchmarkt Schweiz» versuche ich nicht nur, unfassbar grosse Zahlen oder vielschichtige Markt-Prozesse vorstellbar zu machen – obwohl das in Form von Cremeschnitten durchaus seinen Reiz hat. Das Ziel ist, den Milchmarkt Schweiz transparenter und damit für die Milchproduzenten im doppelten Sinne des Wortes berechenbar zu machen.