Es gibt Geschichten, da würde ich beim Lesen am liebsten bei jedem zweiten Satz meinen Kopf auf die Tischplatte schlagen. So eine Geschichte begann 2012. Damals entdeckte der Bund durch Zufall in einer Kalbfleisch-Probe eine hohe Konzentration PCB (Polychlorierte Biphenyle).
PCB ist ein in der Schweiz seit 1986 verbotener Zusatzstoff für Farben und Kühlflüssigkeiten, der in zwei von drei Gebäuden steckt, die vor 1977 erstellt wurden. PCB ist einer der giftigsten Stoffe überhaupt – dagegen sind alle gebräuchlichen Pflanzenschutzmittel fast schon Sirup.
Vorerst einmal passierte – nichts. Bis 2014 ein EMPA-Chemiker und Ökotoxikologe an der Stallwand eines Bündner Bauernhofes abblätternde Farbe entdeckte, die 16 Prozent PCB enthielt. Ein einziger Farbsplitter genügte, um die Kühe zu kontaminieren,die das Gift über die Milch an ihr Kälber weitergaben. Im Kalbfleisch wurde der Grenzwert um das Fünffache überschritten. Der Hof musste monatelang gesperrt werden.
Es passierte aber – wieder nichts. Erst 2016 rief das Bundesamt für Landwirtschaft BLW die Arbeitsgruppe «Nationale Strategie zu PCB in tierischen Lebensmitteln von Nutztieren» ins Leben. Und das nicht gerade mit grossem Enthusiasmus: Die Kantone mussten dafür massiv Druck ausüben.
Dann passierte – man ahnt es schon – drei Jahre lang wieder nichts. Bis die Arbeitsgruppe 2019 einen 38-seitigen Bericht «PCB und Dioxine in Nahrungsmitteln von Nutztieren» präsentierte.
Wobei «präsentieren» der falsche Begriff ist: Der Bericht wurde auf der Website des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV sorgfältig versteckt (hier findet man den Bericht «PCB und Dioxine in Nahrungsmitteln von Nutztieren»). Sicherheitshalber verzichtete das BLV auch auf eine Medienmitteilung. Verständlich, denn der Berg hat eine Maus geboren. Griffige Massnahmen fehlen, die Finanzierung bleibt offen.
All das wäre unter dem Deckel geblieben, wenn nicht seit 2018 die Investigativ-Journalistin Stefanie Hablützel darüber berichten würde, im «Beobachter» und im «Regionaljournal Graubünden». Hablützel schreibt aber im wahrsten Sinne des Wortes gegen eine Wand, eine PCB-verseuchte Wand.
Für das Januar-Heft von «die grüne» hat auch unsere Tierhaltungs-Redaktorin Deborah Rentsch zum PCB in den Stallwänden recherchiert («Wenn PCB von der Stallwand im Fleisch auftaucht»).
Der Bündner Landwirt musste seinen Stall für 270'000 Franken sanieren, damit er wieder Kühe halten konnte. Wenn der Kanton nicht im Sinne eines Pilot-Projektes einen Grossteil davon übernommen hätte, wäre es für seinen Hof das Ende gewesen. Denn gemäss dem Bund «sind solche Sanierungen vom Eigentümer zu tragen [...] diese Pflicht gilt auch für landwirtschaftliche Gebäude.»
Der Bund beteiligt sich nicht einmal an einem relativ günstigen Monitoring in den Schweizer Ställen. Solche PCB-Messungen könnten Berater machen, die einen Betrieb sowieso besuchen.
Geld vom Bund würde es nur im ökonomischen Krisenfall geben – wenn der Markt für Rindfleisch zum Beispiel wegen kritischen Medienberichten zusammenbricht. Man kann natürlich darauf warten, wie dies der Bund schon seit 2012 tun. Man könnte aber auch handeln, bevor es knallt. Das ist offensichtlich zuviel verlangt. Lieber den Deckel drauf halten.