Inwiefern hat sich ammengebundene Kälberaufzucht in der Schweiz durchgesetzt?

Claudia Schneider: Zu Beginn waren es nur sehr wenige und man kannte die einzelnen Betriebe. Mittlerweile ist es schwierig, eine genaue Anzahl zu nennen, ich höre aber regelmässig von Betrieben, die neu damit angefangen haben. Von Durchsetzung zu sprechen, ist schwierig, in der Praxis findet das Thema aber zunehmend Interesse.

Welche Systeme der ammengebundenen Kälberaufzucht sind heute in der Praxis gängig?

Es gibt Milchbetriebe, die einzelne Kühe nicht melken und als Ammenkühe einsetzen, um die Kälber zu versorgen. Dieses System ist in der Praxis häufiger anzutreffen.

Dann gibt es Betriebe, die aufgehört haben mit dem Melken und Ammen für die Fleisch- und Remontenproduktion halten. Meistens sind das kleine Betriebe, bei denen sich die Milchproduktion wirtschaftlich oder aus anderen Gründen nicht mehr lohnt. Dieses System hat sich in der Praxis weniger durchgesetzt.

Oft sind beides Mischsysteme mit muttergebundener Aufzucht: die Amme ist die Mutter eines der Kälber und vor der Zeit an der Amme sind die Kälber (je nach Betrieb unterschiedlich lang) bei der Mutter.

Was sind die wichtigsten Vorteile der ammengebundenen Kälberaufzucht?

Viele Betriebe berichten von einer besseren Kälbergesundheit. Ich denke, das liegt vor allem daran, dass die Kälber mehr Milch trinken als bei der Tränke mit dem Nuggi. Haltungsbedingungen und Management müssen ebenfalls stimmen, damit es wirklich so ist.

Der Arbeitsaufwand kann sich, je nach Betriebssituation, verringern. Ein Betrieb, der zum Beispiel keinen Tränkeautomaten hat und viele Kälber tränken muss, kann schon einiges an Arbeitszeit einsparen.

Kühe mit Zellzahlproblemen, alte Kühe oder Kühe, die früher ausgemerzt werden würden, können noch länger genutzt bzw. gehalten werden.

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«Viele Betriebe berichten von einer besseren Kälbergesundheit.»

Claudia Schneider

Was sind Herausforderungen bei der ammengebundenen Kälberaufzucht?

Ein wichtiger Punkt ist sicher die Kontrolle darüber, dass alle Kälber genügend Milch erhalten. Mit dem Tränkeeimer oder Automat ist es einfach, die Milchaufnahme genau zu kontrollieren, mit den Ammen ist das nicht möglich. Generell ist eine gute Tierbeobachtung sehr wichtig.

Auch zu den Ammen selbst muss gut geschaut werden. Man darf nicht vergessen, dass mehrere Kälber an einer Kuh trinken und dies eine grössere Belastung für das Euter ist. Manche Tiere können das schlechter ertragen als andere. Gewisse Kühe eignen sich auch generell nicht als Amme und zeigen Stress. Teilweise kann es vorkommen, dass, wenn die Ammen wieder gemolken werden, die Melkbarkeit verändert ist. Auch das Risiko, dass Erreger übertragen werden, steigt, da mehrere Kälber an einer Amme saugen.

Für die meisten Betriebe lohnt es sich auch eher, die Milch sowie die Tränker zu verkaufen. Werden die Kälber an der Amme abgetränkt, ist die Wirtschaftlichkeit tendenziell eher schlechter.

Wie sehen Sie das Potenzial der ammengebundenen Kälberaufzucht in Zukunft?

Ich denke, dass durchaus noch Potenzial vorhanden ist. Man hört auch immer wieder von neuen Betrieben, die damit anfangen. Inzwischen weiss man auch durch viel Praxiserfahrung, dass das System funktioniert. Es ist auch nicht mehr etwas «Verrücktes oder Exotisches».

Der Vorteil ist, dass jeder Betrieb dieses System relativ einfach mal mit ein paar Tieren ausprobieren kann, ob es für ihn und die Kühe und Kälber passt, ohne gross investieren zu müssen.