Der Milchverarbeiter Cremo schliesst nach Steffisburg BE (August 2021) und Lucens VD (Ende Mai 2023) auf Ende Juni 2023 nun auch den Standort in Lyss BE.

Cremo gehört zu den 500 grössten Unternehmen in der Schweiz und ist mit 312 Millionen Kilo Milch/Jahr nach Emmi der zweitgrösste Milchverarbeiter der Schweiz. Dahinter liegen Hochdorf, Estavayer Lait ELSA (der Migros) und Züger Frischkäse. Cremo-Aktionäre sind regionale Milchproduzenten-Organisationen, die wiederum die Landwirte vertreten, von der Fédération des sociétés fribourgeoises de laiterie FSFL (47,69 %) bis zu Mooh (1,2 %).

Alleine im Geschäftsjahr 2022 machte das Unternehmen einen Verlust von 21,5 Millionen Franken, das Eigenkapital schrumpfte um 30 Prozent. «Die finanzielle Lage ist besorgniserregend», erklärte Georges Godel, ehemaliger Freiburger Staatsrat (Regierungsrat) und seit Februar 2023 neu Verwaltungsrats-Präsident von Cremo.

Die Firma mit ihren 600 Mitarbeitenden sei aber nicht in ihrer Existenz bedroht. Man habe noch Reserven von 127 Millionen Franken, mit denen Cremo die nächsten Jahre überstehen solle.

Cremo ist mit der Bio-Marke «Jardin du Seeland» gescheitert

Der Produktions-Standort in Lyss BE wurde erst 2019 eröffnet, um mit lokaler Bio-Milch und Bio-Früchten und Gemüse aus dem Berner Seeland einen neuen Geschäftszweig aufzubauen. Die Anlage in Lyss hätte eine Kapazität für jährlich 7 Million Kilogramm Milch, tatsächlich wurden aber nur 1 Million Kilogramm Bio-Milch zu Bio-Joghurt der Marke «Jardin du Seeland» verarbeitet.

«Die geringe Nachfrage zwingt uns zur Schliessung», erklärte Verwaltungsrats-Präsident Georges Godel an einer Medienkonferenz am Unternehmenssitz in Villars-sur-Glâne FR. Und kritisierte danach die Konsumenten, «die zwar immer Bio und regional verlangen – aber für diesen Mehrwert nicht bezahlen wollen.

Cremo wird von drei regionalen Direktlieferanten-Organisationen beliefert:

  • APLC Association des producteurs de lait de Cremo, Kanton Freiburg
  • APLCV Association des producteurs de lait de Cremo du Valais, Kanton Wallis
  • VBMC Vereinigung Berner Milchproduzenten Cremo, Kanton Bern

Ab Juli 2023 werden die Bio-Milchproduzenten aus dem Berner Seeland ihre Milch nicht mehr nach Lyss liefern, sondern nach Villars-sur-Glâne. «Für die Milchproduzenten ändert sich sonst aber nichts, erst recht nicht beim Milchpreis», verspricht Georges Godel. Wer das Gebäude und die Einrichtungen in Lyss übernehmen wird, sei noch offen.

Cremo stehen mit dem Transformationsprogramm CAP 2027 grosse Änderungen bevor

Der Freiburger Milchverarbeiter Cremo schreibt seit einigen Jahren rote Zahlen:

GeschäftsjahrVerlust/Gewinn in CHF
2017–2,7 Millionen
2018–7,5 Millionen
2019+0,4 Millionen
2020–3,1 Millionen
2021+20,3 Millionen
2022–21,5 Millionen

Trotz einem Umsatzanstieg um 3,4 Prozent auf 512,8 Millionen Franken machte Cremo alleine im Geschäftsjahr 2022 ein Defizit von 21,5 Millionen Franken. Das hohe Defizit erklärt Cremo mit verschiedenen Faktoren:

  • Die gestiegenen Kosten für Energie, Verpackungsmaterial etc. als Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine.
  • Die gestiegenen Milchpreise als Folge des Rückgangs der nationalen Milchproduktion bei gleichzeitig steigender Nachfrage auf den nationalen und internationalen Märkten.
  • Die Kosten eines Cyberangriffs und eines Käse-Betruges (siehe Kästchen am Ende des Textes).
  • Grosse Wertberichtigungen.

Mit dem auf drei Jahre angesetzten Transformationsprogramm CAP 2027 mit ehrgeizigen 52 Projekten will Cremo jährlich über 20 Millionen sparen. Dabei sollen interne Abläufe verbessert werden, Entlassungen seien aber keine vorgesehen, betonte Cremo-Direktor Frédéric Métrailler. Dieser ist seit 2006 bei Cremo tätig, zuerst als Produktionsleiter und später Standortleiter in Sierre VS, seit 2021 als CEO in Villars-sur-Glâne FR.

Um den Konzern in eine bessere Lage zu bringen, wird die Geschäftsleitung erweitert – und im Herbst 2023 ein neuer CEO eingesetzt:

  • Der aktuelle CEO (Chief Executive Officer = Direktor) Frédéric Métrailler wird neu COO (Chief Operating Officer = unter anderem zur Umsetzung von CAP 2027).
  • Die Funktion als CEO übernimmt Ralph Perroud. Der heutige Direktor bei Fromage Gruyère SA soll sich ab Herbst 2023 auf die Stärkung der Cremo-Geschäftstätigkeit und auf die Bereiche HR, Finanzen & IT fokussieren.

Weiter will Cremo in den nächsten Jahren mehrere Dutzend Millionen Franken in die Erneuerung von veralteten Maschinen und Anlagen insbesondere in der Käse- und Butterherstellung investieren.

Ab 2024 will Cremo wieder schwarze Zahlen schreiben, und bis 2027 sollen die Finanzen wieder im Lot sein. Rechtzeitig zum grossen Jubiläum, denn 1917 hatten der Milchverband Waadt-Freiburg und der Milchverbands der Berggebiete auf Verordnung des Bundesrates die Butterzentrale in Freiburg gegründet. 1927 wurde die Butterzentrale in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen Cremo umgewandelt.

Cremo bleibt an 9 Standorten in 4 Kantonen

Hauptsitz
Villars-sur-Glâne (FR)

Produktionsstandorte
Guin (FR), Kriechenwil (BE), Le Mont-sur-Lausanne (VD), Lucens (VD), Sierre (VS), Tourtemagne (VS)

Petit Crémier (Vertrieb von Frischprodukten an Gastronomie und Detailhandel)
Villars-sur-Glâne (FR), Le Mont-sur-Lausanne (VD), Avry-devant-Pont (FR), Sierre (VS)

Boutique du Fromage (Käse-Verkaufsstellen)
Avry-devant-Pont (FR), Lully (VD)

Hacker und Käse-Betrüger schadeten Cremo zusätzlich

2022 stahlen Hacker Daten von Cremo und erpressten darauf das Unternehmen. Vom Ransomware-Angriff betroffen waren die Systeme an mehreren Cremo-Standorten. E-Mails und der Zugriff auf Bestellungen oder Rechnungen seien nicht mehr verfügbar gewesen.

Im Mai 2023 kam heraus, dass britische Betrüger von Cremo 32 Tonnen Gruyère- und Emmentaler-Käse gestohlen und auf dem Schwarzmarkt verkauft hatten. Die Betrüger hatten behauptet, dass die Hunderte Käselaibe an das britische Luxus-Warenhaus «Harrods» und an eine grosse Supermarktkette gehen.