Die Eidgenössischen Wahlen 2023 haben wir hinter uns. Weil der Wahlsonntag nach Redaktionsschluss stattfand, können wir in diesem Heft die Resultate weder analysieren, noch kommentieren (die Parlamentsdienste wollten den Wahltermin komischerweise nicht unserem Redaktionsschluss anpassen).
Die aktuelle Berichterstattung finden Sie deshalb auf unserer Website.
Schauen wir also nicht zurück, sondern nach vorne. Die jetzt gewählten Politiker sollten das tun, wofür sie gewählt wurden: Unser Land – und dazu gehört auch die Landwirtschaft – führen. Davon hat man in den letzten vier Jahren nicht allzu viel gemerkt.
Die Landwirtschaft hat nicht zu viele Probleme, sondern zu viele Lösungen. Wobei man Lösungen in Anführungszeichen setzen muss. Denn was in Parlament und Verwaltung «produziert» wird, ist oft nicht einmal das Papier wert, auf dem es gedruckt wird.
Schnecken als Nutztiere
Ich habe mir auf der Pressetribüne im Bundeshaus fast einen Schranz in die Hosen gelacht, als der Nationalrat im Turbo-Tempo beschloss, dass Schnecken (!) jetzt Nutztiere sind. In der Schweiz gibt es gerade ein Handvoll Schneckenzüchter und die Produktion von Schneckenfleisch wird mit geschätzten 400 Kilo pro Jahr nicht einmal statistisch erfasst.
Nur weil ein Tessiner Nationalrat die Mini-Schneckenzucht seines Nachbarn in der Magadino-Ebene mit den 350 Millionen Franken Umsatz der Schneckenproduktion in Italien vergleicht, beschliesst das Parlament, dass Schnecken neu Nutztiere sind.
Die Industrie- und Handelskammer St. Gallen stellte schon 2017 resigniert fest, dass seit dem Jahr 2000 die amtliche Gesetzessammlung des Bundes um 113'000 Seiten gewachsen ist. Man möchte nicht wissen, wieviele Seiten die Gesetzessammlung des Bundes bis Ende 2023 zählt.
So durchdacht wie ein Lausbubenstreich
Ein besonders absurdes Beispiel für eine neue Regelung ist die Einführung der 3,5 Prozent Acker-Biodiversitätsförderfläche. Weil die Acker-BFF so durchdacht ist wie ein Lausbubenstreich – sogar Bio Suisse hält sie in dieser Form für nicht umsetzbar – verschiebt das Parlament sie vielleicht bald um ein weiteres Jahr. Dies fordern die Motion Friedli und die Motion Haab. Der Entscheid steht aber aktuell noch aus. Stand jetzt (Ende Oktober 2023) wird die 3.5-Prozent-Anforderung aber am 1. Januar 2024 eingeführt.
Die (wieder-)gewählten Nationalräte und Ständeräte haben es in der Hand, die Regulierungsdichte auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren. Zum Beispiel mit dem Ansatz, den jeder Landwirt kennt: Bevor man neue Geräte oder Maschinen kauft, wird der Schopf entrümpelt.
Parlament und Verwaltung sollten für jede neue Regelung eine alte Regelung aufheben müssen – oder besser drei Regelungen. Das Entrümpeln ist schrötig, aber nötig.