Der Ständerat hat die Massentierhaltungs-Initiative MTI klar zur Ablehnung empfohlen. Nach einer «nur» eineinhalb Stunden dauernden Debatte lehnte der Ständerat am 2. März 2022 die MTI mit 32 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Mit 30 zu 14 Stimmen ohne Enthaltungen lehnte er es zudem ab, auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates einzutreten.
In beiden Punkten folgte der Ständerat dem Antrag der Mehrheit seiner vorberatenden Kommission. Aus Sicht der Kommissions-Mehrheit hatten sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag Mängel.
Nach dem Entscheid des Ständerates haben wir mit der Mit-Initiantin und Nationalrätin Meret Schneider im Bundeshaus ein Interview geführt:
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Ständerat empfiehlt die Massentierhaltungs-Initiative MTI zur Ablehnung
Gegner und Befürworter im Ständerat kämpften mit prägnanten Voten für ihre Anliegen. Mit Ausnahme von einer kleinen links-grünen Gruppe fand die Massentierhaltungs-Initiative aber kaum Unterstützung.
Zwar beteuerten alle RednerInnen, wie wichtig das Tierwohl sei. SVP, FDP und die Mitte aber waren der Ansicht, dass die bestehenden Regelungen bereits ausreichend für ein hohes Tierwohl sorgen würden und die Schweiz die strengsten Tierschutzregeln weltweit habe.
Dass sich die SVP nicht für diese Initiative erwärmen lässt, ist wenig überraschend. Doch nicht einmal die Ständeräte aus den links-grünen Fraktionen stellten sich komplett hinter das Anliegen.
Die wichtigsten Voten zur Massentierhaltungs-Initiative im Ständerat
Einleitend empfahl Ständerat Peter Hegglin (Zug/EVP) im Namen der vorberatenden Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-SR), die Massentierhaltungs-Initiative MTI abzulehnen. Die Schweizer Landwirte sorgten sich um das Tierwohl und es seien dafür auch genügend Instrumente vorhanden wie die Höchstbestandesverordnung, die Tierwohlprogramme und der Tierschutz.
Im Namen der Kommissions-Mehrheit empfahl Hegglin, auch den direkten Gegenentwurf des Bundesrates zu verwerfen (siehe Kästchen weiter unten). Für diesen warf sich Ständerat Roberto Zanetti (SP/SO) in die Bresche. Der direkte Gegenentwurf des Bundesrates sei ein vernünftiger Kompromiss. «Und wenn wir nicht alle Vegetarier oder sogar Veganer werden wollen, müssen wir die Nutztierhaltung verbessern.»
Zanetti erhielt dafür immerhin ein paar Lacher. Im Unterschied zu Bundesrat Alain Berset, der sichtlich irritiert war über die Debatte im Ständerat: «Der Bundesrat hat zentrale Aspekte in seinen Gegenentwurf aufgenommen – konkret die tierfreundliche Unterbringung, den regelmässigen Auslauf und die schonende Schlachtung von Nutztieren – und dafür auf die Verankerung der Bio-Richtlinien und Importregelungen verzichtet.» Berset kritisierte, der Gegenvorschlag werde in der Ständerats-Debatte zu oberflächlich diskutiert – was im Ständeratfür Stirnrunzeln sorgte.
«Bio- und Label-Produkte können die KonsumentInnen schon heute kaufen – die Schweizer Landwirte produzieren sogar mehr, als gekauft wird», betonte Ständerat und Agronom Werner Salzmann (SVP/BE). Mit der MTI müssten trotzdem viele Tierbetriebe ihre Ställe vergrössern oder mehrere kleinere Ställe bauen. «Das ist aber aufgrund der raumplanerischen Vorgaben kaum mehr möglich und würde Bauvorhaben weit über 300 Millionen Franken auslösen.»
Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) widersprach dem: «Wenn die Nutztierhaltung in der Schweiz so gut ist, dann müssten mit der Initiative auch keine neuen Ställe gebaut werden.»
Er wurde unterstützt von Ständerätin Adèle Thorens Goumaz (Grüne/VD), welche die Kommissions-Minderheit vertrat und auf die lange Übergangsfrist hinwies: «25 Jahre sind eine lange Zeit, während der die betroffenen LandwirtInnen und ihre Nachfolger die nötige Zeit haben, um ihre Praktiken anzupassen.»
Direkter Gegenentwurf des Bundesrates zur Massentierhaltungs-Initiative MTI
Auch dem Bundesrat geht die Initiative zu weit, weshalb er einen direkten Gegenentwurf zur Massentierhaltungs-Initiative MTI ausarbeitete.
Dieser Gegenentwurf würde die von der MTI geforderten Bio-Suisse-Richtlinien 2018 nicht in der Verfassung verankern, «weil diese schon überholt wären, wenn sie nach Ablauf der Übergangsfrist von 25 Jahren ihre Wirkung entfalten würden».
Zudem gebe es zahlreiche weitere private und staatliche Bio-Standards, die weiterentwickelt werden. So unterstützt der Bund bereits heute Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme BTS und den Regelmässigen Auslauf ins Freie RAUS mit Beiträgen.
Die geforderte Importregelung wäre gemäss Bundesrat mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht vereinbar und mit aufwendigen und teuren Kontrollen verbunden. Schliesslich könnte die Umsetzung der Initiative auch Mehrkosten für die Landwirtschaft und die KonsumentInnen verursachen.
Der Bundesrat will deshalb mit seinem direkten Gegenentwurf «nur» die tierfreundliche Unterbringung, den regelmässigen Auslauf und die schonende Schlachtung von Nutztieren in die Verfassung aufnehmen.
Schon im Nationalrat hatte die Massentierhaltungs-Initiative keine Chance
Der Nationalrat hatte die Massentierhaltungs-Initiative schon am 15. Dezember 2021 mit 111 zu 60 Stimmen bei 19 Enthaltungen zur Ablehnung empfohlen. Die Schweiz tue bereits genug, um das Tierwohl zu fördern, hiess es im Rat mehrheitlich. Der Nationalrat lehnte auch den direkten Gegenentwurf des Bundesrates mit 107 zu 81 Stimmen bei 1 Enthaltung ab.
Mit 106 zu 81 Stimmen wurde vom Nationalrat auch der Antrag von Kilian Baumann (Grüne/BE) abgelehnt, der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber zu stellen. Für die MTI, für den direkten Gegenentwurf des Bundesrates und den indirekten Gegenvorschlag von Kilian Baumann stimmten die Grünen sowie Teile der SP und der GLP.
Die Massentierhaltungs-Initiative MTI ist zum Scheitern verurteilt
Am Schluss der Debatte im Ständerat warnte Bundesrat Alain Berset, «ein Verzicht auf einen Gegenvorschlag könnte zu einer Annahme der Initiative führen». Berset kritisierte, der Gegenvorschlag sei in der Ständerats-Debatte auf zu oberflächliche Weise diskutiert worden, die Unterschiede zur Initiative seien zu wenig zur Sprache gekommen.
Realistischerweise ist die Massentierhaltungs-Initiative MTI mit der Empfehlung zur Ablehnung von Bundesrat, Nationalrat und Ständerat auch an der Urne zum Scheitern verurteilt (der wahrscheinlichste Abstimmungstermin ist der 25. September 2022, siehe grünes Kästchen unten).
Der Schweizer Tierschutz STS und die Kleinbauern-Vereinigung VKMB wollen deshalb gemäss einer Medienmitteilung vom 2. März 2022 «mit einem Aufbaupfad Tierwohl mit gesetzlich verankerten Zielen auf Basis der Tierwohlprogramme RAUS und BTS substanzielle Verbesserung für die Nutztiere erzielen».
Der Schweizer Bauernverband SBV kommentierte die Ablehnung von Initiative und direktem Gegenvorschlag des Bundesrates hingenen als «richtigen und nachvollziehbaren Entscheid».
Die Massentierhaltungs-Initiative MTI
Die Volksinitiative «Keine Massentierhaltung in der Schweiz» (Massentierhaltungs-Initiative MTI) will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in die Verfassung aufnehmen.
Der Bund müsste Kriterien festlegen insbesondere für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, den Zugang ins Freie, die Schlachtung und die maximale Gruppengrösse pro Stall.
Die Anforderungen dazu entsprechen mindestens den Bio-Suisse-Richtlinien von 2018, was zum Beispiel die Tierbestände von aktuell maximal 18‘000 Legehennen auf maximal 4000 pro Betrieb (2 Ställe à je 2000 Tiere) reduzieren würde – während es in Deutschland Betriebe mit 600‘000 Legehennen gibt.
«Wenn wir als Menschen Tiere halten und essen, sind wir verantwortlich, dass wir ihnen ein dem Tierwohl entsprechendes Leben ermöglichen», erklärte Meret Schneider (Grüne/ZH), Mit-Initiantin der Massentierhaltungs-Initiative.
Wie geht es weiter mit der Massentierhaltungs-Initiative MTI?
Nachdem Bundesrat, Nationalrat und Ständerat ihre Abstimmungsempfehlungen zur Massentierhaltungs-Initiative MTI abgegeben haben, wird in den nächsten Wochen der Abstimmungstermin festgelegt.
Am 25. September 2022 oder spätestens 27. November 2022 dürfte die Abstimmung über die Massentierhaltungs-Initiative MTI stattfinden.