Die Schweizer Landwirtschaft steht in Sachen Tierwohl international sehr gut da. Trotzdem gibt es in der Nutztierhaltung immer noch Handlungsbedarf.
Unter dem Titel «Wo gibt es in der Schweizer Landwirtschaft Handlungsbedarf beim Tierwohl?» zeigte Hansuli Huber für jede Nutztierart Verbesserungen auf, die auch ohne Massentierhaltungs-Initiative MTI das Tierwohl verbessern würden.
Die Frage beantworteten der Schweizer Kälbermäster-Verband, Swissbeef, Suisseporcs, die Schweizer Geflügelproduzenten, der Schweizerischer Schafzuchtverband, der Schweizer Ziegenzuchtverband und Rassekaninchen Schweiz.
In einem ersten Beitrag die Antwort von Stefan Müller, Geschäftsführer von Suisseporcs, dem Schweizerischen Schweinezucht- und Schweineproduzenten-Verband.
«Die Schweizer Schweinehalter erfüllen heute schon die höchsten Ansprüche an das Tierwohl»
Die Schweizerische Schweinehaltung ist von kleinen, bäuerlichen Strukturen geprägt. Mit durchschnittlich 50 Schweinen pro Zuchtbetrieb und gut 200 Schweinen pro Mastbetrieb haben wir keine Massentierhaltung.
Zudem begrenzt die Höchstbestandesverordnung die Betriebsgrösse. Dort, wo im Ausland die Betriebsgrössen anfangen, hört es bei uns auf. Im Ausland werden wir deshalb mit unseren kleinen Einheiten oft belächelt.
Trotzdem: Tierwohl ist eine Frage der Haltung und Betreuung, nicht der Bestandesgrösse. Mit der Initiative würden auch Schweinehaltende mit überdurchschnittlicher Haltung und Betreuung zu Auflagen per Verfassung gezwungen.
In modernen Schweizer Ställen haben die Schweine das beste Tierwohl mit Mehrflächenbuchten, viel Licht und Luft, trockenen und warmen Liegeflächen, bedarfsgerechter und hygienischer Fütterung, mit dem Schweizer Zucht-und Gesundheitsprogramm und mit professioneller Betreuung.
Auch die Schweizer Konsumenten müssen handeln
Rund 60 Prozent der Schweine in der Schweiz erfüllen die Bestimmungen für die Tierwohlprogramme RAUS (Regelmässiger Auslauf ins Freie) sowie BTS (Besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme mit permanentem Auslauf ins Freie und eingestreuter Liegefläche). Aber nur 30 Prozent vom Schweinefleisch kann mit diesem Mehrwert verkauft werden.
Wir würden gerne den Anteil der Labeltiere erhöhen. Dazu sind aber alle Stufen und Menschen vom Stall bis auf den Teller gefordert.
Nachfolgend gehen wir gerne auf die Vorschläge zum Handlungsbedarf ein.
Abgesetzte Ferkel
[IMG 1] In der Schweiz ist freies Abferkeln schon lange Pflicht. Bei den säugenden Zuchtschweinen und Absetzferkel ist Festboden Pflicht. Nestbaumaterial und Einstreue im Liegebereich der säugenden Zuchtsauen und Saugferkel ist Pflicht. Das gibt deutliche Mehrarbeit, Kosten für Einstreue und Lagerung und höhere Stallbaukosten.
Moderne Ställe sind ideal auf die Wohlfühlbedingungen von Sauen und Ferkeln abgestimmt. Dies ist weltweit einzig-artig und eine tägliche Herausforderung.
Schweizer Zuchtschweine haben 14 bis meist 16 Zitzen und 13 lebend geborene Ferkel. Die Ferkelverluste sind so tief wie nie zuvor. Im eigenständigen Schweizer Zuchtprogramm werden im Gegensatz zu anderen Herkünften das Aufzuchtvermögen verbessert. Die Anzahl geborener Ferkel ist stabil und die Ferkelverluste gehen zurück.
Muttersauen
[IMG 2] «Abgemagert und abgesaugt» (wie von Hansuli Huber beschrieben) sind Muttersauen nur bei falschem Management.
Diese Gefahr besteht, wenn die Ferkel zu wenig beigefüttert werden und bei sehr langer Säugezeit.
Eine ausreichende Fütterung der Muttersau und die Beifütterung der Ferkel gehört in der Schweiz zur guten bäuerlichen Praxis.
Einzigartig: Die Schweizer Schweinerassen sind resistent gegen E. Coli F4 und F18, das sorgt für bessere Tiergesundheit und besseres Tierwohl.
Mastschweine
[IMG 3] Bei den Mastschweinen in der Schweiz sind die Beine und damit die Mobilität gegenüber früher besser geworden. Für Tierbeobachter ist das offensichtlich. Das sind messbare Kriterien der Tiergesundheit und des Wohlbefindens.
Im Schweizer Zuchtprogramm wird Exterieur und Fundament berücksichtigt, das ist einzigartig. Verantwortungs-bewusste Leistungsoptimierung ist angezeigt, auch zukünftig zur Ressourcenschonung – und damit auch zukünftig Schweizer Fleisch zu erschwinglichen Preisen im Angebot ist.
Das eigenständige Schweizer Zuchtprogramm auf Gesundheitsmerkmale, möglichst tiefe Abgangsraten und Fleischqualität ermöglicht die beschriebenen Defizite zu verhindern.
Gemäss Agrarbericht BfS/BLW erfüllen 68,5 Prozent der Mastschweine BTS. Es könnten mehr sein, dann müssten aber die Mehrkosten von den Konsumenten finanziert werden, was eher schwierig erscheint: Nur 30 Prozent vom Schweinefleisch kann mit diesem Mehrwert verkauft werden.
Fazit zum Handlungsbedarf beim Tierwohl
Die Vorschläge für den «Handlungsbedarf beim Tierwohl» sind gut gemeint – wie die Massentierhaltungs-Initiative MTI treffen sie aber mit den Schweizer Schweinehaltern die Falschen: Wenn die heutige bäuerliche Schweizer Schweinehaltung per Verfassung reduziert wird und mit Importfleisch teilweise oder ganz ersetzt wird, erreichen wir das Gegenteil von Tierwohlförderung.
Zudem erhalten heute schon sehr viele Betriebe keine Baubewilligung für entsprechende Bauprojekte. Das muss zuerst einmal geklärt werden. Eine faire Entschädigung höherer Produktionskosten ist heute noch ein unerfüllter Wunschtraum.
In der Schweinehaltung gehören ständige Verbesserungen zum Schweizer Erfolgsmodell. Wenn man weitergehen möchte, dann müssen die Anforderungen der Konsumenten auch von diesen bezahlt werden. Die Schweizer Bauernfamilien können nicht die grundsätzlich lobens-werten Tierwohl-Ansprüche der Gesellschaft alleine finanzieren.