Eine starke Zweidrittels-Mehrheit der StimmbürgerInnen hält die Tierschutzgesetzgebung in der Schweiz für ausreichend. Die Massentierhaltungs-Initiative MTI scheitert deshalb am klaren Volksmehr und am Ständemehr: Bei einer Stimmbeteiligung von 52,44 Prozent lehnten 62,9 Prozent der StimmbürgerInnen die MTI ab.

DossierZwei Muttersauen mit ihren Ferkeln in einem Gruppensäugestall.Volksinitiative 2022Massentierhaltungs-Initiative MTIDonnerstag, 28. Oktober 2021 Das Ständemehr war noch deutlicher als das Volksmehr: 25 Kantone lehnten die Massentierhaltungs-Initiative ab. Am wuchtigsten der Appenzell Innerrhoden mit 78,4 Prozent Nein-Stimmen, am knappsten Genf mit 52,7 Prozent Nein-Stimmen. Als einziger Kanton stimmte Basel-Stadt mit 55,2 Prozent Ja für die Initiative.

Auch in einigen grösseren Städten wie Bern (66,1 Prozent), Luzern (54,1 Prozent), Zürich (53,5 Prozent), Winterthur (53,4 Prozent), Genf (53,3 Prozent), Lausanne (53 Prozent) kam es zu einem Ja.

Gemäss dem Politologen Lukas Golder vom Forschungsinstitut gfs Bern «ist die Ablehnung der Massentierhaltungs-Initiative mit 62,9 Prozent Nein-Stimmen viel deutlicher als erwartet». Die Initianten der Massentierhaltungs-Initiative sind enttäuscht, der Schweizer Bauernverband SBV wertet das Nein als ein Ja zur Landwirtschaft.

Landwirtschafts-Minister Guy Parmelin hatte im ganzen Abstimmungskampf durch Abwesenheit geglänzt und wurde auch nach dem Nein zur Massentierhaltungs-Initiative weder gehört noch gesehen.

Enttäuschung  bei den Initianten der Massentierhaltungs-Initiative

Die Initianten der Massentierhaltungs-Initiative sind enttäuscht über das klare Nein an der Urne. Es sei nicht gelungen aufzuzeigen, dass eine Annahme letztlich auch der Landwirtschaft genutzt hätte. «Es war ein Kampf David gegen Goliath», sagte Philipp Ryf, Geschäftsführer der Ja-Kampagne. Die Gegenseite habe viel mehr finanzielle Mittel gehabt.

Ryf behauptete auch, «dass es die Gegner der Initiative mit der Wahrheit nicht so genau genommen haben [...] und das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV respektive die Bundeskanzlei im Abstimmungsbüchlein problematische bis nachweislich falsche Zahlen genannt haben». Keine Spur von Selbstkritik.

Versöhnlicher tönte es bei Meret Schneider, der ursprünglichen Initiantin der Massentierhaltungs-Initiative. Die Ja-Kampagne habe trotz der verlorenen Abstimmung viel erreicht. Sie selbst habe viele konstruktive Gespräche geführt, auch mit Landwirten, die ihre Initiative ablehnen und sie auf den Hof eingeladen haben.

Die grüne Nationalrätin hatte sich im Abstimmungskampf merklich von extremen Positionen des Initiativ-Komitees und zum Beispiel von Greenpeace distanziert und will nun gemeinsam mit dem Schweizer Bauernverband die Tierwohlprogramme stärken: «Die Grossverteiler Migros und Coop sollen ihre Margen auf Bio-Produkten offenlegen.»

Genugtuung über das klare Nein zur Massentierhaltungs-Initiative beim Schweizer Bauernverband SBV

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«In dieser Deutlichkeit ist das Nein zur Massentierhaltungs-Initiative eine Überraschung», erklärte Bauernpräsident Markus Ritter gegenüber unserem Fachmagazin «die grüne» (siehe Video). Die Argumente der Landwirtschaft seien bei der Bevölkerung angekommen.

Die StimmbürgerInnen haben mit ihrem Nein bestätigt, dass das Niveau beim Tierwohl in der Schweiz hoch sei, erklärte auch Martin Rufer, Direktor des Schweizerischen Bauernverbands SBV.

Die Initiative sei zu extrem und unnötig, betonten auch andere Vertreter der Landwirtschaft. Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete SAB betonte, «dass die KonsumentInnen die Ausgestaltung der Landwirtschaft jeden Tag beim Einkauf mitbestimmen können, dazu braucht es keine Verfassungsänderung».

Und Nationalrat Mike Egger forderte einen Kurswechsel des links-grünen Lagers. Dieses dürfe die Landwirtschaft nicht länger einem «Spiessrutenlauf» aussetzen.

Bio Suisse: «Die KonsumentInnen können auch beim Einkaufen abstimmen!»

Die Label-Organisation Bio Suisse appellierte nach dem Nein zur Massentierhaltungs-Initiative an die KonsumentInnen, dass diese auch beim Einkaufen «abstimmen» könnten – wenn die 37 Prozent Ja-Stimmenden tatsächlich auch Bio-Produkte kaufen. Heute liegt der Marktanteil bei nur 10,9 Prozent.

Gemäss der Label-Organisation «zeigen die Bio-LandwirtInnen in der Schweiz jeden Tag, dass höhere Standards möglich sind als jene, die das Schweizer Tierschutzgesetz vorschreibt.»

Nachwahlbefragung zeigt, dass Frauen und die Stadtbevölkerung eher Ja stimmten

Die Nachwahlbefragung von Tamedia und dem Forschungsinstitut LeeWas zeigt, dass die Massentierhaltungs-Initiative bei Frauen grössere Chancen hatte als bei Männern. Zudem gab es einen deutlichen Stadt-Land-Graben: In Städten stimmten 48 Prozent zu, in Agglomerationen 38 Prozent – auf dem Land nur 29 Prozent.

Schon 2018 hatte die Stimmbevölkerung die Hornkuh-Initiative abgelehnt, 2021 auch die Trinkwasser-Initiative und die Pestizid-Initiative.