Herr von Steiger, wie erleben Sie die Evolèner im täglichen Umgang?
Hansueli von Steiger, Evolèner Zuchtverband: Evolèner sind sehr gescheite, aufmerksame Tiere. Ich finde, bei ihnen bekommen wir eine Ursprünglichkeit zu sehen, die wir anderen Rassen weggezüchtet haben.
Sie sind wehrhaft und beschützen ihre Kälber sehr gut – ich würde behaupten, auch gegen einen Wolf.
Gegenüber dem Menschen sind Evolèner sehr neugierig. Im Handling muss man allerdings ihre Dominanz berücksichtigen. Eine Evolèner Kuh kann andere, grössere Rassen ohne Weiteres vom Wassertrog auf der Alp wegdrängen. Führt man zuerst die anderen zum Brunnen, lassen sich diese Probleme lösen.
Das hört sich an, als müsse man sich für die Evolèner Zeit nehmen.
Mit Evolènern ist es spannend. Es funktioniert nicht einfach so. Sie haben ihren eigenen Kopf und sie benützen ihn auf intelligente Weise. Im Gegenzug geben sie einem auch wirklich viel. Sie wärmen einem richtiggehend das Herz. Aber es ist vielleicht tatsächlich nicht die geeignete Rasse, wenn die Zeit fehlt.
«Sie wärmen einem richtiggehend das Herz.»
Hansueli von Steiger, Evolèner Zuchtverein
Ich investiere gleich zu Beginn, bei den Kälbern, viel Zeit. Ich führe sie oft am Halfter und nehme sie beispielsweise mit in den Wald zum Holz spalten. Es ist ein Privileg, dass ich diese Zeit habe. Später sind diese Tiere als erwachsene Kühe zutraulich.
Sie sagen, die Rasse gibt viel. Gibt sie denn auch finanziell etwas her?
Die Evolèner geben für ihre Grösse einen ansprechenden Milchertrag. Das ist mit dem hofeigenen, auch extensiverem Futter möglich. Da zeigt sich ihre Herkunft, die Alpen im Wallis. Bis heute sind die Evolèner eine Rasse für die Berge geblieben.
Das heisst, die Evolèner können auf einem tieferen Produktionsniveau wirtschaftlich interessant gehalten werden. Dazu macht es Sinn, die Produkte direkt zu vermarkten. Denn beim Fleisch ist die Labelproduktion nicht möglich. Dazu müssen die Tiere zu viel aufholen: Ein Kalb wiegt bei der Geburt etwas über 20 kg.
Welche Rolle spielen die Beiträge des Bundes, welche die Evolèner als gefährdete Rasse erhalten?
Diese Beiträge sind mitentscheidend, wenn es darum geht, wie viele Evolèner jemand hält. Ob es ein paar Stück sind, aus Freude an der Rasse und Zucht. Oder ob er sich eine Herde zur Produktion aufbaut.
Es lief beispielsweise ein Förderprogramm, mit dem die Stierenaufzucht unterstützt wurde: 700 Franken, für einen gut beschriebenen Muni beim ersten Sprung. Aktuell können wir 21 KB-Munis anbieten.
Nun hat es bei der Verteilung der Beiträge Änderungen gegeben. Solche Förderprogramme erhalten weniger Geld. Stattdessen bekommen die Rassetiere mehr. Für Evolèner Kühe soll es ab 2024 einen Erhaltungsbeitrag von 164 Franken geben – wenn mit ihr gezüchtet wird.
Es gibt rund 400 Evolèner in den Herdebüchern. Wie wird die Zucht organisiert, damit der Genpool möglichst breit bleibt?
Bei unserer Erhaltungszucht schauen wir einerseits, dass möglichst alle Blutlinien erhalten bleiben. Aber natürlich wählen wir andererseits gerne die Stiere aus, von deren Nachkommen wir ein gewisses Leistungsniveau erwarten können. Dazu plane ich teils auch gezielte Anpaarungen, um geeignete Nachkommen für die Weiterzucht zu erhalten.
Wie gross ist der Inzuchtgrad?
Wenn wir die Abstammung, den Pedigree, anschauen, ist die Inzucht gar nicht gross. Die genetische Analyse – dazu sammeln wir standardmässig Haarproben und lassen die DNA analysieren – ergibt einen etwas höheren Inzuchtgrad. (Anm. d. Red.: Laut einer Studie der Uni Bern und der HAFL von 2020 liegt die genetische Inzucht bei 9,3 %.) Auch dieser Wert ist noch nicht alarmierend.