Evolèner
Beinahe wären die Evolèner ausgestorben. Doch hartnäckige Züchter setzten sich durch. Heute sind die gefleckten Rinder klein an der Zahl, dafür aber robust, genügsam, eigensinnig – und eine Rasse für die Berge.
Steckbrief
Gattung: Rind (Bos)
Art: Hausrind
lateinischer Name: Bos taurus
Rasse: Evolèner Rind
Ursprung: Wallis
Beginn der Züchtung: 6000 Jahre alte Knochen der ersten domestizierten Rinder in der Schweiz zeigen Verwandtschaft mit Evolènern. Herdebuch seit 1995.
Masse
Widerristhöhe: 115 bis 125 cm (Kuh), 120 bis 130 cm (Stier)
Gewicht: 400 bis 600 kg (Kuh), 500 bis 700 kg (Stier)
Typische äusserliche Merkmale
Kleinrahmige, leichte Tiere. Charakteristisch ist der kurze Kopf mit der breiten Stirn und den markanten, kräftigen und langen Hörnern. Fellfarbe variiert zwischen schwarz, kastanienbraun und rot, in verschiedenen Schattierungen. Weisser Stern auf der Stirn, weisse Füsse und einzelne weisse Flecken.
Leistungsdaten
Die Zweinutzungsrasse liefert für ihre Körpergrösse eine ansprechende Milchmenge. Mit der guten Bemuskelung und dem feingliedrigen Knochenbau ist sie auch für die Fleischproduktion geeignet.
Milchleistung
Leistung: 3500 kg Milch / Laktation
Fett: 3,9 %
Protein: 3,6 %
Mastleistung
Geburtsgewicht: 27 kg
Tageszunahme: nicht erhoben, da keine Nachzuchtprüfung stattfindet.
Fleischqualität: feinfaseriges, fettarmes, zartes und aromatisches Fleisch
Das zeichnet diese Rasse aus
Evolèner sind robust, trittsicher und zeichnen sich durch gesunde Klauen aus. Das macht die Rasse äusserst berggängig. Mit ihren grossen Klauenhälften verglichen mit ihrem relativ geringen Gewicht schonen sie die Grasnarbe und sind somit geeignet für die Beweidung steiler Alpweiden.
Sie sind frühreif, fruchtbar, zeigen leichte Geburten und einen ausgeprägten Mutterinstinkt.
Die Geschichte der Evolèner
Farbenfrohe Rasse
Evolèner gibt es in den verschiedensten Farben: Schwarz, rot, kastanienbraun und in allen Schattierungen dazwischen. Hinzu kommen weisse Flecken, an Bauch und auf der Stirn, weisse Beine und manchmal auch ein weisser Strich über den Rücken.
Ebendiese Farbenvielfalt führte dazu, dass sich die Evolèner von den Eringern abspalteten. Ursprünglich gehörten Evolèner und Eringer zur gleichen Bergrasse, die aus dem Val d’Hérens stammte, einem Seitental der Rhone im frankophonen Wallis.
Hinter geschlossenen Stalltüren
Doch als es darum ging, Rassen züchterisch voranzubringen und die Leistungen zu steigern, übertrug sich dieser Vorsatz auch auf das Aussehen der Kühe. Der Walliser Regierungsrat wollte eine einfarbige Kuhrasse.
Ab 1885 selektierten viele Züchter auf einheitlich schwarze, braune oder rote Kühe – die heutigen Eringer. «Diese Selektion galt als Zeichen einer wirklichen Anstrengung zur Verbesserung der Rasse, womit sie auch ausserhalb des Wallis eine höhere Wertschätzung erreichte», schrieb Hugo Raaflaub 2011 in einem Bericht anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Evolèner Zuchtvereins.
Einige Züchter setzten sich allerdings für den Erhalt der gefleckten Tiere ein – und trotzten dem behördlichen Willen. So habe beispielsweise der Staat die finanzielle Unterstützung gestrichen und verhängte teilweise sogar Geldstrafen an die Halter der mittlerweile nicht mehr anerkannten gefleckten Kühe.
«Einige Evolèner-Züchter verschlossen sogar ihre Stalltüren, wenn sie den Hof verliessen, damit ihre unerlaubt gehaltenen Stiere nicht kastriert wurden», schreibt Raaflaub. Die Evolèner-Züchter liessen sich bis zuletzt nicht einschüchtern, blieben hartnäckig und retteten so die Rasse.
Austausch mit dem Aostatal
Heute sind die Evolèner und die Eringer genetisch unterschiedlich. Die Analyse der DNA zeigt ausserdem, dass die Evolèner heterogen sind. Das ist eine wichtige und gute Nachricht. Denn die Zuchtpopulation ist klein. Daher ist es wichtig und umso bemerkenswerter, dass die Genetik trotzdem divers ist.
Einen positiven Einfluss hat, dass seit jeher ein Austausch von Tieren besteht mit dem italienischen Aostatal, nahe der Schweizer Grenze. «Bis heute importieren wir ab und zu Sperma der Rasse Valdostana Pezzata Nera, um unsere Kühe damit zu besamen. Diese Rasse ist den Evolènern sehr ähnlich. So bringen wir frisches Blut in unsere Herden», erzählt Hansueli von Steiger, Zuchtleiter des Evolèner Zuchtvereins.
In der Schweiz sind die Evolène-Züchter in zwei Genossenschaften organisiert:
- Evolèner Zuchtverein
- Original Evolèner Viehzuchtgenossenschaft OEZG
Manchmal fast zu robust
Die Evolèner sind ursprüngliche Kühe geblieben, ideal für die Haltung in den Bergen. Sie sind robust – manchmal fast zu robust, wie Hansueli von Steiger erzählt: «Eine unserer Kühe hatte einen Fremdkörper in der Leber. Über lange Zeit bemerkten wir es nicht. Sie frass, gab Milch und hatte kein Fieber.»
Abgesehen von zu stoischem Erdulden ist die Robustheit von grossem Vorteil: Die Evolèner leiden nicht an Klauenproblemen, sind widerstandsfähig und langlebig.
Als ursprüngliche Kühe haben sie nicht die gleiche Milch- und Fleischleistung wie andere Rassen. Bei der Haltung der Evolèner ist daher die Freude an der Rasse und deren Züchtung zentral.
Bestandesentwicklung
In den 1990er-Jahren fehlte nicht viel und die Evolèner wären ausgestorben. Bis heute ist es die am stärksten gefährdete Rinderrasse der Schweiz. Doch die Rasse konnte sich etwas erholen – dank einigen Züchtern und in Zusammenarbeit mit Pro Specie Rara.
Bei der Original Evolèner Viehzuchtgenossenschaft sowie dem Evolèner Zuchtverein wurden 2022 insgesamt 302 weibliche Herdebuchtiere gehalten. Das seit Kurzem vereinheitlichte Herdebuch führt Swissherdbook.
Hinzu kommen einige Tiere, die bei Mutterkuh Schweiz registriert sind. Insgesamt gibt es schweizweit rund 400 Evolèner Herdebuchkühe.
Links & Quellen
- Evolèner Zuchtverein
- Original Evolèner Viehzucht-Genossenschaft
- Pro Specie Rara: Evolèner
- Die Evolèner: Der Ursprung des «Walserviehs». Hugo Raaflaub. 2011
- Bundesamt für Landwirtschaft: Tierzucht und tiergenetische Ressourcen
- Farbatlas Nutztierrassen. Hans Hinrich Sambraus. Ulmer Verlag, 8. Auflage 2016. ISBN 978-3-8001-1296-8