Welchen Stellenwert hat die Appenzellerziege in der heutigen Schweiz?
Thomas Herren, SZZV: Die Appenzellerziege hat einen sehr hohen traditionellen Stellenwert und ist vor allem in ihrem Ursprungsgebiet, dem Appenzellerland und dem Toggenburg, anzutreffen. Sie hat eine wichtige Rolle als Kulturgut und ist von grosser Bedeutung für den Tourismus. In deutlich geringerer Zahl ist sie auch in verschiedenen anderen Kantonen bis in die französische Schweiz vertreten.
Die Rasse hat mit ihren guten Milchleistungen hauptsächlich lokal eine grosse wirtschaftliche Bedeutung. Für einige spezialisierte Betriebe stellt sie durch die Produktion von spezifischen Appenzellerziege-Produkten einen wichtigen Betriebszweig dar. Diese Betriebe und Firmen sind bestrebt, Produkte von ausschliesslich reinrassigen Appenzellerziegen herzustellen und zu vermarkten. Sie tun dies mit einigem Erfolg.
Die Appenzellerziege ist gefährdet. Wie ist es dazu gekommen?
Mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft wurden die Herden immer kleiner. Unter anderem auch, weil der Appenzellerziege vermehrt kurzhaarige Ziegen vorgezogen wurden, deren Fellpflege einfacher ist. Nach und nach wurde die Traditionsrasse zur bedrohten Spezies. Erst viel später, mit dem Aufkommen des Bewusstseins um die Werte der alten Rassen, begannen dank der Arbeit des Schweizerischen Ziegenzuchtverbandes SZZV die Bestände wieder anzuwachsen.
Die Rasse hat eine wichtige Rolle als Kulturgut.
Thomas Herren, SZZV
Wie entwickeln sich die Herdebuch-Zahlen? Was unternehmen Sie, um die Population zu vergrössern?
Die Zahlen stagnieren. Die wichtige Funktion als Kulturgut wirkt sich sicher nicht negativ auf den Bestand der Appenzellerziege aus.
Das Projekt «Milch und Käse hergestellt aus Milch von reinrassigen Appenzellerziegen», welches in enger Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Pro Specie Rara, Coop, dem SZZV und der Käserei Koch in Gonten AI im Jahr 2007 lanciert worden ist, kann man als Erfolg bezeichnen. Mit dieser Massnahme gelang es, die reine Appenzellerziegen-Zucht aus wirtschaftlicher Sicht wieder attraktiver zu machen. Gleichzeitig bietet die Firma Appenzeller Fleisch und Feinkost AG ausschliesslich Ziegenfleisch aus Appenzellerziegen an.
Ein wichtiger Faktor bleibt die Unterstützung durch den Bund mit dem Ziel, die typischen Schweizer Rassen zu erhalten.
Wie stark müssen Sie dabei Inzucht in Kauf nehmen?
Inzucht ist sicher ein Thema bei kleinen Populationen. Es besteht die Möglichkeit, dass vermehrt Krankheiten auftreten. Auf jeden Fall wird aber der Genpool verkleinert, was im Hinblick auf künftige Zuchtziele weniger Freiheiten ermöglicht. Andererseits werden in der selektiven Zucht miteinander verwandte Tiere verpaart, um Merkmale zu fördern.
Die Mitgliedschaft beim SZZV gibt den Züchtern die Möglichkeit, auf unserem Online-Herdebuchsystem gesamtschweizerisch Böcke zu finden und gleichzeitig deren Inzuchtgrad zu berechnen. Dies ist auch ein wichtiges Tool, um die gesteckten Zuchtziele erreichen zu können.
Welche züchterischen Ziele werden zurzeit besonders verfolgt?
Züchterisch wird Wert auf gesunde, langlebige Tiere gelegt. Für eine wirtschaftliche Nutzung der Tiere sind natürlich auch die Menge und die Qualität der Milch ein wichtiges Kriterium. Für andere Züchter wiederum steht der rassetypische Habitus im Vordergrund.
Schweizer Nutztierrassen-Lexikon
Aus der Vielfalt der in der Schweiz gezüchteten Nutztier-Rassen gelten heute 38 als Schweizer Rassen.
Wir stellen diese Rinder, Schweine, Hühner und Co. im neuen Nutztier-Lexikon vor.