Das Rätische Grauvieh war vor nicht allzu langer Zeit in der Schweiz ausgestorben. Weshalb macht man sich die Mühe, die Rasse wieder neu anzusiedeln?
Franz Emmenegger, Präsident Rätisches Grauvieh Schweiz: Weil es sich um eine einzigartige Rinderrasse handelt. Ihre kleine Grösse und die gleichzeitige Leistung – diese effiziente Kombination ist selten.
Die Kuh ist unter 1,30 Meter und kann damit in älteren Ställen gehalten werden, in denen andere Kühe wegen der Mindestabmessungen der Kuhplätze in der Tierschutzverordnung gar nicht mehr gehalten werden dürfen.
Gleichzeitig erzielt das Rätische Grauvieh eine ansehnliche Milchleistung und eignet sich dadurch sowohl als extensive Milchrasse als auch als gute Mutterkuh. Allerdings muss ich relativieren: Das Rätische Grauvieh kann nicht mit Hochleistungsfleischrassen mithalten. Ich selbst produziere beispielsweise Natura Veal. Die Kälber brauchen 180 Tage, um das Gewicht zu erreichen.
Was ist mit der dritten Nutzung als Arbeitstier: Wird diese Richtung heute noch verfolgt?
Die Tiere wurden und werden noch nicht wieder im Ackerbau oder bei Waldarbeiten eingesetzt. Wir beginnen aber wieder damit, im Hobbybereich mit dem Grauvieh zu arbeiten. Zum Beispiel, indem im Winter ein Schlitten gezogen wird. So eignen wir uns nach und nach das Know-how wieder an, das verloren ging.
Das Rätische Grauvieh kann nicht mit Hochleistungsrassen mithalten. Weshalb wird die Rasse trotzdem gehalten?
Tatsächlich entscheiden sich vermehrt junge LandwirtInnen wieder für das Rätische Grauvieh. Die Rasse ist pflegeleicht, robust und genügsam, weshalb mit relativ wenig Anfangsinvestitionen in die Kuhhaltung gestartet werden kann – auch wenn die Kühe selbst oft Zuchttiere und daher etwas teurer sind.
Sie sind sehr geländegängig und haben im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht grosse Klauen, wodurch weniger Trittschäden entstehen, auch in Hanglagen. Da sie weniger Platz im Stall benötigen, können so mehr Tiere gehalten werden. Dies gleicht das geringere Schlachtgewicht und die geringere Milchleistung zum Teil wieder aus.
«Diese effiziente Kombination ist selten.»
Franz Emmenegger, RGS
Wer gerne Hornkühe hat, findet im Rätischen Grauvieh eine Rasse mit Horn, die charakterlich nicht sehr gefährlich ist. Sie hat gute Mutterinstinkte, bleibt aber gemütlich. Nicht zuletzt entscheiden sich HalterInnen für das Rätische Grauvieh, um etwas zur Erhaltung und damit zur Kultur der Schweiz beizutragen.
Im Herdebuch sind rund 750 Kühe registriert. Wie gross ist das Problem der Verwandtschaft innerhalb der Population?
Im Rahmen eines BLW-Projekts wurden rund 840 Tieren genotypisiert. Das heisst, wir haben nun etliche Informationen zur genetischen Architektur dieser Tiere. Dabei hat sich herausgestellt: Die genetische Diversität ist viel grösser, als wir erwartet hatten. Es konnten 100 seltene Stierenmütter identifiziert werden, mit denen nun gezielte Anpaarungen gemacht werden.
Rund die Hälfte der genotypisierten Tierpaare weist ausserdem eine Verwandtschaft von 0 Prozent auf. Da sehen wir Potenzial zur langfristigen Erhaltung des Rätischen Grauviehs.
Woran arbeiten Sie züchterisch?
Das Wichtigste ist, dass die Rasse gesund, klein und ursprünglich bleibt. Letztes Jahr haben wir an der Generalversammlung beschlossen, dass wir genetisch hornlose Tiere aus der Zucht ausschliessen werden, um so die Hörner zu erhalten.
Wir streben reinrassiges Rätisches Grauvieh an. Konkret einen Blutanteil von 93,75 Prozent, damit die Tiere möglichst ursprünglich bleiben. Denn uns liegt der Erhalt dieser kleinen, sympathischen und vielseitigen Kühe am Herzen.