Kurz & bündig
- Bei der Kinsey-Bodenanalyse werden nicht einfach die Nährstoffvorräte im Boden analysiert, sondern vor allem das Verhältnis der Nährstoffe zueinander ausgeglichen.
- Basierend auf dieser Bodenanalyse macht Kinsey konkrete Düngeempfehlungen, welche mehr oder weniger stark von den Empfehlungen gemäss den Grundlagen für die Düngung landwirtschaftlicher Kulturen GRUD abweichen.
- Auf der Dauerbeobachtungsfläche Oberacker in Zollikofen BE führten die Kinsey-Empfehlungen im Direktsaatverfahren zu höheren Erträgen, nicht jedoch beim Pflugverfahren.
Reto Minder aus Jeuss FR erinnert sich nicht mehr daran, wie er zu Kinsey kam. Er weiss nur noch, dass er 2014 das Buch von Neal Kinsey «Hands on Agronomy» gelesen hat. Danach hatte Minder den Verdacht, dass bei seinen Böden noch mehr drin liegen müsse.
2014 machte er die ersten Kinsey-Analysen. 2016 und 2020 schickte er erneut Bodenproben in die USA. Er ist zufrieden damit: «Wir haben schon einiges korrigieren können.» Minder plant die Analysen künftig alle vier bis fünf Jahre ein. «Für unseren Betrieb mit Gemüse und Tabak rechnet sich das», ist er überzeugt. Und das, obwohl zu den Analysekosten noch die Kosten für einen Kinsey-Berater dazukommen. Den leistet sich Minder, weil er das Maximale aus der Analyse herausholen will. «Ich würde sogar sagen, die Beratung ist der springende Punkt!»
Zwar enthält jede Analyse bereits Düngeempfehlungen mit dem jeweiligen Düngemittel (abgesehen vom Stickstoff). Doch diese Empfehlungen sind für Minder nicht in Stein gemeisselt. Empfiehlt Kinsey zum Beispiel Elementarschwefel als Dünger, folgt Minder dieser Empfehlung keineswegs blind. «Wir machen eine ammoniumbetonte Stickstoffdüngung im Cultanverfahren, da wird automatisch Schwefel mitgeliefert.» Etwas Schwefel führt Minder auch über den zugekauften Hofdünger zu. «Genau darum geht es bei der Beratung: Dass die betriebsspezifischen Standortfaktoren berücksichtigt werden.»
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Minder hatte 2021 das schönste Tabakfeld weit und breit
Das letzte Jahr war für den Pflanzenbau kein gutes. Doch gerade die schlechten Witterungsbedingungen haben Minder gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist. «2021 war wirklich ein sehr schwieriges Jahr. Auf der Parzelle, in der die Nährstoffe laut Kinsey am nächsten am Optimum liegen haben wir Tabak angebaut. Das war mit Abstand das beste und schönste Tabakfeld weit und breit.»
Das liegt vermutlich auch daran, dass Minder schon seit 20 Jahren konservierende Landwirtschaft betreibt. Er pflügt den Boden nicht, arbeitet mit Gründüngungen, führt regelmässige Erhaltungskalkungen durch und vieles mehr. Die Bodenchemie gemäss Kinsey in Ordnung zu bringen, war für Minder nur noch ein weiteres Schräubchen, an dem er drehen musste.
Das Magnesium-Defizit seiner Böden konnte er bereits recht gut ausgleichen. In den nächsten Jahren will er nun noch an der Versorgung mit Spurenelementen schrauben. Denn Minder ist überzeugt, dass er sich damit viele Problemen mit Schädlingen und Krankheiten sparen kann. «Dass optimal versorgte Pflanzen widerstandsfähiger sind, liegt auf der Hand.»
Gesunder Boden als Basis für gesunde Pflanzen
Mit dieser Einstellung ist Minder nicht allein. Der amerikanischen Bodenkundler William Albrecht lehrte bereits in den 1940er-Jahren, dass ein gesunder Boden die Basis für gesunde Pflanzen, gesunde Tiere und gesunde Menschen ist.
Gemäss Albrechts Lehre zeichnet sich ein gesunder Boden dadurch aus, dass die Nährstoffe in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen und der Boden über eine hohe Kationen-Austausch-Kapazität KAK verfügt. Der landwirtschaftliche Berater Neal Kinsey hat Albrechts Lehren mit der Kinsey-Analyse weltweit bekannt gemacht.
Die KAK beschreibt die Fähigkeit eines Bodens, die als Kationen (also positiv geladene Teilchen) vorliegenden Nährstoffe der Pflanze bei Bedarf zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig bei Nicht-Bedarf vor Auswaschungsverlusten zu schützen.
Die KAK hängt vom Ton- und Humusgehalt ab. In der Regel hat gut zersetzte organische Substanz eine höhere KAK als Tonminerale. Neben dem Ton- bzw. Humusgehalt des Bodens hat auch der pH-Wert einen Einfluss. Je höher der pH-Wert, desto leichter werden H+-Ionen gelöst und die Stellen mit Kationen neu besetzt.
Kationen-Austausch-Kapazität und Basensättigung
Unter der Kationen-Austausch-Kapazität KAK versteht man die Fähigkeit des Bodens, Nährstoffe zu speichern und wieder abzugeben. Man unterscheidet dabei die austauschbaren basenbildenden Kationen (Calcium Ca++, Magnesium Mg++, Kalium K+ und Natrium Na+), sowie die säurebildenden Kationen (H+ und Al+++, Fe+++). Je nach Bodenart und Humusanteil hat der Boden wenige oder viele Austauschplätze, welche mit basischen oder säurebildenden Kationen besetzt sein können.
Die Basensättigung gibt den Prozentanteil der Austauschplätze an, die mit den basischen Kationen belegt sind. Da dies wichtige Bodennährstoffe sind gibt die Basensättigung einen Hinweis auf die Bodenfruchtbarkeit. Eine Basensättigung von 95 % bedeutet z.B., dass 95 % des Kationenbelages des Bodens aus Ca, Mg, K, Na besteht, während 5 % der Kapazität mit säurebildenden Kationen belegt sind.
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Bei niedrigem pH-Wert erfolgt anstelle eines Kationen-Austausches ein Anionen-Austausch, so dass eine Düngung meistens erfolglos bleibt. Die Nährstoffe können dann von der Pflanze nicht genutzt werden.
Die Kinsey-Analyse und die damit verbundenen Düngungsempfehlungen weichen teilweise erheblich von den klassischen Bodenanalysen und Schweizer Düngungsempfehlung gemäss Grundlagen der Düngung GRUD ab.
Für Kinsey sind die Verhältnisse der Nährstoffe untereinander entscheidend. So wird bei der Basensättigung ein Calcium-Magnesium-Verhältnis von 68:12 angestrebt. Laut Kinsey ist die Nährstoffverfügbarkeit am besten, wenn diese beiden Nährstoffe zusammen 80 % der Austauschplätze belegen.
Die Dauerbeobachtungsfläche Oberacker in Zollikofen
Die Kinsey-Methode hat nicht nur Anhänger, sondern auch Skeptiker. Umso erstaunlicher ist es, dass es im deutschsprachigen Raum offenbar nur einen einzigen Dauerversuch gibt, der über mehrere Fruchtfolgen hinweg die Unterschiede zwischen den Empfehlungen gemäss Kinsey und den üblichen Düngeempfehlungen erhebt.
Diese Dauerbeobachtungsfläche Oberacker befindet sich am Inforama Rütti in Zollikofen BE. Es handelt sich um einen Demonstrations-Systemvergleich zwischen Direktsaat und Pflugverfahren, der zusätzlich mit einem Düngevergleich nach Kinsey und nach GRUD unterlegt ist.
Nach knapp zwölf Jahren Gegenüberstellung Kinsey – GRUD lassen sich erste Schlüsse ziehen. Projektkoordinator Andreas Chervet von der Fachstelle Boden des Kantons Bern hat beobachtet, dass mit Ausnahme bei der Kultur «Ackerbohne» die Düngung nach Kinsey zu leicht höheren Erträgen führt. «Die Bodenbearbeitung ist jedoch ertragswirksamer als die Düngung», sagt Chervet, «am höchsten sind die Erträge beim Verfahren Direktsaat kombiniert mit Kinsey.»
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Für ihn ist das plausibel. «Der Regenwurmbesatz und die Mykorrhizapilz-Population sind bei Direktsaat höher, der Boden ist dadurch belebter, die Nährstoffe können besser ausgetauscht beziehungsweise überhaupt genutzt werden.» Dass Kinsey beim Pflugverfahren nicht denselben durchschlagenden Erfolg hat, liegt laut Chervet an der Entstehungsgeschichte: «Diese Methode wurde in den USA in der Region Kansas entwickelt. Dort wird der Boden längst nicht so intensiv mit dem Pflug bearbeitet wie in der Schweiz. Zudem ist dort das Klima arid.» Fernab der grossen Ballungszentren waren die viehlosen Farmen zum Beispiel schon fast immer auf Schwefeldünger angewiesen.
ÖLN-konforme KAK-Analyse
Das Labor Ins bietet seit zehn Jahren auch eine Analyse der Kationen-Austausch-Kapazität an. 2018 wurde das Analysepaket «Premium KAK» und drei Jahre später «Premium KAK Plus» ins Programm genommen. Geschäftsführer Pascal Hübscher stellt fest, dass «die Nachfrage nach diesen Analysen seit den letzten drei bis vier Jahren stetig zunimmt, auch wenn die Standardanalysen immer noch viel häufiger gefragt sind.» Das steigende Interesse liegt seiner Ansicht nach nicht nur am gesellschaftlichen und politischen Druck weniger zu düngen. «Man sieht ganz klar einen Trend, dass mehr Informationen über den Boden gefragt sind. Das hängt sicherlich auch mit der heutigen Ausbildung zusammen.» Die KAK-Analysen-Pakete sind ÖLN-konform, da darin die Parameter gemäss GRUD erfasst und zusätzlich mit den Werten für KAK und Basensättigung ergänzt werden.
Düngungsempfehlungen nach Kinsey fehlen dabei jedoch genauso wie die Priorisierungen bei der Düngung. Das macht es für die Anwender nicht gerade einfach, da sie sich das Wissen dazu selbst aneignen – oder einen Kinsey-Berater beiziehen müssen.
www.laborins.ch/service/kak/
«In der Schweiz wird eine Schwefeldüngung erst diskutiert seit mit der Einführung der Luftreinhalteverordnung die Luft sauberer wurde.» Das erklärt ein Stück weit, warum Kinsey relativ viel Wert auf Schwefeldüngung legt.
Auch für die meistens recht hohen Kalkgaben gemäss Kinsey hat Chervet eine Erklärung: «Bei der wendenden Bodenbearbeitung mit dem Pflug wird der Kalk immer wieder an die Oberfläche gebracht. Bei der Direktsaat wird er hingegen ausgewaschen und muss dann via Dünger ergänzt werden.»
Chervet begleitet die Dauerbeobachtungsfläche von Anfang an. Heute weiss er: «Wenn rund drei Wochen vor der Ernte beim Direktsaatverfahren die beiden Varianten Kinsey – GRUD optisch gleich aussehen, gibt es bei Kinsey einen Mehrertrag.» Chervet sieht allerdings auch noch Verbesserungspotenzial: «Langfristig wären kulturartspezifische Empfehlungen erwünscht.» Denn nicht alle Kulturen reagieren gleich.
Doch auch so ist für Chervet klar: «Kinsey hat Potenzial, zusammen mit bodenschonender Bewirtschaftung.»
Vom BLW werden nur Schweizer Analysen anerkannt
Für den ökologischen Leistungsausweis müssen mindestens alle zehn Jahre Bodenanalysen gemacht werden. Die Albrecht/Kinsey-Analyse gehört für das BLW nicht zu den anerkannten Analyse-Methoden. BLW-Mediensprecher Jonathan Fisch begründet das so: «Das Albrecht/Kinsey-Düngungskonzept basiert auf Boden-Extraktionsmethoden, welche in den USA entwickelt und validiert wurden. Es gibt dafür in der Schweiz keine Interpretationsschemata zur Einordnung des Phosphorzustands des Bodens.»
Die Einschätzung der Phosphorversorgung des Bodens sei derzeit aber das Kernstück der ÖLN-Bodenanalysen. Fisch: «Da es keine Möglichkeit gibt, aufgrund der von Kinsey verwendeten Bray-, Mehlich- oder Olsen-Extraktionen die Phosphorversorgung von Schweizer Böden zu interpretieren, kann die Albrecht/Kinsey-Methode leider nicht im ÖLN berücksichtigt werden.» Im Gegensatz dazu könne man mit den Schweizer Methoden, auf denen die GRUD basiert, gut einschätzen, ob ein Boden mit Phosphor eher unter- oder überversorgt ist.
Ob die Schweizer Methoden tatsächlich mehr über die Phosphorversorgung aussagen, ist allerdings fraglich. Agroscope hat in einer Studie vor ein paar Jahren festgestellt, dass die Analysenwerte zur Phosphorversorgung zu grossen Teilen unbrauchbar waren. Ausserdem sind die Ergebnisse der beiden verschiedenen Analysemethoden für den P-Gehalt im Boden (CO2- bzw. AAE10-Methode) keineswegs miteinander vergleichbar. Mit der CO2-Methode zeigten sich zum Beispiel sowohl im Ackerbau wie auch im Grünland für sehr viele Böden eine P-Überversorgung. Wurde die Analyse mit der AAE10-Methode erstellt wurde in grossen Gebieten häufig bis sehr häufig Phosphormangel diagnostiziert. Teilweise wurden im selben Gebiet sowohl Mangel als auch Überversorgung festgestellt.
Abgesehen davon wird die Erfassung des Nährstoffpotenzials, welches die Pflanze aktiv erschliessen kann, bei diesen Methoden nur ungenügend erfasst. Genau hier setzt die Kinsey-Analyse an. Oft sind die empfohlenen Düngermengen für Phosphor von Kinsey deshalb tiefer als bei GRUD. Der Absenkpfad Phosphor könnte damit womöglich leichter erreicht werden.
Aber eben: Das BLW bekräftigt auch auf Nachfragen nochmals: «Interpretationsschemata sind nur für bestimmte Bodentypen und Klimaverhältnisse relevant. Daher sind sie regionsspezifisch und gelten oft nur innerhalb des Landes, in dem sie etabliert wurden. Interpretationsschemata der Kinsey-Analysen wurden in den USA für amerikanische Bodentypen entwickelt.» Darum könnten die Kinsey-Analysen nicht 1:1 mit den (nur bedingt zuverlässigen) CO2- oder AAE-Methoden verglichen werden.