Die «Révolte agricole Suisse» ist nur ein Revöltchen. Gut gemeint und als «Ventil auf dem Dampfkochtopf» genau zur richtigen Zeit gekommen. Aber über die gleichnamige Facebook-Gruppe hinaus wird sie nichts bewirken, das liegt in der Natur einer Revolte, erklärtermassen der Aufstand einer kleineren Gruppe von Personen mit lokaler Begrenzung.
Die Online-Petition des Schweizer Bauernverbandes mit konkreten Forderungen der Landwirtschaft könnte aber in einem Schlüsselmoment kommen, in dem Bundesrat und Bundesämter sowie Verbände und Unternehmen der Schweizer Landwirtschaft so unter Druck stehen, dass sie zu Veränderungen gezwungen sind.
Der Bauernverband fordert 5 bis 10 Prozent höhere Produzentenpreise und keine Sparmassnahmen der Politik
Der Schweizer Bauernverband SBV fordert in der am 12. Februar 2024 eingereichten Petition:
- Von den Verbänden und Unternehmen eine Erhöhung der Produzentenpreise um mindestens 5 bis 10 Prozent noch in diesem Jahr.
- Von Bundesrat und Bundesämtern einen Verzicht auf Sparmassnahmen auf Kosten der Landwirtschaft und eine administrative Vereinfachung.
Das ist keine Revolution (also kein abrupter und grundlegender Systemwandel), sondern nur eine Evolution, eine Entwicklung. Aber mit dieser Evolution setzt der Schweizer Bauernverband den Hebel am richtigen Ort an.
Basisdemokratie funktioniert mit Hand hoch halten und nicht mit der Faust im Hosensack
Die meisten Verbände und Unternehmen der Landwirtschaft gehören nämlich de jure, also rechtlich betrachtet den Landwirten. Zum Beispiel:
- die drei grössten Milchverarbeiter Emmi, Cremo und Hochdorf
- die Zentralschweizer Milchproduzenten ZMP (die wiederum Aktionärin von Emmi, Cremo und Hochdorf sind)
- die verschiedenen Branchenverbände
- die Label-Verbände Bio Suisse und IP-Suisse
- die 7-Milliarden-Agrargenossenschaft Fenaco
- und viele andere
Diese Verbände und Unternehmen hätten es in der Hand, die Produzentenpreise zu erhöhen. De facto ist es aber so, dass die Landwirte dort wenig bis nichts zu sagen haben – oder lieber die Faust im Hosensack machen.
Dabei könnten Landwirte vor der Generalversammlung oder Delegiertenversammlung «ihrer» Organisation oder «ihres» Unternehmens ein Traktandum «Erhöhung der Produzentenpreise um 10 Prozent» beantragen. Die Basisdemokratie funktioniert mit Hand hoch halten und nicht mit der Faust im Hosensack.
Der Bauernverband koordiniert neu Verhandlungen zwischen Verbänden und Unternehmen
Unterstützung gibt es dabei vom SBV. Dieser wird Verhandlungen zwischen Verbänden und Unternehmen neu koordinieren, um sicherzustellen, dass zum Beispiel Branchenverbände gegenüber Detailhändlern und Discountern eine gemeinsame Strategie verfolgen. Und wenn nötig, wird der SBV auf übergeordneter Ebene intervenieren.
Denn selbst mit 10 Prozent höheren Produzentenpreisen müssten zum Beispiel Milchverarbeiter nicht verlumpen. Die zusätzlichen 7 Rappen für 1 Liter Rohmilch könnten an den Handel überwälzt werden. Und dieser kann seine hohen Margen verringern – was nur anständig wäre – oder die Mehrkosten an die Konsumenten weitergeben, was wahrscheinlicher ist.
Der Bauernverband fordert einen Verzicht auf Sparmassnahmen auf Kosten der Landwirtschaft
Parallel dazu wird der Schweizer Bauernverband seine zweite Forderung – den Verzicht auf Sparmassnahmen auf Kosten der Landwirtschaft und eine administrative Vereinfachung – mit allen Kräften in der Politik durchzusetzen versuchen.
Ob der SBV seine Forderungen tatsächlich durchsetzen kann, das weiss niemand. Vielleicht erleben wir aber den berühmten Schlüsselmoment, in welchem der Schweizer Bauernverband mit seiner Petition genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.