Der Bundesrat hat das Verordnungspaket 2024 zur Agrarpolitik AP22+ mit 26 neuen Bestimmungen in die Vernehmlassung geschickt: 21 Verordnungen des Bundesrates, 3 Verordnungen des Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF und 2 Verordnungen des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW.
Die angeschriebenen Kantone, Verbände und andere Interessengruppen haben nun bis zum 1. Mai 2024 Zeit, ihre Kritik und Vorschläge anzubringen. Nach Einbezug der Rückmeldungen soll das Verordnungspaket Ende Oktober 2024 vom Bundesrat beschlossen werden und die meisten neuen Bestimmungen könnten am 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Mit dem Verordnungspaket 2024 werden die vom Parlament im Juni 2023 verabschiedeten Gesetzesbestimmungen der Agrarpolitik AP22+ auf Verordnungsebene umgesetzt. Die in der Vernehmlassung präsentierten Änderungen betreffen vor allem die sozialen und wirtschaftlichen Bereich der Landwirtschaft.
Die wichtigsten Änderungen sind gemäss Jean-Marc Chappuis, stellvertretender Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft BLW:
- Weniger Ackerland für neue Biodiversitätsförderflächen BFF
- Neue Prämienverbilligungen für Ernteversicherungen
- Ein neuer Sozialversicherungsschutz für mitarbeitende EhepartnerInnen
Die meisten der 26 Bestimmungen sind nicht neu, umso mehr aber die Vorschläge zu deren detaillierten Umsetzung.
Neu: Weniger Ackerfläche für die Biodiversitätsförderflächen BFF
Unter anderem hat der Bundesrat bei den zusätzlichen Biodiversitätsförderflächen BFF Präzisierungen vorgenommen.
Im Dezember 2023 verlangte das Parlament mit der Annahme der Motion 23.3846 von Ständerätin Esther Friedli (SVP/SG) die Einführung der Anforderung von 3,5 Prozent BFF im Ackerbau von Januar 2024 um ein Jahr auf 2025 zu verschieben – was nur ein paar Tage vor Inkrafttreten auch beschlossen wurde.
Wie von der Motion Friedli ebenfalls gefordert, werden die Anforderungen entschärft:
- Neu gilt als Referenzgrösse für die 3,5 Prozent BFF die offene Ackerfläche. Bisher umfasste die Prozentangabe auch die Kunstwiesen (Ansaatwiesen). Damit sind gesamtschweizerisch neu nur 5600 Hektaren statt 9300 Hektaren (–40 Prozent) neue Flächen im Ackerbau vorgesehen.
- Neu werden auch Hecken, Feld- und Ufergehölze der Qualitätsstufe II angerechnet.
- Neu sind Betriebe, die schon heute mehr als 25 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche als Biodiversitätsförderfläche bewirtschaften, vollständig von der Anforderung ausgenommen.
Neu: Billigere Prämien für Ernteversicherungen als «Anschubfinanzierung»
Ein weitere neue Bestimmung ist die vom Parlament beschlossene Prämienverbilligung für Ernteversicherungen durch den Bund, wie sie unter anderen auch Ständerätin Johanna Gapany (FDP/FR) 2021 in ihrer Motion 21.4186 «Höchste Zeit für eine Ernteversicherung» forderte.
Die Prämienverbilligung soll ab 2025 in Kraft treten. Der Bund will aber maximal 30 Prozent der Prämien übernehmen, die Versicherten müssten einen Selbstbehalt von mindestens 15 Prozent tragen.
Die Prämienverbilligung gelte auch nur für Versicherungen gegen Trockenheit und Frost, nicht aber gegen Hagel.
Ausserdem ist diese Massnahme auf acht Jahre befristet. Im Sinne einer «Anschubfinanzierung» will das BLW damit ein Anreizsystem für eine verstärkte Marktdurchdringung schaffen. Denn bisher seien – im Gegensatz zum Hagel – nur rund 15 Prozent der Landwirtschaftsfläche gegen Trockenheit und Frost versichert.
«Der Bund wird sich nicht ins Geschäft zwischen Versicherten und Versicherern einmischen», betonte Bernard Belk, Leiter Direktionsbereich Direktzahlungen und Ländliche Entwicklung im BLW. Vielmehr werde es einen Vertrag gegeben zwischen Versicherung und Bund.
Neu: Versicherungsschutz für mitarbeitende Ehepartner als Pflicht
Als Voraussetzung für den Erhalt von Direktzahlungen gilt nach dem Vorschlag des Bundesrates ab 2027 die soziale Absicherung mitarbeitender Ehepartner. Diese müssen «regelmässig und in beträchtlichem Masse» auf dem Betrieb mitarbeiten.
Der vorgeschriebene Sozialversicherungsschutz soll eine Taggeldversicherung wie auch eine Risiko-Vorsorge umfassen. «Dies gelte neu für rund 4000 Landwirtschafts-Betriebe», erklärte Bernard Belk.
«Die Vorschrift enthält viele Ausnahmen, weil diese Sinn machen und von der Branche so gewünscht worden sind», ergänzte Belk. Die Folge dieser Ausnahmen – unter anderem eine Einkommensuntergrenze und eine Altersobergrenze – seien allerdings mit grösserem Vollzugsaufwand verbunden.
Neu: «Verschlankter» Vollzug der Beiträge für Vernetzung und Landschaftsqualität
Im Unterschied dazu soll die Zusammenführung der Beiträge für Vernetzung und Landschaftsqualität den Vollzug verschlanken. Gemäss Bernard Belk müssen damit rund 2000 Berichte pro Jahr weniger verfasst werden. Die Fusion der Beiträge soll 2027 in Kraft treten, was genügend Zeit für die Vorbereitung seitens der Kantone lasse.
Zur Stärkung der einheimischen Gemüseproduktion einigten sich Produktion und Handel auf Kompromisse
Nicht Teil der AP 22+ war und bleibt die Stärkung der einheimischen Gemüseproduktion, die Ständerat Werner Salzmann mit einer Motion verlangt hat. Nach der Annahme im Parlament haben sich Produktion und Handel für die 27 von Salzmann genannten Gemüse auf einen Kompromiss einigen können, so Jean-Marc Chappius.
Es konnten also neue effektive Bewirtschaftungsperioden mit höherem Zollschutz definiert werden. «Die Produzenten werden innerhalb der verlängerten Perioden bessere Preise erzielen können», sagte Chappuis. Wie hoch diese ausfallen, könne man nur grob schätzen. Es sei aber auch möglich, dass die Konsumentenpreise ebenfalls eine Erhöhung erfahren werden. Die Umsetzung der neuen effektiven Bewirtschaftungsperioden ist für 2025 geplant.