Kurz & bündig
- Die Wohlfühltemperatur von Kälbern liegt in den ersten Lebenswochen bei 15 bis 20 Grad.
- Damit Kälber nicht frieren, muss der Liegebereich grosszügig eingestreut sein.
- Zugluft und Fallluft müssen verhindert werden.
- In einem Mikroklimabereich fühlen sich die Kälber am wohlsten: anhebbarer Deckel, abgedeckte bzw. isolierte Wände, wärmende Tiefstreu.
- Kälber, die nicht frieren, haben mehr Energie für Wachstum und werden seltener krank.
Eine Situation, die wir häufig antreffen: Kälber in Gruppenhaltung auf Tiefstreu. Vereinzelt hört man Tiere husten, einige stellen leicht die Haare, andere liegen dicht beieinander an der Stallwand. Soweit scheint doch alles in Ordnung zu sein, oder etwa nicht? Nein, nicht ganz!
Die Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur muss ein Kalb aus dem Futter gewinnen; gerade im Winter braucht es dafür rund zwei Liter zusätzliche Milch!
Der Pansen hat sich jedoch noch nicht voll ausgebildet. Erst ab einem Körpergewicht von 200 kg ist der Pansen soweit entwickelt, dass er in grösserem Umfang Wärme produzieren und quasi als Heizung fungieren kann.
Kälber und Kühe brauchen unterschiedliche Temperaturen
Die Wohlfühl-Temperatur von Kälbern liegt in den ersten Lebenswochen bei 15 bis 20 Grad. Ganz anders verhält es sich bei grösseren Tieren oder ausgewachsenen Kühen: Diese Tiere fühlen sich auch bei 0 bis 15 Grad völlig wohl.
Nun stehen wir also vor dem Problem, dass wir das (fast) Unmögliche möglich machen müssen: Nämlich für Kühe und Kälber die richtigen Bedingungen in jeder Jahreszeit zu schaffen. Dies gelingt am besten, indem wir den Kälbern einen für sie geeigneten Rückzugsort im Stall anbieten.
Dies gilt für Mast- und Aufzuchtkälber in der Gruppenhaltung sowie für Mutterkuhkälber mit einem geeigneten Kälberschlupf und kann sogar schon in der Abkalbebox Vorteile bringen.
Ein Rückzugsort ist dann geeignet, wenn er die (Klima-) Bedürfnisse der Kälber möglichst gut erfüllt. Diese Bedürfnisse sind:
- keine Zugluft; Luft darf sich nicht schneller als 0,2m/sec bewegen
- keine kalte Fallluft
- keine kalten Wände (da Kälber sich gerne an Wände legen)
- viel trockene, gut isolierende Einstreu (z.B. Strohpellets als erste Schicht, dann Langstroh darüber)
- zusätzlich Kälberdecken insbesondere für kleine oder kranke Tiere
Das Ziel muss sein, dass sich Kälber an einen geschützten Ort legen können, ohne dort zu frieren – besonders dann, wenn bei hoher Luftfeuchtigkeit und niedrigen Temperaturen der Rücken der Kälber durch Kondenswasser nass geworden ist.
Denn: Wer friert, verliert sehr viel Energie, welche dann nicht für das Immunsystem und das Körperwachstum zur Verfügung steht.
Dass Kälber – genau wie wir – nicht gerne Zugluft ausgesetzt sind, ist inzwischen vielen klar. Trotzdem muss aber eine ausreichende Luftwechselrate im Kälberstall sichergestellt werden. Als Faustregel gilt: Im Winter 5 bis 10 Mal pro Stunde, im Sommer 15 bis 20 Mal pro Stunde, damit die Luftfeuchtigkeit sowie die Schadgasbelastung möglichst niedrig gehalten werden können.
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Konkrete Massnahmen im Kälberstall
Für eine ausreichende Luftwechselrate ist häufig eine Zwangslüftung notwendig. Denn Luft ist träge und der Effekt geöffneter Fenster und Türen wird stark von der Witterung beeinflusst. Deckenventilatoren bringen meist nicht den gewünschten Effekt, da sie lediglich Luft umwälzen, jedoch keine Frischluft zuführen.
Auch stehende Axialventilatoren sind häufig nicht befriedigend, da sie zwar Frischluft zuführen, jedoch einen gerichteten Luftstrom erzeugen, der je nach Jahreszeit und Witterung als Zugluft wahrgenommen wird.
Ideale Lösungen sind daher Lochplatten- oder Schlauchlüftungen, die bei sehr kalten Temperaturen die Zuluft erwärmen können.
Kalte, abfallende Luft entsteht oft entlang der Wände in einem Stall oder unter Abwurflöchern für Stroh. Kalte Luft ist schwerer als warme und sinkt somit oft auf die an den Wänden liegenden Tiere. Um dies zu verhindern, kann mit einfachen Mitteln ein sogenanntes «Mikroklima» oder ein «Kälbernest» eingerichtet werden.
Das «Kälbernest» schützt vor der abfallenden kalten Luft
Für ein «Kälbernest» wird auf ca. 150 bis 170 cm ab Boden eine Platte von 1,5 bis 2 m Tiefe montiert. Dieser Deckel verhindert dann das direkte Absinken der kalten Luft auf die liegenden Tiere und kann aus Holz, aber auch aus Vlies, Netz, Blache oder anderem Material gefertigt sein. Wichtig ist eine Anbringung, welche das einfache Entmisten nicht behindert (z. B. durch Einrollen oder Aufzug an Seilen oder Ketten).
Wie bereits erwähnt, haben liegende Kälber oft das Bedürfnis, sich an Wände anzulehnen. Wenn es sich bei den Wänden im Kälberstall/-schlupf aber um Beton- oder Backsteinwände handelt, kühlen die Tiere dabei sehr stark aus. Wer sich im Winter mehrere Minuten an eine solche Wand angelehnt hat, weiss selbst, wie unangenehm das ist.
Daher bietet die Isolation bzw. Abdeckung der Wände eine einfache Möglichkeit, um diese Auskühlung durch Wärmeleitung (infolge Wandkontakt oder Wandnähe) zu verhindern. Als entsprechende Wandabdeckung eignen sich Gummimatten, Holzplatten, Kunststoffplatten oder sogar Schaumstoffmatten, die an die Mauer montiert werden.
Auch Strohballen, welche entlang der Wände oder als eine Art Raumteiler im Tiefstreubereich platziert werden, ergeben eine angenehme «Wohlfühlecke» für die Kälber.
Im Winter brauchen Kälber viel trockene Einstreu
Viel trockene Einstreu ist ein absolutes Muss in der kalten Jahreszeit. Wenn die Hinterbeine der liegenden Kälber kaum mehr sichtbar sind (Nesting score 3), entsteht eine ausreichende Isolation für das Kalb und die lebenswichtigen Organe sind nicht zu stark der Kälte ausgesetzt.
Die Kälber sollen in Stroh gebettet, nicht auf Stroh gelegt werden! Bezüglich Wärmeproduktion von dicken Tiefstreumatten gilt es zu bedenken, dass diese infolge des Wärmeprozesses auch zwangsläufig viel Schadgase absondern. Wenn nun also Kälber auf sog. «wärmenden» Tiefstreubereichen liegen, atmen sie immer auch vermehrt Ammoniak ein, da dies ein Nebenprodukt der durch die Verrottung entstehenden Wärme ist. In diesem Zusammenhang wird wiederum deutlich, dass der Luftaustausch eine herausragende Rolle spielt, um die Schadgaskonzentration im Liegebereich niedrig zu halten
Kälberdecken müssen gut passen und maschinenwaschbar sein
Kälberdecken bieten grundsätzlich eine ideale Möglichkeit, um Kälber im Winter vor Kälte zu schützen. Dabei soll auf die richtige Grösse geachtet werden, damit sich das Kalb wohl fühlt und die Riemen keine Hautabschürfungen verursachen. Geeignete Modelle sind mit stabilen Metallschnallen an der Brust und am Bauch ausgestattet und einfach maschinenwaschbar.
Die Kälber vor Kältestress und Schadgasbelastung schützen
Das oberste Ziel in der Kälberhaltung im Winter ist es, die Kälber vor zu hoher Schadgas-Belastung und Kältestress zu schützen. Kälber, die ständig frieren, verlieren viel Energie, die dann für das Immunsystem und das Wachstum fehlt. Zudem sind frierende Kälber gestresst und somit deutlich anfälliger gegenüber Krankheiten wie zum Beispiel Kälbergrippe.
Nebst Wachstumsrückstand verursachen kranke Tiere Mehrkosten und der Mehraufwand bei der Versorgung stellt für das betreuende Personal eine zusätzliche Belastung dar. Es lohnt sich also, Investitionen zu Gunsten von Schutz und Wärme für die Kälber zu tätigen!
Helen Huber ist Tierärztin bei Rindergesundheit Schweiz RGS.