Kurz & bündig
- Auf dem Geburtsbetrieb werden entscheidende Weichen für die Kälbergesundheit gestellt (z. B. Spurenelement- und Kolostrumversorgung, Geburtsablauf, Tränkemanagement usw.).
- Beim Einstallen ist es daher wichtig, den Zustand der Kälber genau zu erfassen und schnell zu reagieren.
- Mindestens ebenso wichtig sind die Bedingungen auf dem Mastbetrieb, welche die Kälber hinsichtlich Hygiene, Stallklima, Tränke und Fütterung antreffen.
Starten wir bei einer TV-Serie mit der nächsten Staffel, sehen wir oft zuerst einen Rückblick und erhalten eine Zusammenfassung dessen, «was bisher geschah». Ist man jedoch Mäster und möchte Kälber einstallen, steht man allzu oft vor der Situation einer scheinbaren Blackbox.
Diese Blackbox (deutsch: schwarze Kiste) ist gemäss Definition ein Bild dafür, dass sich «interne Zustände im Verborgenen befinden und weder von aussen zu sehen noch objektiv messbar sind». Aber gilt das nun wirklich auch für das Einstallen von Kälbern?
Die Vorgeschichte der Tiere liegt im Dunkeln
Beim Einstallen von Tränkekälbern gibt es tatsächlich sehr vieles, was man über diese Tiere nicht weiss: Wie wurden etwa die Muttertiere als Galtkuh mit Spurenelementen versorgt, wie verlief die Geburt, wurde das Kalb ausreichend und frühzeitig mit hochwertigem Kolostrum versorgt, wie wurde es anschliessend gehalten, wurde es geimpft, war es schon mal krank und nicht zuletzt: Womit, wie und in welchen Mengen wurde es getränkt?
Die Antworten auf all diese Fragen liegen für den Mastbetrieb meist im Dunkeln verborgen. Der Geburtsbetrieb ist dafür verantwortlich, dass die Kälber optimal versorgt und gesund den Betrieb verlassen können. Denn in den ersten Stunden und Tagen werden die Weichen gestellt für das zukünftige Leben des Kalbes. Der Mastbetrieb erhält dann die Tiere, ohne etwas über deren Vorgeschichte zu wissen.
Wie geht es den Kälbern jetzt auf dem Betrieb?
Erfreulich ist: Gewisse Gegebenheiten sind jedoch sehr wohl von aussen zu sehen und auch objektiv messbar. Beispielsweise sind das (gemeldete) Geburtsdatum sowie das aktuelle Gewicht des Kalbes bekannt. Daraus lässt sich in der Regel abschätzen, welche Tageszunahmen (TZN) ein Kalb in den ersten drei bis fünf Wochen seines Lebens hatte.
Liegen diese TZN deutlich unter 750 g, lässt sich ableiten, dass die Aufzuchtbedingungen vermutlich nicht ideal waren, das Kalb nicht mindestens acht Liter pro Tag getrunken hat (bzw. trinken konnte) oder schon einmal krank war – ausgenommen sind natürlich sehr klein geborene Kälber.
Zudem lohnt es sich unbedingt, die neu eingestallten Tiere genauestens zu beobachten. Idealerweise wird eine standardisierte Einstalluntersuchung (durch den Tierarzt) durchgeführt, bei welcher folgende Parameter kurz überprüft und protokolliert (!) werden:
- Allgemeinzustand (Fell, Gesamteindruck)
- Augen- und Nasenausfluss
- Ohren (gestellt oder hängend)
- Atmung (ruhig oder schnell/pumpend)
- Rektaltemperatur (über 39–39,2 Grad sind Anzeichen von Fieber)
- Durchfallspuren (kahle Stellen an den Hinterbeinen)
- Nabel (Entzündung oder Bruch)
Es ist also nicht immer klar, was bisher geschah, aber durch aufmerksames Hinschauen und Prüfen lässt sich ermitteln, wie es dem Kalb jetzt geht. Dies ermöglicht dann, entsprechend schnell korrigierend einzugreifen, das Kalb optimal medizinisch zu versorgen und so weitere Schäden am Tier (und somit im Portemonnaie) zu verhindern.
Mit idealen Bedingungen die Weichen stellen
Mindestens ebenso wichtig wie die Vorgeschichte der Kälber sind die Bedingungen, welche die Tränker beim Eintreffen auf dem Mastbetrieb vorfinden. Auch hier werden nochmals wichtige Weichen gestellt, welche den weiteren Verlauf des Kälberlebens – und somit den Masterfolg – nachhaltig beeinflussen.
Anders gesagt, der Mastbetrieb hat wohl auf Vergangenes kaum Einfluss, jedoch sehr wohl auf Zukünftiges (siehe Box: Diese Punkte gilt es auf dem Mastbetrieb zu beachten).
Ein Selbsttest, um den eigenen Stall zu prüfen
Können Sie sich vorstellen, im Winter ohne Jacke für eine halbe Stunde in der hintersten Stallecke bei den Kälbern auf dem Boden zu sitzen und an die Wand gelehnt Zeitung zu lesen? Und wäre es denkbar, aus der Tränke einen Schluck Wasser zu trinken oder sich ein Glas «Milch» aus dem Tränkeautomaten zu genehmigen?
Wenn diese Fragen mit einem klaren Ja beantwortet werden können, wird es mit Sicherheit auch den Kälbern gefallen. Wenn jedoch bereits dieser Gedanke aus diversen Gründen ein Schaudern auslöst, lohnt es sich, die Bedingungen kritisch zu betrachten, mögliche Veränderungen zu prüfen und entsprechende Massnahmen umzusetzen.
Zur Unterstützung hat Rindergesundheit Schweiz zusammen mit Agridea zwei Checklisten erarbeitet, welche bei einer solchen kritischen Betrachtung des Kälberstalls und des Einstallens eine Hilfestellung bieten können. Der Link zu dieser Checkliste: Kälberchecklisten von RGS und Agridea
Zusammenarbeit aller Beteiligten ist wichtig
Um also gesunde, leistungsstarke Mastkälber zu erreichen, ist das Zusammenspiel von vielen Faktoren und die gute (Zusammen-)Arbeit von allen Beteiligten entscheidend – vom Aufzucht- über den Geburtsbetrieb hin zum Händler und nicht zuletzt vom Mastbetrieb.
Es gilt also, möglichst gesunde Tränker auf den Markt zu bringen, die vermeintliche Blackbox auszuleuchten und zu erkennen, was bisher geschah, und dann schnell und adäquat zu reagieren, um so die nächste «Staffel» im Kälberleben so erfolgreich wie möglich gestalten zu können.
Diese Punkte gilt es auf dem Mastbetrieb zu beachten
- Stallhygiene: Das Rein-Raus-Verfahren erlaubt eine vollständige Reinigung des Stalles (Misten und Waschen) vor jeder neuen Gruppe.
- Transport: Soll schonend und so kurz wie möglich sein (falls beeinflussbar).
- Abladen: Soll ruhig, schonend und möglichst stressfrei ablaufen.
- Gruppengrösse: Gruppen von über 40 Tieren sind nur schwierig mit blossem Auge zu erfassen und können zudem zu Stress bei den Kälbern führen.
- Kranke Kälber: Absondern und v. a. schnellstmöglich individuell behandeln.
- Einstallprophylaxe: Vitamin-/Mineralstoffpräparate, Impfung (falls noch nicht erfolgt) und Parasitenbekämpfung (bei Bedarf).
- Tränkeaufnahme: Ruhiges Antränken mit hochwertigen Milchaustauschern verringert Stress und somit die Anfälligkeit für Krankheiten.
- Tränkeautomat: Regelmässige Wartung und Kalibrierung, täglich reinigen (auch die Umgebung), Schläuche und Nuckel regelmässig wechseln.
- Milchaustauscher: In der Grossviehmast bewährt sich das Vertränken von ca. 30 kg hochwertigem Milchaustauscher pro Kalb und Tränkephase in einer Konzentration von 130 g pro Liter Tränke.
- Wasserangebot: Über eine saubere, offene Wasserfläche im Schwimmerbecken (nicht Ventil- oder Druckzungentränken).
- Platzangebot: Idealerweise stehen 2,5 bis 3 Quadratmeter pro Kalb zur Verfügung.
- Klima/Luftqualität: Das Stallklima soll zugluftfrei, nicht stickig sowie trocken und mit geringem Ammoniakgehalt sein (auf Höhe des liegenden Kalbes prüfen).
- Wände abdecken: Da Kälber gerne den Wänden entlang liegen, lohnt es sich sehr, Beton- und Backsteinwände mit Gummimatten, Kunststoffplatten oder Holz abzudecken oder Strohballen davor zu platzieren.
- Einstreu: Es soll genügend lose, saubere, trockene und staubarme Einstreu zur Verfügung stehen (Hinterbeine beim liegenden Kalb nicht/nur teilweise sichtbar).