Kurz & bündig
- Frei werdende Betriebe finden junge Landwirtinnen und Landwirte über Mund-zu-Mund-Propaganda und das eigene Netzwerk.
- Manche Betriebe sind in Inseraten ausgeschrieben.
- Die beiden Vermittlungsstellen sind vor allem für die Abgebenden eine diskrete Möglichkeit.
Am Ende des Gesprächs steht Young Farmer Othmar Gut (25) mitten in seinen Kühen – von links und rechts wird er beschnüffelt und geleckt, auch der Fotograf stösst auf Interesse. Neugierig umzingeln ihn die Milchkühe im Auslauf und schnuppern an den Kameras.
Seit dem 1. Januar 2018 gehört der Hof «Vorder Ludige» Othmar Gut und seinem Vater. «Um Mitternacht habe ich mit Kollegen angestossen, zehn Minuten später stand ich im Stall, weil das erste Kalb zur Welt kam», erinnert sich Othmar Gut junior. Die Eltern von Othmar Gut leben auf dem Pachtbetrieb in Hohenrain LU, Sohn Othmar seit August fix in Römerswil. Zuerst galt es, einen Rohbau in eine Wohnung zu verwandeln.
Den Hof in Hohenrain hat Othmar Gut senior bis 2024 gepachtet. Ein Jahr später wird er das Pensionsalter erreichen und damit entfällt die Direktzahlungsberechtigung. Der Hof gehört dem Kanton Luzern und dieser hat signalisiert, dass Sohn Gut die Pacht wohl nicht übernehmen könne. Deshalb haben Vater und Sohn die Suche nach einem eigenen Hof in den letzten Jahren verstärkt.
Vom Hof «Vorder Ludige» haben sie unabhängig voneinander gehört, ohne jede Vermittlungsstelle. Othmar Gut junior war für Hochdorfer Technik als Gülletechnik-Monteur unterwegs, sein Vater hat Gerüchte gehört, dass der Hof frei werde.
Ein Brief zeigte Wirkung
Ende 2016 haben sie dann dem Ehepaar Gehrig einen Brief geschrieben. Und mit dieser Art der Kontaktaufnahme haben sie die Vorbesitzer positiv überrascht: «Das Ehepaar fühlte sich teilweise bedrängt von vielen Anrufen und Fragen. Den Brief haben sie geschätzt», erzählt Othmar Gut.
Im Gespräch mit dem kinderlosen Paar wurde klar, dass das Ehepaar Gehrig den Betrieb nicht zerstückeln, sondern als Ganzes übergeben möchte. Dem Kauf gingen Gespräche mit einem Berater des bbzn Hohenrain und einige Termine auf der Bank voraus. Vater und Sohn Gut haben ein Konzept verfasst und die Finanzierung gesichert.
Die Vorbesitzer wohnen zur Miete im Bauernhaus, Othmar Gut junior und seine Partnerin Livia Bühler im Anbau.
Eine Hofübernahme braucht Zeit, Begleitung und viele Gespräche
«Es gibt viele Aspekte, die vorgängig klar zu regeln sind», sagt Jakob Vogler von der Stiftung zur Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe. Er betreibt seit 2014 die Informations- und Vermittlungsstelle «Hochnachfolge».
«Hofnachfolge»
Die Stiftung zur Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe möchte
mit dem Angebot Hofnachfolge die Übergabe von Landwirtschaftsbetrieben ausserhalb der Familie erleichtern. Die Stiftung vermittelt Kontakte zwischen älteren Hofbesitzern, die ihren Betrieb als Ganzes weitergeben wollen, und innovativen, gut ausgebildeten Landwirten mit Erfahrung, welche einen Hof suchen. www.hofnachfolge.ch
Eine Herzensangelegenheit, wie rasch klar wird, wenn man mit Vogler redet. Er begleitet auf Wunsch den Prozess bis ins letzte Detail und betreut vor allem die Abgebenden, möglichst in Zusammenarbeit mit lokalen Beratern und Treuhändern. «Einen Hof abzugeben, das ist hochemotional und viel schwieriger als in jungen Jahren ein Unternehmen aufzubauen», sagt er.
Deshalb brauche es viele Gespräche, um zu klären, was die Abgebenden wollen: Auf dem Hof wohnen bleiben? Oder ganz loslassen? Verkauf oder Verpachtung? Was sind die finanziellen Konsequenzen? Erst wenn dieser Prozess abgeschlossen und der provisorische Entscheid zur ausserfamiliären Hofnachfolge gefällt ist, beginnt die Vermittlung.
Ohne Hochglanzbroschüre vom Hof, sondern mit einem Gespräch «von Bauer zu Bauer», wie es Vogler nennt. Dabei werde rasch klar, ob es grundsätzlich passe. Es gebe eine enorme Bandbreite von Vorstellungen.
Auf jeden Fall helfe einem Suchenden eine fundierte landwirtschaftliche Ausbildung und mehrjährige Praxis auf verschiedenen Betrieben. «Davon, einfach den erstbesten Hof zu übernehmen, rate ich ab», sagt Vogler. Das angestrebte Betriebskonzept und die Persönlichkeit der Interessenten sollten zum Hof passen.
Denn er erlebe, dass der Start unterschätzt werde: «Nach einem halben Jahr kommen viele an ihre physischen und psychischen Grenzen, was sich auch auf das Privatleben auswirkt», so Vogler. Deshalb gelte es, vor einer Übernahme ein stimmiges und realistisches Konzept zu erarbeiten und mit der Familie zu besprechen.
«Es hilft, die Abgebenden einzubinden und auf deren Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen. Diese können dann leichter loslassen und die Jungen bekommen Unterstützung», so Vogler.
Die Vorgänger helfen auf dem Hof und unterstützen den jungen Landwirt
Auf dem Hof von Othmar Gut füttert Marie-Therese Gehrig immer noch die Katzenschar im Stall. Ihr Mann Toni fräst Holz und ist für die Holzheizung zuständig. «Die beiden nehmen sich sehr zurück», sagt Othmar Gut. So will Toni Gehrig auch nicht mit aufs Foto – das sei nun vorbei, sagt er und setzt seinen Spaziergang fort. Das Verhältnis ist aber gut. Othmar Gut nimmt sich gerne Zeit für einen Kaffee und schätzt das Wissen seiner Vorgänger: «Sie wissen zum Beispiel genau, wo die Schächte auf dem Land verteilt sind», erzählt er.
Alles über den Haufen wirft er nicht. Doch er packt Veränderungen an, etwa beim Melken. Während Gehrigs mit einem Standeimer melkten, hat der Junglandwirt in eine Rohrmelkanlage investiert. Der Wohnungsbau hat ihn auf Trab gehalten, aber auch seine Ausbildung: Gut wird im April 2019 die Meisterprüfung machen.
Aktuell erarbeitet er einen Businessplan – für einen Laufstall mit etwa 50 Milchkühen. Diesen Plan würde er gern in die Tat umsetzen: «Bloss ist es wohl mindestens so schwierig, die Bewilligung zu bekommen wie die Finanzierung sicher zu stellen», sagt Gut.
«Hofübergabe»
Die Anlaufstelle der Kleinbauern-Vereinigung vermittelt ausgebildete Landwirte und Landwirtinnen an Hofabgebende ohne Nachfolge. Dieses kostenlose Angebot richtet sich an sämtliche Betriebe, unabhängig von Betriebsgrösse und -ausrichtung. Die Anlaufstelle prüft jede Anfrage individuell und evaluiert die Profile.
www.hofuebergabe.ch
Kurzfilmserie «Mut zum Generationenwechsel»: www.kleinbauern.ch/kurzfilme
Auch Séverine Curiger von der Kleinbauern-Vereinigung rät zu guter Vorbereitung und grosser Vorsicht. Sie betreut die Anlaufstelle für ausserfamiliäre Hofübergabe. Auch diese Vermittlungsstelle existiert seit 2014. die Anlaufstelle der Kleinbauern-Vereinigung vermittelt gut ausgebildete LandwirtInnen an Betriebsleitende ohne innerfamiliäre Nachfolge.
Für Beratung verweist Curiger an Fachleute aus der Region. Nie zu unterschätzen ist der finanzielle Aufwand. Die Kleinbauern-Vereinigung hat 2018 gemeinsam mit landwirtschaftlichen Schulen Kurse organisiert, die sich mit den Finanzfragen befassen. Diese sind auf grosses Interesse gestossen. Deshalb organisiert die Kleinbauern-Vereinigung gemeinsam mit den Landwirtschaftlichen Schulen Inforama und Liebegg im März 2019 wieder je einen Kurstag zum Thema «Hofkauf ausserhalb der Familie – Fokus Finanzierung».
Den Generationenwechsel zu regeln ist ein langer Prozess. Im Regelfall gehe es länger als ein Jahr, bis eine Übernahme zu Stande komme, so Curiger. Die Kleinbauern-Vereinigung ist auch in der Westschweiz und der italienischsprachigen Schweiz tätig. Der Vorteil der beiden Vermittlungsstellen ist Diskretion. Denn wer ein Inserat schaltet, wird rasch von Anfragen überrollt.
Othmar Gut verwirklicht mit dem Hof «Vorder Ludige» seinen Kindheitstraum
Das haben die Vorbesitzer von Othmar Guts Hof auch ohne Inserat erlebt. Knapp ein Jahr sei es gegangen, bis Othmar Gut und sein Vater in einer Generationengemeinschaft den Hof zum Verkehrswert kaufen konnten. Über den genauen Betrag haben sie Stillschweigen vereinbart.
Die Zusammenarbeit zwischen Vater und Sohn ist eng und gut. «Jeder hat seine ‹Mödeli›. Die akzeptieren wir», sagt Sohn Othmar Gut. Er ist auf dem Milchvieh-Betrieb glücklich, sein Vater hält Milchkühe und Schweine. Othmar junior will bei den Milchkühen bleiben, vielleicht mal nur noch für die Käserei, also silofrei, produzieren. Er sieht sich als Bauer und Unternehmer und schätzt an der Meister-Ausbildung, dass er sich viel mit Zahlen befasst.
Seine Klassenkollegen haben zum grössten Teil eine innerfamiliäre Hofübernahme in Aussicht. Gut rät, Augen und Ohren offen zu halten. Von Inseraten hält er weniger: «Diese Höfe gehen an die Meistbietenden.» Er wäre bereit gewesen, seine Heimatregion für einen passenden Hof zu verlassen – dass er in der Region bleiben kann, nennt er einen Glücksfall.
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Wäre es nicht einfacher gewesen, den geregelten Job bei Hochdorfer Technik zu behalten statt sich ins Abenteuer Hofübernahme zu stürzen? Gut überlegt etwas: «Bauern ist mein Kindheitstraum.» Für Ferien hatte er 2018 keine Zeit. Doch der junge Landwirt hat neben Hof, Ausbildung und Wohnungsbau noch genügend Energie, um seinen Freundeskreis zu pflegen und die «Luzerner Rinder Nightshow» am 23. März 2019 in Grosswangen mit zu organisieren.
Der Einstieg sei wegen einigen Notschlachtungen sicher nicht einfach gewesen. «Aber solche Entscheidungen gehören halt zum Bauernleben.»
Betriebsspiegel «Vorder Ludige»
Othmar Gut jun. und senior, Römerswil LU
LN: 17,5 ha und 2,3 ha Wald
Zone: Tal- und Hügelzone
Betriebsart: ÖLN
Kulturen: Gerste, Korn, Mais
Tierbestand: 22 Milchkühe, 4 Aufzucht-Kälber
Arbeitskräfte: Kollegen bei Arbeitsspitzen, z. T. Vater Othmar Gut sen.
Die Hofübergabe bewusst angehen
Hunderte Bauernfamilien stehen jedes Jahr vor einem Generationenwechsel. Wer kein Nachfolge innerhalb der Familie hat, muss sich auf einen langen Prozess einlassen und existenzielle Fragen klären. Dazu gehören etwa: Wollen wir den Hof verpachten oder verkaufen? Wo wohnen wir in Zukunft?
Wer einen Hof sucht, muss dies oft jahrelang tun. Denn die Nachfrage übersteigt das Angebot. Zu Adressen kommen junge Landwirtinnen und Landwirte zum einen über Mund- zu-Mund-Propaganda und das persönliche Netzwerk. Manche Betriebe sind in Inseraten ausgeschrieben. Die beiden Vermittlungsstellen sind eine diskrete Möglichkeit, einen Betrieb anzubieten oder sich für einen Hof zu interessieren.
In einer übersichtlichen Broschüre sind die wichtigsten Aspekte und Ansprechpersonen zusammengefasst: www.dgrn.ch/broschuere_ hofnachfolge