Petra Sieghart, wenn Sie Lernende auswählen müssten:
Worauf würden Sie achten?
Petra Sieghart: Wichtig finde ich, dass die Lernenden wirklich begeistert sind von Landwirtschaft und von dem, was sie tun.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die in der aktuellen Ausbildung «LandwirtIn mit eidgenössischem Fachzeugnis» vermittelt werden?
Die wichtigsten Kenntnisse sind nach wie vor die Arbeiten rund um die landwirtschaftliche Produktion: säen und pflanzen, pflegen und ernten von Nutzpflanzen. Halten, züchten und füttern von Nutztieren sowie der Umgang mit modernen Maschinen.
Dazu kommen die ökologischen Zusammenhänge sowie die agrarpolitischen, betriebswirtschaftlichen und verkaufsorientierten Aspekte. In der Grundausbildung zeigt sich bereits, wie breit das Tätigkeitsfeld des Berufs «Landwirt» ist.
Ist es immer noch sinnvoll, dass ein Lehrling seine Ausbildung auf verschiedenen Betrieben macht? Wieso?
Ja, unbedingt. So bekommen die Lernenden die Möglichkeit, verschiedene Betriebe, Konzepte, Landesteile, Fachrichtungen, Ideen und auch Sprachen kennenzulernen. Diese Erfahrungen sind sehr wertvoll.
Ist ein junger Landwirt mit EFZ fähig, einen Betrieb zu führen?
Grundsätzlich ja. Aber die Ansprüche an die Kompetenzen haben in den letzten Jahren zugenommen.
Die landwirtschaftliche Praxis zu beherrschen, reicht nicht mehr. Heute muss man auch betriebswirtschaftlich oder in Bezug auf geeignete Märkte und die optimale Vermarktung der eigenen Produkte auf der Höhe sein.
Deshalb ist es sicher nicht falsch, wenn man die Berufs- oder gar die Meisterprüfung anhängt. Die Ausbildung ist modular, die Landwirtinnen und Landwirte eignen sich dabei hilfreiche Kompetenzen für eine erfolgreiche Betriebsführung an: Betriebswirtschaft inklusive strategischer Planung, Personalführung, Marketing und Verkauf.
Bevor sich jemand zur Prüfung anmelden kann, braucht es zusätzlich noch 24 Monate Arbeitspraxis mit EFZ.
Wie viele Landwirte führen einen Betrieb «nur» mit EFZ?
Das sind gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik von 2016 rund 45 Prozent.
Was sind die Empfehlungen des SBV in Sachen Aus- und Weiterbildung an einen jungen Landwirt, der einen Betrieb übernehmen will?
Im Bereich Ausbildung empfehlen wir das eidgenössische Fähigkeitszeugnis. Im Bereich Weiterbildung scheint uns die Berufsprüfung (Betriebsleiter) bis hin zur Meisterprüfung sinnvoll.
Die Weiterbildung richtet sich nach den individuellen und betrieblichen Bedürfnissen, aber grundsätzlich gilt: Es gibt in jedem Bereich immer wieder Neues.
Eine Erweiterung des Horizonts ist lebenslänglich sinnvoll und so kann man von Weiterbildungen eigentlich immer profitieren. Sei es im technischen, betriebswirtschaftlichen oder auch im persönlichen Bereich.
Welches sind die grössten Herausforderungen, vor denen
die Ausbildungs-Verantwortlichen der Branche in den nächsten
Jahren stehen?
Die Bildungsverantwortlichen müssen mit den Entwicklungen Schritt halten. Es gibt immer neue Erkenntnisse und neue Entwicklungen, die möglichst rasch in die Ausbildung einfliessen sollten.
Ich denke hier zum Beispiel an die ganze Digitalisierung, die zurzeit in der Landwirtschaft Einzug hält. Der Landwirt der Zukunft muss auch mit dieser neuen Technik zurechtkommen müssen und entsprechende Kompetenzen haben.
Bereits heute ist wichtig, dass Landwirte ein Verständnis für Betriebswirtschaft haben und die Märkte kennen. Der Druck auf die Produzentenpreise ist hoch. Nur wer seine Kosten und Absatzkanäle genau kennt, hat eine Chance den Betrieb auch wirtschaftlich optimal auszurichten.
Stehen Anpassung an den Anforderungen für Ausbildnerinnen und Ausbildner oder Lernende
im Raum?
Der Lehrplan für die Grundbildung EFZ wird eigentlich im Fünfjahresrhythmus überprüft.
Nun steht allerdings eine Totalrevision bevor: Im Jahr 2018 startete das Projekt «Berufsbildung 2030 Berufsfeld Landwirtschaft und deren Berufe».
Die Frage, wie die «Landwirtschaft 2030» ausgehend von der Landwirtschaft heute und unter Berücksichtigung der Entwicklungen im Umfeld, den Rahmenbedingungen und Megatrends aussieht, wird dazu sehr breit diskutiert.
Welche Megatrends gibt es dann? Und wie wirken sich diese auf
den Beruf «Landwirt» aus?
Der langfristige Trend spricht für die Landwirtschaft. Wir haben immer mehr Menschen, die mit beschränkten und tendenziell sinkenden Flächen ernährt werden wollen. Der Klimawandel erhöht zudem die Produktionsrisiken. Die Ernährungssicherheit bekommt in Zukunft eine ganz neue Bedeutung.
Dazu kommen die steigenden Bedürfnisse der Ersten Welt an Lebensmittel und ihre Produktion. Für unsere Landwirtschaft einerseits eine Riesenchance. Und gleichzeitig die enorme Herausforderung, allem gerecht zu werden.
Petra Sieghart
Seit 1. Mai 2019 leitet Petra Sieghart (53) den Bereich Agriprof, den Geschäftsbereich Bildung des SBV. Nach einer Ausbildung als Floristin hat sie einen Abschluss als Dipl. ing. Agronomie gemacht.
Petra Sieghart lebt in Schliern bei Köniz BE. In ihrer Freizeit fährt sie gerne Rennvelo oder macht Bergsport. Hätte sie einen Hof, würde sie gern Obst- oder Weinbau betreiben, für Bio wäre sie offen.