Kurz & bündig

- Domenik Ledergerber vertritt die SVP im Zürcher Kantonsrat. Im Herbst 2019 kandidiert er für den Nationalrat.
- Das politische Amt beansprucht pro Woche mindestens einen Tag.
- Der Landwirt und HAFL-Absolvent bewirtschaftet mit seinem Bruder Andrin in einer Betriebsleitergemeinschaft den Pacht-Betrieb «Schlattgut».
- Seit 2012 finden auf dem «Schlattgut» rund 100 Anlässe pro Jahr statt, meistens Hochzeiten oder Geburtstagsfeste.

    Du siehst etwas müde aus auf dem Foto», sagt Caroline Wyss, als sie ihrem Partner Domenik Ledergerber die druckfrischen Flyer für seine Nationalratskandidatur überreicht. Die beiden gucken den Stapel kurz an und dann geht es weiter auf dem Betriebs-Rundgang. Vom Milchvieh-Stall mit Laufhof zu den Schweinen, die im Herbst an der «Metzgete» gegessen werden, vorbei an der Event-Scheune und dem Hühnerstall raus zum Blumenfeld und dem Rosengarten.

    Vor dem Rosengarten steht ein Pavillon mit Blick auf den Zürichsee. «Am Freitag findet da eine Trauung statt», erklärt Domenik Ledergerber. Seit dem 1. Januar 2019 führt er den Betrieb «Schlattgut» mit seinem Bruder Andrin in einer Betriebsleiter-Gemeinschaft.

    Das «Schlattgut» ist ein Pachtbetrieb, schon die Grosseltern und Eltern von Domenik Ledergerber haben den Betrieb bewirtschaftet. Bis in die 1990-er Jahre lag der Betrieb direkt oberhalb des Dorfes. Aus Tierschutz-Gründen war ein Standortwechsel nötig. Dass die Verpächter in die neue Siedlung am Hang mit Seeblick investiert hätten, sei ein «Sechser im Lotto» gewesen, sagt Ledergerber.

    Domenik Ledergerber hat nach dem Bachelor-Abschluss an der HAFL in Zollikofen zuerst im Zürcher Oberland geholfen, die Marke «natürli» weiterzuentwickeln. «Doch dann wurde es mir im Büro zu eng», sagt er.

    So entstand 2012 zusammen mit seinem Bruder die Idee, den Betrieb gemeinsam zu führen. Da allein der Betriebszweig «Milch» nicht reichte, um zwei Parteien zu ernähren, entstand die Idee, auf dem Hof professionell Anlässe durchzuführen. Die Verpächter zeigten sich davon angetan und investierten ins Event-Lokal.

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    Der Young Farmer liefert Frühstückseier für die Hotels des «Living Circle«

    Neben dem «Schlattgut» gehören der Verpächter-Familie auch die traditionsreichen Hotels «Storchen» und «Widder» in der Stadt Zürich, ein Hotel und einen Betrieb im Tessin, der Reis anbaut, das Restaurant «Buech» in Herrliberg sowie ein Restaurant im Tessin. Die verschiedenen Betriebe sind unter der Marke «The Living Circle» zusammengefasst.

    [IMG 5]Ziel ist, dass die Landwirtschaftsbetriebe die Restaurants und Hotels mit Lebensmitteln beliefern. Deshalb tummeln sich seit Mai 2019 900 Legehennen in einem modernen Stall: «Ihre Eier verwenden die Hotels und Restaurants», erklärt Ledergerber.

    Die Kundschaft darf sich auch auf dem Hof ein Bild davon machen, wie die Tiere leben. Genau wie bei den vielen Anlässen, die Ledergerber und seine Partnerin jedes Jahr betreuen.

    Dabei weist Ledergerber stets darauf hin, dass kein Landwirt einen Stall nur für 900 Tiere bauen würde: «Das rechnet sich eigentlich überhaupt nicht.» Bei ihnen gehe es auf, weil sie nicht selber in den Stall investieren mussten und die Eier an die «The Living Circle»-Betriebe sowie eine Konditorei und im Hofladen direkt verkaufen könnten.

    Bei den Anlässen hilft die Familie mit: Mutter Dora Ledergerber bindet mit Geduld und geschultem Auge Sträusse für die Tischdeko, mit Blumen aus dem eigenen Garten. Domenik Ledergerber kocht, auch mal für 100 Personen. «Ich mache das gern, gelernt hab ich es von meiner Mutter», sagt er.

    Der Young Farmer versucht den Balanceakt zwischen Politik, Betrieb und Fussballverein

    Wie jongliert er den brummenden Betrieb, sein politisches Amt und sein Engagement im Fussballverein aneinander vorbei? «Eigentlich gar nicht», gibt er offen zu. Kantonsrat sei – seriös gemacht – ein 40-Prozent-Job. Dazu die Arbeit auf dem Betrieb, von Mai bis Oktober fast jedes Wochenende zwei bis drei Anlässe auf dem Hof, die teilweise bis spät in die Nacht dauern. «2019 ist enorm arbeitsintensiv», sagt er.

    Die Eltern von Domenik und Andrin Ledergerber sind ins Dorf gezogen, als sie den Betrieb übergeben haben. Bis sich alles gut eingespielt hat und die Zusammenarbeit klappt, brauche es sehr viel Ressourcen, sagt Domenik Ledergerber.

    Vater Peter Ledergerber sei zwar 100 Prozent bei seinen Söhnen angestellt, die Mutter helfe. Dennoch seien er, seine Partnerin und sein Bruder in diesem ersten Jahr als Betriebsleiter an den Rand ihrer Kräfte gekommen. Seit 1. September unterstützt eine Vollzeit-Angestellte nun das Team.

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    Geprägt von Vater, Grossvater und der «Bauerndemo»

    Die politische Karriere von Domenik Ledergerber ist eine klassische: Für Politik hat er sich seit Kindesbeinen interessiert.

    Ein prägendes Erlebnis war die «Bauerndemo» im Jahr 1996. Vater Peter Ledergerber fuhr nach Bern, um sich nach dem Ende der Milchkontingentierung für faire Preise einzusetzen. «Er kam mit Tränengas in den Augen zurück», erinnert sich Domenik Ledergerber. Die Veranstaltung mit 15 '000 Bauern war völlig aus dem Ruder gelaufen.

    Mit 18 trat Ledergerber in die örtliche SVP ein, rückte bald in den Vorstand und engagierte sich in der Dorfpolitik. «Die SVP vertritt meine Werte», sagt er.

    Dabei scheut er sich nicht, in gewissen Themen anderer Meinung zu sein und das auch zu vertreten. Beispielsweise bei der Kulturland-Initiative und dem Taxi-Gesetz des Kantons Zürich.

    Auf die Apfel-Wahlplakate der SVP werde er aktuell auch im Fussballverein angesprochen, von Leuten, die sonst gar nichts mit Politik am Hut hätten. «Ich sehe mich als Sachpolitiker, daher sind diese Plakate nicht mein Stil», sagt er.

    Erst ein Landwirt konnte den Young Farmer fürs Amt als Kantonsrat gewinnen

    Fürs Amt im Kantonsrat brauchte es einiges an Überredungskünsten: 2014 habe ihn der ehemalige Gemeindepräsident darauf angesprochen, Ledergerber lehnte ab: «Ich hatte Angst, Kunden zu verlieren, wenn ich mich zu sehr exponiere.» Auch die Argumente des Ex-Gemeindepräsidenten, er hätte für seine Autospenglerei mehr Kunden gewonnen als verloren, überzeugten Ledergerber nicht.

    Weich wurde er erst, als der Bezirkspräsident des Landwirtschaftsvereines vorstellig wurde: Es brauche junge Landwirte in der Politik. «Und wenn ich ja sage, dann richtig.» Domenik Ledergeber stieg in den Wahlkampf ein, war Samstag für Samstag an Ständen präsent, diskutierte mit möglichen Wählerinnen und Wählern. Und so überzeugt er, rutschte in den Wahlen von Platz 10 auf Platz 7 vor und überholte Politiker, die deutlich mehr Geld in den Wahlkampf investiert hatten. Im Oktober 2018 konnte er dann in den Kantonsrat nachrutschen, im Frühling 2019 wurde er wiedergewählt.

    Die Sitzungen im Kantonsrat sind stets am Montagmorgen, am Nachmittag trifft sich die Fraktion. Einmal pro Monat findet eine Doppelsitzung bis 17.30 Uhr statt. Ledergerber ist in der Kommission Planung und Bau, die sich alle 14 Tage am Dienstagnachmittag trifft.

    Ledergerber geht Kompromisse ein, um politisch Akzente zu setzen

    «Zu Beginn war es sogar wöchentlich», sagt Ledergerber. Dazu kommt die Vorbereitung. «Ich muss Kompromisse eingehen», sagt er. «Deshalb bereite ich mich vor allem auf die Geschäfte in der Kommission und die Landwirtschafts-Themen eingehend vor.»

    So könne er Akzente setzen, ohne sein Amt oder den Betrieb zu vernachlässigen. Sein Grossvater sei zwar stolz auf ihn, habe ihm aber bei der Vereidigung als Kantonsrat auch offen gesagt, dass der Betrieb wohl unter dem politischen Engagement leiden werde.

    Mit seinem Engagement will Ledergerber einen Beitrag leisten

    Dass er sich dennoch politisch so stark engagiert und nun auch für den Nationalrat kandidiert, sieht er als seine Pflicht an, als seinen persönlichen Beitrag zur Gesellschaft. «Mir ist es wichtig, dass es allen gut geht und ich unsere Zukunft mitgestalten kann.»

    Dabei hat er vor allem die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative vor Augen. «Werden die beiden Initiativen angenommen, ist das ein Signal, dass die Bevölkerung uns Landwirten nicht vertraut und einheimische Produkte nicht mehr gefragt sind.»

    Ob er dann die Konsequenzen zieht und aufhört? «Ich würde es mir zumindest überlegen», sagt er. «Ich lebe davon, Lebensmittel zu produzieren», sagt er. Auch wenn er aktuell stark Gastgeber sei, sehe er seine Zukunft in der produzierenden Landwirtschaft.

    Er und sein Bruder sind zum Beispiel im Kontakt mit einem nahen Milchverarbeiter: Die Verpächter möchten Milchprodukte von den eigenen Landwirtschaftsbetrieben, die Brüder prüfen daher eine Zusammenarbeit. Die Idee ist, aus der Milch hofeigenen Joghurt, Butter und eventuell Frischkäse herzustellen, statt die Milch an Emmi zu liefern.

    Ledergerber will für die Landwirtschaft kämpfen und sieht daher die Initiativen nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Riesenchance: «Wir können und wollen zeigen, was wir machen und wofür wir stehen.»

    Die Art, wie er und sein Bruder das «Schlattgut» bewirtschaften, sei ein Glücksfall: «Die Leute kommen zu uns und interessieren sich für unseren Betrieb.» Vielleicht würden dadurch auch Menschen, die nicht an Landwirtschaft interessiert seien, aufmerksamer.

    Das Marketing betreut Ledergerbers Partnerin

    Verbunden seien all die Anlässe und die Vermarktung von hofeigenen Produkten aber mit enorm viel Marketing. Diesen Teil übernimmt Caroline Wyss. Ledergerbers Partnerin kommt aus der Marketing-Branche und betreibt zum Beispiel den Instagram-Kanal mit knapp 700 Abonnenten. «Sie macht das gern und gut», freut sich Ledergerber.

    Wyss hat im August 2019 am Strickhof die Bäuerinnen-Schule begonnen. «Ich finde das sinnvoll, weil ich meine Zukunft mit Domenik auf dem Schlattgut sehe», sagt sie.

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    Anständiger Umgang statt gegenseitiges Blossstellen

    Die Nationalrats-Kandidatur ihres Partners unterstützt sie: «Obwohl es ein dickes Fell braucht, manche Sprüche sind wirklich unangenehm», sagt sie. Die Vorurteile treffen sie, denn sie beschreibt ihren Partner als «sachlich, Domenik ist kein Polteri.»

    Domenik Ledergerber versucht auf seine Weise, andere für Politik zu begeistern: «Ich rede viel mit jungen Landwirten und motiviere sie, abzustimmen oder zu wählen. Dabei müssen sie nicht gleicher Meinung sein – aber ich halte es einfach für wichtig, mitzubestimmen.»

    So sieht er auch positive Aspekte und berechtigte Anliegen in der «Klimastreik»-Bewegung. «Schade finde ich die extremen Forderungen, das ist wohl eine Zeiterscheinung.»

    Auch die SVP fällt mit extremen Meinungen auf: Domenik Ledergerber ist überzeugt, dass mit anständigem Umgang mit politischen Gegnern mehr zu erreichen sei, als wenn man sich gegenseitig blossstelle.

    Nachdenklich sagt er, dass es in der Schweiz ja allen Menschen sehr gut gehe: «Der Wohlstand wird als selbstverständlich wahrgenommen und hat uns bequem gemacht.» Dadurch gehe – nicht nur in der Politik, sondern in jedem Bereich der Freiwilligenarbeit – das Engagement zurück.

    Er schätze es, wenn ihm sein 90-jähriger Grossvater ab und zu daran erinnere, dass es nicht selbstverständlich sei, dass in den Geschäften die Regale voll seien.

    Sein Amt als Kantonsrat trägt mit rund 20 000 Franken pro Jahr durchaus etwas zum Einkommen bei. Die Angestellte können er und sein Bruder sich aber dank des Erfolgs der Anlässe leisten. Und so sehr ihn diese in Anspruch nehmen: Aufs Fussballtraining verzichtet er selten. Zwei bis vier Mal pro Woche steht er für den FC Herrliberg auf dem Platz und spielt in der 3. Liga Fussball. «Das ist meine Zeit, das tut dem Kopf sehr gut.»

    Seine Freundin grinst ein bisschen, als er kurz darauf beim Blick über die Schultern das Gesicht verzieht. «Wohl was verrenkt», sagt sie.

    Der Young Farmer plant Auszeiten fix ein, um die Partnerschaft zu entlasten

    Dennoch unterstützt Caroline Wyss das Hobby ihres Partners. Die beiden wollen 2020 heiraten und bemühen sich, Auszeiten fix einzuplanen. «Dieses Jahr waren wir eine Woche zusammen im Wallis – das war extrem wichtig», sagt Domenik Ledergerber. Denn die viele Arbeit belaste natürlich eine Partnerschaft.

    All die Anlässe bräuchten Energie, dazu der Hofladen und die Zukunftspläne mit der Molkerei und die Nationalratskandidatur: Langweilig wird es auf dem «Schlattgut» nicht.

    Ledergerber sieht seine Kandidatur für den Nationalrat realistisch: «Ich bin weit hinten auf der Liste, das wird wohl nichts.» Aber in acht bis zwölf Jahren kann er sich durchaus vorstellen, in Bern zu politisieren.

    Wie dann das Leben auf dem «Schlattgut» organisiert ist, wird sich weisen.

    Betriebsspiegel «Schlattgut»

    Domenik und Andrin Ledergerber, Herrliberg ZH

    LN: 36 ha
    Produktionsform:ÖLN
    Kulturen: Weizen, Mais, Kunstwiese, Erdbeeren
    Tierbestand: 35 Milchkühe, 900 Legehennen, 60 Stück Jungvieh, 3 Schweine für die «Metzgete», 3 Esel, Hofhund Maiko
    Betriebszweige: Direktvermarktung mit Hofladen, Glacéproduktion, Events
    Arbeitskräfte: Betriebsleiter Domenik und Andrin Ledergerber, Caroline Wyss (28), Dora und Peter Ledergerber, eine Angestellte, Aushilfskräfte an den Events

    www.schlattgut.ch