Kurz & bündig
- Überbelegung allein kann Kühe krank machen.
- Faktorenerkrankungen wie Mortellaro oder Euterentzündungen mit Umweltkeimen werden durch Überbelegung negativ beeinflusst.
- Die Wasserversorgung ist häufig ein kritischer Punkt.
- Den Stall im Einklang mit den Bedürfnissen der Kühe auszunutzen, steigert die wirtschaftliche Effizienz.

Ein Landwirt möchte mit Rindergesundheit Schweiz gerne ein Problem klären: Vor einigen Jahren sind auf seinem Betrieb plötzlich viele Kühe gestorben. Niemand wusste genau, warum. Auch die Milchleistung der Kühe ist gesunken und er musste die Herde aufstocken, um genügend zu verdienen.

In der Aufarbeitung der Herdebuchdaten konnte zwischen der Anzahl Kühe und dem Leistungsabfall ein Zusammenhang erkannt werden (siehe Grafik). Beim Besuch sind trotz Vorlage von genügend qualitativ hochwertigem Futter magere Kühe aufgefallen. Der Zugang zum Wassertrog war mit einem Brett stark eingeschränkt worden, weil sonst zu viele Kühe darin Kot absetzten. Der Platz in der Tiefstreu wurde zudem bei voller Belegung auch nach Tierschutznormen knapp.

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Überbelegung muss angegangen werden, da sie Tiere krank macht

Es ist möglich, dass die Überbelegung in diesem Fall als Folgeproblem entstanden ist, doch sie muss als Erstes angegangen werden. Wieso ist das so wichtig?

Viele wichtige Erkrankungen der Milchkühe sind sogenannte «Faktorenkrankheiten», wie z.B. Mortellaro oder Euterentzündungen mit Umweltkeimen (Str. uberis, E. coli, Klebsiellen usw.). Das bedeutet, diese Erkrankungen sind nicht nur von einem Erreger, sondern auch von der Umwelt der Kuh abhängig. Wir werden sie nie ganz loswerden, aber wir müssen versuchen, unsere Kühe so gut wie möglich davor zu schützen. Dafür setzen wir bei jeder Sanierung an drei zentralen Punkten an:

  • Erregerdruck minimieren
  • Abwehr maximieren
  • Übertragung verhindern

Eine erhöhte Tierdichte erschwert eine Verbesserung in allen drei Punkten. Mehr Tiere machen mehr Mist auf kleinerem Raum und erhöhen den Erregerdruck.

Überbelegung begünstigt Pansenübersäuerung...

Untersuchungen aus den USA konnten sogar zeigen, dass die Belegdichte einen grösseren Einfluss auf den pH-Wert im Pansen ausübt als die Partikellänge der Futtermittel. Je höher die Belegungsdichte, desto länger bleibt der pH-Wert im Pansen unter dem Schwellenwert von 5,8 (subklinische Azidose). [IMG 3]

Ist gleichzeitig das Futter knapp, so wird das Problem noch verschärft. Die Verdauung kann also beeinträchtigt werden, was zu dünnerem Mist führt, welcher sich wiederum einfacher verbreitet und den Erregerdruck zusätzlich erhöht.

... und bedeutet Stress

Wir alle kennen die ohnmächtige Wut, die einen befallen kann, wenn man dringend zu einem Termin sollte, doch im Stau steht. Der Fahrer, der sich nicht so viel traut, hat dabei im Stadtverkehr noch viel mehr das Nachsehen. Etwa so muss sich eine rangniedere Kuh fühlen, die in einem überbelegten Laufstall gerne zum Futter möchte. Überbelegung bedeutet also Stress und das hat einen negativen Effekt auf die Abwehr.

Gerade Hochleistungskühe sollten im Idealfall nie tatenlos rumstehen. Die Belastung der Klauen ist beim Stehen am grössten. Diese Kühe stehen meist nur, weil sie gerade weder fressen noch liegen können.

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Besonders hervorzuheben ist zudem die Wasserversorgung. Bereits in ideal belegten Ställen werden die optimalen Bedingungen von 10 cm Troglänge/Kuh im Laufstall und mindestens 15 l/min Wasserfluss bei Tränkebecken im Anbindestall selten erreicht.

Wasser muss gut erreichbar zur Verfügung stehen

Eine Milchkuh mit einer Tagesleistung von 27 kg muss bei 28 Grad Aussentemperatur über 100 Liter Wasser aufnehmen. Eine Kuh mit einer höheren Leistung braucht selbst bei 5 Grad noch 122 Liter Wasser am Tag. Kühe trinken mit einem Zug von 10–25 l/min und besuchen im Schnitt bis zu neun Mal am Tag eine Tränke.

Die Tierschutzvorschriften in diesem Bereich sind sehr vage. Bei Besuchen in Betrieben mit Zellzahlproblemen konnten mehrere Betriebe ihren Tieren nur durchschnittlich 2 cm Troglänge/Tier anbieten. Gerade in Ställen, die nicht neu entworfen wurden, sondern langsam gewachsen sind, kann das Wasserangebot zum Problem werden. Mangelt es zusätzlich noch an der Wasserqualität, so wird die Situation prekär. Wasser als das günstigste Futtermittel darf bei immer mehr Hitzetagen pro Jahr keinesfalls vernachlässigt werden.

[IMG 5] Stehen, fressen und liegen die Tiere näher zusammen, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein krankes Tier zu weiteren kranken Tieren führt. Gerade auch Keime, die an die Tiere angepasst sind und nicht in der Umwelt überleben, wie zum Beispiel Erreger von Lungenentzündungen, können so leichter übertragen werden. Auch ohne zusätzliche Erreger kann ein Tier in einem überbelegten Stall chronisch krank aussehen, zum Beispiel weil der Pansen nicht gesund ist und es zu wenig getrunken hat. Dicker Mist kann ein Hinweis auf zu geringe Wasseraufnahme sein.

Diese Fragen helfen,Überbelegung zu erkennen

Deshalb ist es so wichtig, die Überbelegung als erschwerender Faktor auszuschalten, bevor weitere kostspielige Analysen gemacht werden.

Ist mein Stall überbelegt? Diese Fragen können helfen:

  • Hat jede Kuh genügend Platz, um zu fressen, liegen und trinken?
  • Gibt es viele Kühe, die längere Zeit einfach nur stehen? Dies kann jedoch auch ein Hinweis auf einen schlechten Liegekomfort sein.
  • Kann ich die Arbeit noch so bewältigen, dass es mir und meinen Tieren gut geht?
  • Vollkostenrechnung: Tierarztkosten, Entwicklung der Leistung, Arbeitszeit – Würde ich mit weniger Tieren sogar mehr verdienen? Wie war die Entwicklung in den letzten Jahren?

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