Kurz & bündig
- Brachyspiren sind Bakterien, welche die Schleimhaut des Dickdarms angreifen.
- In der Folge kommt es bei den Schweinen zu breiigem, unverdautem, teils blutigem Durchfall.
- Als Sofortmassnahme hilft ein Antibiotikum, vom Tierarzt verschrieben.
- Langfristig und auch vorbeugend ist unter anderem wichtig, die Schadnager im Stall unter Kontrolle zu haben.
Auf einem Mastbetrieb mit 500 Mastplätzen trat fünf bis zehn Tage nach dem Einstallen bei einzelnen Tieren Durchfall auf. Die Kotkonsistenz war breiig-wässerig, teils mit unverdautem Futter. Die Futteraufnahme war leicht reduziert.
Der Betriebsleiter ging davon aus, dass dies auf die Futterumstellung zurückzuführen sei und passte die Futterkurve an. Daraufhin verbesserte sich die Situation vorübergehend. Zwei Wochen später trat erneut Durchfall auf. Dieses Mal waren fast alle Mastschweine betroffen.
Der Kot war dünnflüssig bis breiig, unverdaut, zum Teil mit Schleimbeimengungen. Die betroffenen Mastschweine waren zwischen 30 und 60 kg schwer und zeigten nun Fressunlust. Daher wurde der Tierarzt des Schweinegesundheitsdienstes SGD gerufen.
In den Kotproben wurden Brachyspiren gefunden
Bei dem Betrieb handelt es sich um einen Maststall mit Auslaufhaltung. Es werden 40 Tiere pro Bucht gehalten. Der Stall wird kontinuierlich mit Mastjagern von einem Züchter bestossen. Die Liegefläche ist abgedeckt. Der Betonboden ist isoliert. Die Tränken befinden sich im Stall, sowie im Auslauf. Die Fütterung im Trog ist im Auslauf installiert.
Schadnager werden nicht bekämpft. Mäuse waren beim Betriebsrundgang vorhanden. Laut Betriebsleiter hat er auch schon Ratten gesehen. Der Auslauf ist nicht doppelt umzäunt. Hin und wieder wurden schon Wildschweine in der Nähe bemerkt. Es sind keine betriebseigenen Stiefel und Kleidung für Besucher vorhanden.
Um Spekulationen vorzubeugen, wurden Kotproben von 10 betroffenen Mastschweinen zur Durchfallabklärung genommen. Diese wurden im Labor auf Brachyspira hyodysenteriae(B.hyo), Brachyspira pilosicoli (B.pilosicoli) und Lawsonia intracellularis untersucht. In allen Kotproben wurden B.pilosicoli gefunden.
Brachyspiren sind bewegliche anaerobe Bakterien: Sobald Sauerstoff an die Bakterien gelangt, sterben diese ab. Deshalb ist der Schweinedarm beziehungsweise die Gülle ein perfektes Millieu für diese Bakterien: Dort gibt es keinen Sauerstoff und genügend Nährstoffe zum Überleben. Schadnager stellen auch ein Reservoir für Brachyspiren dar. Zudem sind Brachyspiren relativ resistent in organischem Material.
Brachyspiren gelangen über infizierten Kot zum nächsten Schwein
Kommt das Schwein über Kot von infizierten Schweinen mit Brachyspiren in Kontakt, gelangen die Erreger über die Speiseröhre in den Magendarmtrakt. Die Aufnahme von mit Brachyspiren infiziertem Kot bedeutet aber nicht gleich, dass Tiere auch erkranken und klinische Symptome entwickeln. Ob ein Tier krank wird, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Erregermenge: Das Schwein muss eine ausreichende Menge an Erregern aufnehmen.
- Stress beim Umstallen, Futterwechsel, Transport, Überbelegung oder bei Klimamängel kann sich negativ auswirken. Es kann zum Ausbruch der Spirochäten-Diarrhoe kommen (siehe Kasten).
- Darmflora: Die Zusammensetzung der vorhandenen Darmflora beeinflusst die Situation ebenfalls.
- Immunstatus: Tiere mit schlechtem Immunstatus entwickeln eher Symptome.
Bakterien greifen die Schleimhaut im Dickdarm an
Bricht die Krankheit aus, haben die Bakterien den Dickdarm geschädigt. Die Brachyspiren liegen in den Vertiefungen der Dickdarmschleimhaut. So können B.pilosicoli in die Dickdarmzellen eindringen. Dies führt zu einer milden Entzündung mit Verlust von Dickdarmzellen. Die Folge ist breiig-flüssiger, unverdauter Kot, da die Aufnahme der Nährstoffe im Darm aufgrund der Entzündung gestört ist. Dies erklärt auch die reduzierte Nahrungsaufnahme.
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B.hyo hingegen dringen in die Dickdarmzellen ein und führen zu einer übermässigen Schleimproduktion und bilden Giftstoffe. Dadurch werden die Dickdarmzellen zerstört und es kommt zu unverdautem, blutig-schleimigem Durchfall. Die Nährstoffaufnahme ist in diesem Bereich des Darmes nur reduziert bis gar nicht möglich, wodurch man sich das ver-zögerte Wachstum erklären kann.
Schadnager bekämpfen, Vögel und Wildschweine fernhalten
Als Sofortmassnahme sollten stark erkrankte Tiere mit einem vom Tierarzt ausgewählten Antibiotikum behandelt werden. Stressoren (Klimamängel, Futterwechsel usw.) sollen möglichst vermieden und Hygienemassnahmen verstärkt werden.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Durchführung einer konsequenten Schadnagerbekämpfung. Schadnager stellen ein grosses Reservoir für Brachyspiren dar. B.pilosicoli wurden ebenfalls bei Hunden, Geflügel und Wildvögeln als Durchfallerreger nachgewiesen. Hunde und Hühner sollten deshalb nicht in den Schweinestall gelangen.
Ebenfalls sollte der Vogeleinflug vermieden werden. Dies ist nicht immer einfach umzusetzen. Netze oder die Ansiedlung eines Raubvogel (Falke, Schleiereule, usw.) können den Einflug reduzieren.
Wildschweine können den Erreger ebenfalls übertragen, deshalb (und auch als Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest!) sollte ein Betrieb mit Auslauf gegen direkten Wildschweinkontakt durch eine doppelte Umzäunung geschützt sein.
Betriebseigene Kleidung erhöht die Biosicherheit
Ausserdem sollte der Betriebsleiter darauf Wert legen, dass Besucher betriebseigene Kleidung und vor allem betriebseigene Stiefel tragen. Beim Verladen der Tiere sollte der Chauffeur nur bis zur Rampe und, wenn nötig, nur mit betriebseigenen Kleidern und Stiefeln in den Stall gehen.
Betriebe mit einem positiven B.hyo-Nachweis erhalten den SGD-Status B.hyo und müssen eine Sanierung mit Alzogur durchführen. Bei einem positiven B.pilosicoli-Nachweis kommt es zu keiner Status-Mutation, da die Sanierungsmassnahmen nicht erfolgversprechend sind. Der Erregerdruck kann durch den Einsatz von Alzogur zwar reduziert werden. Allerdings sollten die oben genannten Massnahmen immer gleichzeitig durchgeführt werden.
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Den Erregerdruck erfolgreich gesenkt
Wie ging es nun auf diesem Betrieb weiter? Der Betriebsleiter hat die Biosicherheitsmassnahmen intensiviert. Zuerst wurde die kontinuierliche Schadnagerbekämpfung umgesetzt. Dazu wurde eine professionelle Schädlingsbekämpfungsfirma beauftragt.
Ausserdem wurde der Auslauf umzäunt, so dass kein Wildschweinkontakt stattfinden kann. Des weiteren wurden betriebseigene Kleidung und vor allem Stiefel für Besucher angeschafft.
Durch diese Massnahmen konnte der Erregerdruck bereits gesenkt werden. Um diesen weiterhin zu senken, hat sich der Betriebsleiter für eine Desinfektion der Gülle mit Alzogur entschieden.
Es wurde keine Sanierung im eigentlichen Sinne durchgeführt, sondern jeweils die Spaltenböden der leeren Buchten mit Alzogur desinfiziert. Damit keine Tiere mit Alzogur in Kontakt kamen, war immer eine Bucht zwischen der zu desinfizierenden und einer belegten Bucht leer.
Als Beschäftigungsmaterial wird zusätzlich zum Stroh noch Heu oder Emd eingesetzt, um die Darmflora positiv zu beeinflussen. Der Betriebsleiter konnte auf seinem Betrieb mit diesen Massnahmen die Symptome deutlich reduzieren und die Masttageszunahmen stimmen wieder.