Kurz & bündig
- Die Trächtigkeitsrate ist eine Kennzahl zur aktuellen Beurteilung der Fruchtbarkeit und sollte mindestens 20 % betragen.
- Sie repräsentiert den Anteil von besamungsfähigen Tieren nach der freiwilligen Wartezeit, die in einem Brunstzyklus (21 Tage) tatsächlich tragend geworden sind.
- Nur eine gesehene und genutzte Brunst kann zu einer Trächtigkeit führen.
- Die verbesserte Brunstnutzung bietet enormes Potenzial, den Anteil tragender Kühe im Betrieb zu erhöhen.
Die Fruchtbarkeit auf einem konstant hohen Niveau zu halten, ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg in Milch- und Mutterkuh-Betrieben. Hierzu gehört, die Kühe in einem betriebsindividuell festgelegten Zeitrahmen wieder tragend zu bekommen. Dass dies nicht immer gelingt, zeigen die hohen Abgangsraten wegen Fruchtbarkeitsproblemen.
Im Familienbetrieb von Thomas S. werden 124 Braunviehkühe gehalten. Die Milchleistung ist durch die Anschaffung eines Futtermischwagens im letzten Jahr von 9000 auf 10'000 kg angestiegen. Leider ist die Fruchtbarkeit nicht optimal. Der Landwirt beschreibt, dass nur ein Teil seiner Kühe deutliche Brunstsymptome zeigen.
Die im Zuchtverband berechnete durchschnittliche Serviceperiode liegt bei 125 Tagen und die Zwischenkalbezeit bei 410 Tagen. Die Konzeptionsrate dagegen beträgt 50 %, das heisst, dass zwei Besamungen für eine Trächtigkeit notwendig sind.
Gängige Kennzahlen haben auch Nachteile
Diese gängigen Kennzahlen wie Zwischenkalbezeit, Serviceperiode und Konzeptionsrate beziehen sich immer auf Kühe, bei denen eine positive Trächtigkeitsuntersuchung vorliegt. Anders lassen sie sich nicht berechnen. Daraus ergeben sich folgende Nachteile: Alle Kühe, die keine Brunst zeigen oder deren Brunsten übersehen wurden, gehen nicht in die Berechnung ein. Weiterhin finden Kühe, die nicht tragend werden und allenfalls abgehen, in diesen Kennzahlen ebenfalls keine Berücksichtigung.
Anders ausgedrückt: Man kommt zu guten Konzeptionsraten, wenn nur diejenigen Kühe besamt werden, welche deutliche Brunstsymptome zeigen. Das kann jedoch nicht das Ziel sein.
Bei Landwirt S. werden die Kühe frühestens 60 Tage nach der letzten Abkalbung besamt (freiwillige Wartezeit). Er erwartet für die kommenden drei Wochen etwa 10 Tiere, die stierig werden sollten. Leider zeigen nur vier Kühe deutliche Brunstsymptome, wovon zwei tragend werden. Ein Belegungserfolg von 50 % kann sich sehen lassen. Jedoch liegt enormes Potenzial in der Intensivierung der Brunsterkennung, denn dadurch kann die Anzahl tragender Tiere pro Zeiteinheit erhöht werden.
«Pregnancy-Rate» berücksichtigt auch Brunsterkennung
Eine schon seit langem bestehende Kennzahl ist die «Pregnancy rate», zu Deutsch die Trächtigkeitsrate. Sie umfasst sowohl den Bereich der Brunsterkennung als auch den Konzeptionserfolg und beantwortet folgende Fragen:
- Werden die noch nicht belegten und die «nicht tragend» untersuchten Kühe stierig gesehen und besamt (Management-Faktor)?
- Werden die belegten Kühe tragend (tierindividuelle Faktoren)?
Die Trächtigkeitsrate sollte über 20 % liegen; in sehr guten Betrieben werden sogar Werte von über 30 % erreicht. Diese bislang in der Schweiz wenig gebräuchliche Kennzahl wird zunehmend durch die tierärztliche Herdenbetreuung erfasst und genutzt und ist Bestandteil von Computer-gestützten Herdenprogrammen (siehe untenstehende Grafik).
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Das Fenster zur Brunsterkennung: 40 Sekunden alle 21 Tage
Studienergebnisse belegen, dass hochleistende Kühe durchschnittlich nur noch etwa 7 Stunden stierig sind und der Duldungsreflex als sichtbares Signal für den richtigen Besamungszeitpunkt im Mittel nur noch etwa acht Mal gezeigt wird. Bei einer Aufsprungdauer von 5 Sekunden hat man folglich alle 21 Tage für 40 Sekunden die Chance, eine Kuh in Brunst zu sehen. Das Fenster für die Brunsterkennung ist somit sehr klein. So auch in unserem Beispielbetrieb. Von 10 in Frage kommenden Kühen werden in 21 Tagen nur vier erkannt und besamt.
Doch ist es nur die Brunsterkennung? Nein, natürlich sollten auch gesundheitliche Probleme bei den Kühen ausgeschlossen werden. Kühe mit Eierstock-Zysten oder sehr kleinen Eierstöcken haben keinen regelmässigen Zyklus. Hier gilt es eher bei der Fütterung anzusetzen. Werden aber überwiegend aktive Funktionsgebilde (Follikel/Eibläschen oder Gelbkörper) gefunden, handelt es sich um gesunde Kühe, die regelmässig stierig werden.
Bessere Brunsterkennung– aber wie?
Im Betrieb von Thomas S. werden bereits monatlich gynäkologische Untersuchungen durch den Bestandestierarzt durchgeführt. Nur vereinzelt zeigten sich in den ersten sechs Wochen nach der Kalbung kleine funktionslose Eierstöcke. Das bedeutet, dass die meisten Kühe normale Brunstzyklen haben, aber nicht als solche erkannt werden.
Insofern lag der Fokus auf einer Verbesserung der Brunsterkennung. Grundvoraussetzung ist eine optimale Umgebung, damit die Brunst auch gezeigt und damit gesehen werden kann. Die Gegebenheiten im Stall waren in unserem Beispielbetrieb optimal. Es hatte ausreichend Platz, der Boden war griffig und lahme Tiere eher die Ausnahme.
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Das Auge wird unterstützt durch die automatische Erkennung
Es gilt nach wie vor die allgemeine Empfehlung: Wer mehr stierige Kühe sehen will, muss sie häufiger und länger beobachten. Studien zeigen, dass drei Mal am Tag eine halbe Stunde Beobachtungsdauer, ausserhalb von Melk- und Fütterungszeiten, die Anzahl erkannter stieriger Kühe deutlich verbessern kann. Doch woher so viel Zeit nehmen?
In den meisten Betrieben mit hoher Arbeitsbelastung und knappen Arbeitskräfte-Ressourcen wird auf automatische Brunsterkennungssysteme gesetzt, deren Anschaffungskosten relativ hoch erscheinen. Doch lässt sich mit diesen technischen Erfassungsmethoden und der zusätzlichen Beobachtung eine Brunsterkennungsrate von fast 90 % realisieren.
Im Fall von Thomas S. konnte die Brunsterkennung und -nutzung nach Anschaffung von Halsband-Sensoren auf etwa 65 % gesteigert werden. Bei einer Konzeptionsrate von nach wie vor 50 % erreicht er damit eine Trächtigkeitsrate von 32 %, was ein sehr gutes Ergebnis ist.