Die Niederlande sind gleich gross wie die Schweiz. Das Land ist aber der zweitgrösste Agrarexporteur der Welt – gleich nach den 230 Mal grösseren USA. Die niederländischen Landwirte holen aus ihren Betrieben ein Maximum an Wertschöpfung heraus:

  • 1,6 Millionen Milchkühe auf 16'000 Milchvieh-Betrieben
  • 11 Millionen Schweine auf 3000 Schweinemast-Betrieben
  • 49 Millionen Masthühner

Die niederländischen Landwirte produzieren mit dem Festmist und dem Urin ihrer Milchkühe, Schweine und Masthühner aber auch ein Maximum an Emissionen: Den Luftschadstoff Ammoniak NH3 sowie die Treibhausgase Methan CH4 und Lachgas N2O.

Es ist also kein Zufall, dass sich ausgerechnet der niederländische Robotik-Hersteller Lely nach technischen Lösungen umschaute, wie man bei gleichbleibender Betriebsgrösse die Emissionen senken kann.

Lely entwickelt optimierte Stallböden und Entmistungs-Roboter

Gezeichnetes Porträt von Jürg Vollmer vor einem Lely Sphere-System.Jürg VollmerEditorialAls ob görpsende Kühe die «Klimakiller» und unser grösstes Problem wären – Editorial von Jürg VollmerMittwoch, 26. April 2023 Lely musste dabei nicht bei Null anfangen. Neben den bekannten Melk-Robotern produziert Lely seit 2005 den Discovery Stallreiniger und seit 2017 den Discovery Collector. Beide Entmistungs-Roboter reinigen den Stallboden, der Collector saugt zusätzlich Kot und Urin auf.

Wenn der Collector den Kot und Urin aber «nur» in eine Grube entleert, wird auch das Emissions-Problem nur verschoben. Die Lely-Ingenieure überlegten sich, wie man deren Emissionen reduzieren und gleichzeitig den wertvollen Hofdünger nutzen kann.

So funktioniert das Lely Sphere Hofdünger-Verarbeitungssystem

Lely Sphere ist ein Hofdünger-Verarbeitungssystem im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Festmist und Urin werden dabei getrennt und in drei Düngertypen umgewandelt:

  • Mineralischen Stickstoff von Mineraldünger-Qualität im Waschwasser des Lely Sphere Moduls
  • Phosphat und organischen Stickstoff im Festanteil (Kot)
  • Kalium im flüssigen Anteil in der Grube (Urin)

Dabei werden Spaltenböden mit den Separationsstreifen aus rostfreiem Stahl nachgerüstet. Der Urin fliesst durch die Löcher im Separationsstreifen in die Urin-Grube, der Kot bleibt auf dem Boden.

Das Lely Sphere Modul saugt die Gase vom Urin durch Unterdruck vom Stallboden weg

Ausserhalb des Stalles ist das Lely Sphere Modul installiert. Dieses erzeugt einen Unterdruck und entzieht die Gase, die unter und direkt über dem Stallboden entstehen.

Durch den Unterdruck und die Separationsstreifen im Boden wirkt das System wie eine umgekehrte Dunstabzugshaube. In der heutigen Zeit nicht unwichtig: Es benötigt relativ wenig Lüftungsleistung im Vergleich zu anderen Lösungen mit Luftwäschern.

Dies ist der erste Schritt zur Emissions-Reduktion. Denn das Ammoniak entsteht kurz nach dem Wasserlassen der Kuh. Dieser natürliche Prozess wird von im Kot vorhandenen Enzyme ausgelöst.

Der Entmistungs-Roboter Lely Discovery Collector sammelt die dickflüssige Gülle aus Kot und Einstreumaterial

In einem zweiten Schritt wird der Kot und das Einstreumaterial auf dem Boden vom Entmistungs-Roboter Lely Discovery Collector nicht weggeschoben, sondern – der Name «Collector» sagt es – gesammelt und in eine Abwurfgrube gefahren, in welcher Unterdruck herrscht.

Der Collector sorgt nicht nur für einen saubereren Boden, sondern auch dafür, dass die Klauen der Kühe sauberer bleiben.

Die dickflüssige Gülle aus Kot und Einstreumaterial wird in der Abwurfgrube separat vom Urin gelagert, was zusätzliche Möglichkeiten für die optimale Nutzung der verschiedenen Mineralstoff-Ströme bietet.

«Das Rühren der Gülle ist auch möglich, die Gülle ist aber sehr dickflüssig. Es bietet sich hier eine Separierung an, damit neben Gülle auch Festmist auf die Felder ausgebracht werden kann», erklärt Curdin Giger, Leiter Marketing und Kommunikation im Lely Center Härkingen. Der höhere Gehalt an Trockensubstanz TS macht das Separieren kostengünstiger.

Lely Sphere macht aus Ammoniak wertvollen Dünger

In der Urin-Grube erzeugt Lely Sphere einen Unterdruck, in dem die angesaugte Luft und die Faulgase des Urins getrennt werden.

Die «Unterdruck-Luft« kann nur durch einen Filter entweichen. Dabei entzieht ihr das Lely Sphere N-Capture (Capture = engl. für festhalten oder einfangen, N = Stickstoff) mit einer mit Salpetersäure oder Schwefelsäure angesäuerten Lösung den Stickstoff. Daraus wiederum wird ein Stickstoff-Flüssig-Dünger erzeugt.

Der Stickstoff-Flüssig-Dünger (Ammonium-Nitrat oder Ammonium-Sulfat, je nach verwendeter Prozess-Säure) wird in einem speziellen Düngemittel-Silo gelagert. Dieser Dünger aus dem Lely Sphere kann wiederum auf die Felder ausgebracht werden.

Bei einem normalen Spaltenboden entstehen pro Grossvieheinheit GVE jährlich 13 kg Stickstoffverluste in Form von Ammoniak. Mit einer Rest-Emission von 3 kg beträgt die Emissionsminderung 77 Prozent. Gleichzeitig produziert das System bis 20 kg Stickstoff pro Tier und Jahr. Damit hält der Lely Sphere die strenge niederländische «Regeling ammoniak en veehouderij» RAV ein (Ammoniak- und Tierhaltungs-Vorschrift).

Heraus kommen Harngülle, Mist und die Waschlösung

Giger erwartet eine höhere Nährstoffeffizienz, da jeder Betrieb die einzelnen Dünger nach dem Bedarf seiner Kultur zusammenstellen kann und die Waschlösung entweder Schwefelsäure- oder Stickstoffsäure-basiert sein kann.

Im Idealfall nutzt der Betrieb zum Beispiel:

  • Harngülle im Grünland(schnell verfügbarerwasserlöslicher Stickstoff, Kalium)
  • Mist im Ackerbau(weniger schnell verfügbarerorganisch gebundener Stickstoff, Phosphor)
  • Waschlösung im Grünland oder Getreide(Stickstoff-Flüssigdünger)

So kann die Gabe gezielt auf den Bedarf der Pflanze angepasst werden und der Landwirt spart Geld beim Dünger-Einkauf. Denn Ammoniak-Emissionen, die gebunden und im Kreislaufverfahren zu Stickstoff-Dünger umgewandelt werden, müssen nicht durch zugekaufte Düngemittel ausgeglichen werden.

Mit der Emissions-Reduktion wird auch das Stallklima verbessert

Die Trennung von Kot und Urin sowie das Absaugen von Gär-Gasen aus den beiden Gruben erhöht auch die Sicherheit, da diese schädlichen Gase sich nicht mehr in den Gruben ansammeln und in den Stallbereich strömen.

Dadurch wird auch die Luft im Stall frischer. Die natürliche Belüftung im Stall wird aufrechterhalten, die Kühe können frei in den Stall und wieder hinaus gehen. Neben der Wertschöpfung aus dem Mist hält die Lely Sphere also auch das Stallklima gesund und sicher für Menschen und Tiere.

In den Niederlanden sind derzeit schon 27 dieser Systeme im Einsatz. Weitere laufen in Deutschland und Dänemark, später auch in der Schweiz.

Transparenz-Hinweis

«die grüne» besuchte die Präsentation des Lely Sphere in den Niederlanden im Rahmen einer Pressereise des Netzwerks europäischer Agrarjournalisten ENAJ. Die Reisekosten (mit dem Nachtzug) und die Hotelkosten trägt unsere Redaktion, die Verpflegung wurden vom Veranstalter bezahlt.

 

NL-Landwirtschaft mit ungewisser Zukunft

2022 exportierten die Niederlande Agrar-Produkte im Wert von 85 Mrd Euro (zum Vergleich: die 230 Mal grössere USA «nur» 126 Mrd Euro).

Der Agrarsektor macht 1,6 % des BIP aus und beschäftigt 2 % der aktiven Bevölkerung.

Fast 60 % der Agrar-Produkte werden exportiert. Am meisten Kartoffeln, Obst, Tomaten und Gemüse, gefolgt von lebenden Tieren und Fleisch, Blumen, Milchprodukten und Eiern.

Die niederländische Landwirtschaft wird geprägt von Monokulturen mit massivem Düngemittel-Einsatz und Intensiv-Tierhaltung (unter anderem in 16 000 Milchvieh-Betrieben und 3000 Schweinemast-Betrieben) –was schwerwiegende Folgen für die Umwelt hat.

Aktuell setzt die niederländische Regierung eine restriktive Stickstoff-Politik um, die eine massive Reduktion des Viehbestandes zur Folge hätte und damit für die Viehhalter eine existenzielle Bedrohung ist.