kurz & bündig
- Der Geschäftsbereich Food Recycling der Landi Sursee LU verwertet seit 1994 Lebensmittel.
- Das sind jährlich 7500 Tonnen Schoggi, Bonbons, Guetzli, Brot usw. aus der Lebensmittelindustrie.
- Daraus entstehen hochwertige Futtermittel für die Nutztierfütterung.
- Das meistproduzierte Futtermittel Pic-Mix kaufen vor allem Mischfutterwerke.
- Landwirt Marcel Niffeler fütterte früher Bananen, heute setzt er Pic-Mix standardmässig in seiner TMR ein.
Es duftet unverkennbar süss. Wie in einer typischen Raufutter Trocknungsanlage riecht es hier definitiv nicht. Denn hier werden Schokolade, Bonbons, Guetzli, Biscuits, Stärke und einige weitere Rohstoffe zum Einzelfuttermittel Pic-Mix verarbeitet. Das ist weit mehr als nur eine Kalorienbombe.
Michael Helfenstein zerreibt einen Würfel davon und es riecht es herrlich schokoladig. «Bis zu einem Viertel ist da Schokolade drin – die Tiere lieben das heiss», sagt er und lacht. Helfenstein ist der Hauptverantwortliche für das Food Recycling-Konzept der Landi Sursee LU. Produziert wird in der Trocknungs-Anlage in Oberkirch, im Nachbardorf von Sursee.
Der Handel und die Verarbeitung von Lebensmittel für die Tierernährung ist heute ein wichtiges Standbein der Trocknungs-Anlage Oberkirch. Das war nicht immer so. Noch vor 30 Jahren wurde an diesem Standort ausschliesslich Gras und Mais getrocknet.
Mit zunehmender Verbreitung der Gras-Silage in den 1980er- und 1990er-Jahren gerieten viele Trocknungs-Anlagen unter Druck – auch jene in Oberkirch. Maschinen, Infrastruktur und vor allem das 13-köpfige Team mussten auch ausserhalb der zweimonatigen Mais-Trocknungszeit ausgelastet werden. «Für nur zwei Monate im Jahr findet man keine spezialisierten Anlageführer», betont Helfenstein, «und diese sind für einen solchen Betrieb essenziell.»
Das ganzjährige Geschäft mit heute jährlich 7500 Tonnen Lebensmitteln wurde so zu einer wichtigen Ergänzung zur Mais-Trocknung und Verarbeitung im Herbst. Mit jährlich 6500 Tonnen Mais gehört die Trocknungs-Anlage Oberkirch zu den grössten Maiswürfel-Händler in der Schweiz.
Das Food Recycling-Konzept der Landi Sursee war visionär
1994 wurden die ersten Rohstoffe angeliefert. Es war viel Pioniergeist vorhanden, denn man startete damals bei Null. Bereits 1997 ehrte die zentralschweizerische Handelskammer die Landi Sursee mit einem Innovationspreis. Das Projekt «Recycling von Lebensmitteln» besteche durch unternehmerischen Mut, ökologisches Verständnis und energetische Resultate.
Eine superteure Hightech-Maschine, um die Lebensmittel zu verarbeiten sucht man auf dem Gelände der Raufutter-Trocknerei aber vergebens. Das Food Recycling-Konzept der Landi Sursee ist damals Schritt für Schritt in die bestehenden Gebäude hineingewachsen.
Heute ist die Landi Sursee schweizweit führend im Weiterverarbeiten von trockenen Lebensmittel-Nebenprodukten zu Futter. Ihre Lebensmittel-Lieferanten sind fünfzig der schweizweit grössten, zum Teil international agierenden Lebensmittelfirmen. Sie liefern qualitativ einwandfreie Lebensmittel, die aus verschiedenen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, an die Trocknungs-Anlage.
Das können Backwaren sein, welche die Backstufe nicht ganz erfüllen, Produktionsausschüsse sowie Reinigungs- und Auslauf-Chargen. Die Landi Sursee verpflichtet sich im Gegenzug zu einer fachgerechten Weiterverarbeitung zu hochwertiger Tiernahrung.
Berge von Lebensmitteln –ein ungewohnter Anblick
«Wenn ein grosser Lebensmittel-Betrieb jährlich 1,5 Prozent Ausschuss hat, kann das schnell mehrere Tonnen ausmachen», erklärt Michael Helfenstein. Jährlich werden so 7500 Tonnen Lebensmittel angeliefert. «Vorwiegend trockene Lebensmittel», erklärt Helfenstein, «damit sind wir beim Zeitpunkt der Weiterverarbeitung flexibler.»
Und das ist wichtig, denn die Lebensmittel werden kurzfristig, also am Vortag, für eine Lieferung am nächsten Tag angemeldet. «Wir holen die Ware meistens selbst ab», sagt Helfenstein. «Die Bedingung ist, dass die LKWs gefüllt werden».
Aus Lebensmitteln wird das hochwertige Futtermittel Pic-Mix
Gerade fährt so ein LKW vor. Er ist bis unter das Dach mit Biscuits gefüllt. In einem Rutsch kippt der Chauffeur diese auf den Vorplatz, wo sie sogleich von einem Radlader in die «Entpackungs-Maschine» gefüllt werden. Die Biscuits sind tatsächlich verpackt. Was ungewohnt aussieht, ist für das Team von Food Recycling in Oberkirch Alltag.
«Der Aufwand ist gross, wenn verpackte Lebensmittel angeliefert werden», sagt Helfenstein. Bei der Biscuit-Lieferung bezahlt deshalb der Lieferant für die Weiterverarbeitung. Die Alternative wäre eine Entsorgung in der Verbrennung, dafür müssten die Firmen auch bezahlen.
«Andere Lebensmittel holen wir unverpackt in Tausch-PVC-Balloxen ab – häufig Schokolade», sagt Helfenstein. Im Gegensatz zu den verpackten Biscuits zahlt die Landi Sursee für Energieträger wie diese.
Jeweils vier Tonnen Mischung werden aufs Mal in einem sehr leistungsfähigen Futtermischwagen gemischt und anschliessend zu Würfeln gepresst. Das Resultat ist ein hochwertiger Energielieferant namens Pic-Mix.
Je nachdem, welche Rohstoffe angeliefert werden, wird die Mischung für Pic-Mix neu berechnet. Dazu sind die Inhaltsstoffe jedes Rohstoffes und Lieferanten in einer Datenbank hinterlegt. Die UFA Laboratorien analysieren dazu Neuzugänge. «Die Gehalte von Pic-Mix müssen bei jeder Mischung identisch sein», erklärt Helfenstein. «Wir garantieren, dass wir immer liefern können und die die Qualität immer konstant hoch ist – das hat oberste Priorität.»
Pic-Mix ist das Vorzeigeprodukt des Food Recycling-Konzeptes. 16 Mischfutterwerke kaufen 80 Prozent der gesamten Pic-Mix-Produktion aus Sursee für Ihre Futtermittel.
- Im Mastfutter der Schweinemast macht Pic-Mix einen Anteil von 7 bis 10 Prozent
aus. - Im Mastfutter der Schweinezucht kommt Pic-Mix auf einen Anteil von rund 4 Prozent.
«Wer als Landwirt Pic-Mix selbst in eine Totale Mischration TMR mischt, sollte eine detaillierte Fütterungsempfehlung erstellen lassen», rät Helfenstein.
«Meine Kühe waren wie Affen – sie liebten Bananen»
Einer, der Pic-Mix standardmässig in seiner TMR einsetzt, ist Landwirt Marcel Niffeler. Die Hauptkomponenten – Mais- und Gras-Silage – lässt Niffeler einmal pro Jahr auf die Inhaltsstoffe analysieren und die TMR neu rechnen.
Niffeler ist zufrieden: «Nach einem Sommer wie 2018 haben wir dieses Jahr ausserordentlich hohe Gehalte. Aktuell melken wir 36 kg Milch pro Kuh und Tag». Je nach Gehalt der Mais- und Gras-Silage werden die anderen Komponenten (Emd, Soja, Maisprotein, Pic-Mix und Harnstoff) angepasst.
2019 mischt Niffeler 1,5 kg TS Pic-Mix pro Kuh und Tag ein. Das macht in einer Ration von 22 kg TS pro Kuh und Tag einen Anteil von 7 Prozent Pic-Mix in der Ration aus.
Mit Food Recycling hat er bereits einige Erfahrungen gemacht: «Wir fütterten vor einigen Jahren zeitweise Bananen», erzählt Niffeler, «die Kühe stürzten sich wie Affen darauf, es blieb nie eine Schale übrig.» Da es aber immer wieder Zeiten gab, in denen es keine überschüssigen Bananen gab, gestaltete sich eine optimale Fütterung extrem schwierig.
In seiner Mischung passt die Verfügbarkeit von Pic-Mix sehr gut zu den Proteinen (Soja, Harnstoff, Maisprotein). Vorher hatte Niffeler nichts Vergleichbares. Weiter schätzt er, dass die Kühe die Pic-Mix Würfel nicht aus der Mischung herauslesen können. Und natürlich, dass er mit dem Einsatz von nicht verwendeten Lebensmitteln, auch noch was Sinnvolles tut.
Betriebsspiegel des Betriebs Niffeler
Priska und Marcel Niffeler, in Grosswangen LU (Milchvieh) und Mauensee LU (Kälbermast)
- LN: 78 ha
- Produktionsform: ÖLN
- Betriebszweige: Milchproduktion, Schweinemast, Kälbermast (CNF)
- Durchschnittliche Milchleistung: 9300 kg
- Tierbestand: 140 Milchkühe, eigene Aufzucht, Tränker, 600 Mastschweineplätze
- Kulturen: 35 ha Grünland, 22 ha Silomais, 14 ha Futterweizen für Mastschweine, 7 ha Ganzpflanzen-Silage für Galtkühe
- Arbeitskräfte: Betriebsleiter Marcel Niffeler, Lukas Amrein, zwei weitere Angestellte und ein Lernender
Recycelte Lebensmittel werden statt Abfall zum Futtermittel
Gemäss Michael Helfenstein braucht es zum Teil Aufklärung. «Dann verstehen unsere Kunden –Mischfutterwerke wie auch Landwirte – dass recycelte Produkte eine optimale Ergänzung in der Ration sein können». Und sie sind dann auch bereit, etwas Neues auszuprobieren. «Aber solche, die sagen, recycelte Lebensmittel sei nur Abfall, gibt es natürlich immer», sagt Helfenstein und zuckt mit den Achseln.
Der Slogan des Food Recycling-Konzepts lautet «Teller, Trog, Tank». Lebensmittel, die nicht auf dem Teller landen, sollen im Futter-Trog eine sinnvolle Verwertung finden. Und Produkte aus der Lebensmittel-Industrie, welche auch für die Tierernährung nicht mehr geeignet sind, sollen in der Biogas-Anlage entsorgt werden. Im Tank also, dem Fermenter der Biogasanlage.
Und was kommt in Zukunft? Die Produkte von Food Recycling decken vor allem den energiereichen Bereich ab. «Ein proteinhaltiges Futtermittel könnte ich mir gut vorstellen», sagt Helfenstein. «Oder ein Futtermittel für den Geflügel-Sektor».
Der Pioniergeist aus den Anfangszeiten scheint auch nach 30 Jahren vorhanden zu sein. «Wir sind stolz, schon so lange in einem Bereich tätig zu sein, der immer mehr zum Thema wird», sagt Helfenstein. «Wir übernehmen eine Art Vorreiterrolle für eine ökologisch, aber auch wirtschaftlich sinnvolle Sache.»