Kurz & bündig

- Der Verdauungsapparat eines Tränkers ist in den ersten Lebenswochen noch nicht in der Lage, grössere Mengen pflanzliches Protein und pflanzliche Energie zu verarbeiten.
- Kälberrationen mit zu viel Protein und Energie und gleichzeitig zu wenig Struktur führen zu massiven Verdauungsstörungen wie Blähungen, Durchfall und Kolik.
- Blutiger Durchfall bei Tränkern kann nicht nur durch Kokzidien ausgelöst werden, sondern auch durch die Fütterung verursacht werden.

Der Kälbergesundheitsdienst wird auf einen Munimast-Betrieb gerufen, weil viele Tiere der letzten vier eingestallten Gruppen an Durchfall erkrankten. Es wurden jeweils 20 Tränker pro Gruppe aufgestallt. Der Durchfall trat regelmässig etwa vier Wochen nach dem Einstallen auf, war oft stark ausgeprägt und teilweise sogar blutig. Rund die Hälfte der Tiere war jeweils betroffen. In jeder Gruppe gab es zudem ein bis zwei Tiere, die beim Kotabsatz auffällig aufgekrümmt standen und stark pressten (Tenesmus), was in Extremfällen bis zum Ausstülpen des Mastdarms führte.

Trotz intensiver Behandlung teilweise mit Infusionen und chirurgischer Versorgung durch den Tierarzt kam es zu Abgängen und vermehrt zu Kümmerern.

Da der Tierarzt in Kotproben vereinzelt Kokzidien nachweisen konnte, wurden zwei Gruppen prophylaktisch am 18. Tag nach Einstallen mit Medikamenten spezifisch gegen Kokzidien – sogenannte Kokzidiostatika – behandelt.

Der Erfolg war jedoch nicht überzeugend: Nach vier Wochen zeigte wiederum knapp die Hälfte der Tiere teilweise blutigen Durchfall und Kotdrang.

Während des Bestandsbesuches zeigt sich folgendes Bild: Die Hälfte der Kälber sieht gesund aus, ist aufmerksam, der Pansen erscheint gut gefüllt, und die Tiere zeigen keinerlei Anzeichen von Krankheit.

Einige Tiere sind etwas schmaler, wirken matt und zeigen deutliche Spuren von dunklem, flüssigem Kot an den Hinterbeinen.

Zwei Tiere sind bei reduziertem Allgemeinzustand, mager, struppig und teilnahmslos. Es fallen ein hochgradiger Kotdrang und ein rot-verschmiertes Hinterteil auf.

Auf Spurensuche im Tränkerstall: Wer frisst was?

Der Stall ist grosszügig dimensioniert, das Stallklima gut, die Tiere stehen auf viel trockenem, sauberem Stroh und haben einen befestigten Auslauf.

Hochwertiges Milchpulver (ohne pflanzliche Proteine) wird am Tränkeautomat mit Einzeltiererkennung in einer Konzentration von 130 g pro Liter Wasser verabreicht. Die maximale Milchmenge liegt bei sieben Liter pro Tag beziehungsweise zwei Liter pro Abruf.

Frisches Wasser steht in einem Schwimmerbecken immer zur Verfügung. Gefüttert werden die Tiere mit gut strukturiertem Heu und Kälbermüesli (Heu, Kälberflocken, Melasse). Wühlerde und Leckstein sind ebenfalls vorhanden.

Bei der Einstallung wurden die Tiere vom Tierarzt untersucht, mit Eisen und Selen versorgt sowie in die Nase gegen Rindergrippe geimpft.

Die Resultate der Kotuntersuchungen waren nicht schlüssig (nur teilweise Kokzidien nachweisbar, sonst keine Befunde) und die Prophylaxe mit Kokzidiostatika war erfolglos.

Warum erkranken dennoch viele Kälber an blutigem Durchfall?

Da die Behandlung gegen Kokzidien erfolglos blieb, musste eine andere Ursache entscheidend sein. Bei genauerer Betrachtung des Kälbermüeslis fiel auf, dass die Mischung sehr energie- und proteinreich war. Sie bestand aus gehäckseltem Heu gemischt mit Melasse und Kälberflocken (Mais- und Getreideflocken sowie Eiweisskonzentrat).

Die verwendeten Kälberflocken enthielten pro Kilo Trockensubstanz über 190 g Rohprotein, 150 g APDN und 8.0 MJ NEV. Das Müesli wurde zur freien Verfügung angeboten und sehr gut gefressen.

Auf Nachfrage bestätigte der Landwirt, dass er Kälbermüesli zur freien Aufnahme verfütterte, dies entspricht bis zu 4 kg Kälbermüsli pro Tier und Tag. Bei dieser Fütterung wird die von der Fütterungsberatung empfohlene Menge an Rohprotein deutlich überschritten.

Kälber fressen (zu) früh grosse Mengen an Rohprotein

Tatsächlich zeigt sich im Beratungsalltag auf Grossviehmastbetrieben immer wieder, dass die Kälber häufig sehr früh grosse Mengen an Rohprotein in der Ration haben, was sich dann negativ auf die Verdauung der Tiere auswirkt. Die Tiere zeigen ein reduziertes Allgemeinbefinden, gelegentlich Kolik und Blähungen, häufig jedoch Durchfall in unterschiedlichem Ausmass, teilweise sogar blutig.

Das Kalb und seine Entwicklung zum Wiederkäuer

Was wissenschaftlich noch nicht schlüssig belegt ist, jedoch durchaus verständlich scheint: Grosse Mengen an pflanzlichem Protein und pflanzlicher Energie können vom Verdauungstrakt der Kälber noch nicht verarbeitet werden, da sie sich erst allmählich zum Wiederkäuer entwickeln.

Ein Kalb in der Mutterkuhhaltung würde in diesem Alter in erster Linie tierisches Protein aus der Kuhmilch aufnehmen und das Fressen von Gras (Naturwiese) langsam, aber stetig erhöhen.

Der hohe Proteinanteil in den heute verfütterten Kälbermüesli – häufig noch in Verbindung mit viel Energie und wenig Struktur –, ist für die Entwicklung des Vormagensystems hinderlich und kann zu ernsthaften Problemen führen. Da die Müeslimischungen mit Melasse sehr schmackhaft sind und gerne gefressen werden, ist die Gefahr einer Überversorgung entsprechend gross.

Die Kälber-Mägen verändern und vergrössern sich

Während der Labmagen bei Lebensbeginn eines Kalbes für die Verdauung von Milch entscheidend ist, sind die drei Vormägen (Pansen, Netzmagen und Blättermagen) für die Verdauung von pflanzlichen Stoffen wichtig: Einerseits vergrössert sich mit zunehmendem Alter deren Volumen und andererseits entwickeln sich die inneren Strukturen (z. B. Pansenzotten).

Es lohnt sich, diesen Prozess zu unterstützen! Wenn das Verhältnis von tierischen und pflanzlichen Futter-Inhaltsstoffen sowie von flüssiger und fester Nahrung der Entwicklung des Kalbes angepasst wird, sind Magen-Darm-Störungen zu vermeiden. Aus gesundheitlicher und wirtschaftlicher Sicht hat es sich bewährt, die Kälber «erst» mit einem Körpergewicht von mehr als 100 kg abzutränken.

Wie ging es weiter auf dem Betrieb?

Der Landwirt reduzierte daraufhin die Menge des täglich angebotenen Kälbermüeslis und setzte nun Kälberflocken mit einem geringeren Gehalt an Rohprotein ein. Der Erfolg dieser Massnahmen war sofort erkennbar: Bei den darauf folgenden Gruppen traten kaum mehr Fälle von Durchfall auf, die Tageszunahmen liegen nun bei 900 g in den ersten 100 Tagen und bei 1500 g bis zur Schlachtung mit 450 bis 480 kg.