Kurz & bündig
- Die Kälber vermehrt selber auzumästen, kann den aktuellen Herausforderungen des Tränkermarkts entgegenwirken, löst aber nicht alle Probleme.
- Die Chancen liegen bei einer oftmals besseren Kälbergesundheit und bei der Unabhängigkeit von den Tränkerpreisen.
- Herausforderungen sind der Platzbedarf, die Vermarktungsmöglichkeiten und die Einhaltung der Düngerbilanz.
Knappe Mastplätze und rückläufige Tränkerpreise – das sind aktuelle Herausforderungen auf dem Schweizer Kälbermarkt. Die Gründe dafür: das Angebot und die Nachfrage der Tränkekälber sowie die rückläufige Nachfrage nach Kalbfleisch. Dies war aber nicht immer so. «Die Preise sind aktuell rückläufig, waren aber in der Vergangenheit auch schon tiefer als jetzt», betont Andrea Wiedmer vom SKMV.
Grundsätzlich hat die Zahl der bäuerlichen Kälbermäster abgenommen. Einer der Gründe ist die Spezialisierung der Betriebe. «Grosse Milchviehbetriebe haben in der Regel nicht die Ressourcen, um noch Mastkälber zu halten», sagt Wiedmer. Hinsichtlich der aktuellen Lage könnte es sich für gewisse Betriebe aber wieder lohnen, die eigenen Kälber auf dem Betrieb zu behalten und selber zu mästen. Bei Landwirt Philipp Zweifel aus Anwil BL ist die Milchviehhaltung ein wichtiger Betriebszweig. Auf dem Flühackerhof werden die Tränkekälber nicht verkauft, sondern selber gemästet. «Pro Jahr werden etwa 10 Kälber für die Aufzucht genutzt. 40 bis 45 Kälber werden ausgemästet», so Zweifel.
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Bessere Tiergesundheit und geringerer Antibiotikaeinsatz
Der Gesundheitsaspekt ist ein wichtiges Argument, weshalb es sich lohnen kann, die Kälber auf dem Geburtsbetrieb zu behalten. Die Tiere bleiben auch während dem «Immunloch» in einer gewohnten Umgebung und werden nicht auf einen anderen Betrieb transportiert. So sind sie weniger gestresst und weniger Infektionsrisiken ausgesetzt.
«Ein gesundes Tier ist leistungsfähig und schlussendlich auch wirtschaftlich», ergänzt Andrea Wiedmer. Auf dem Flühackerhof werden die Kälber zuerst einzeln im Iglu gehalten. In einem Alter von rund drei Wochen werden die Tiere dann in eine Gruppe mit anderen Mastkälbern integriert. «Die Kälber kommen erst in die Gruppe, wenn sie fit sind und gut Milch trinken», betont Philipp Zweifel.
Was die Gesundheit angeht, so gibt es in der Regel wenig Probleme. In den letzten beiden Wintern gab es einige Fälle von Lungenentzündungen in der Gruppe. «Bei Offenställen ist der Durchzug häufig ein Problem. Seitdem ich Streifenvorhänge montiert habe, sind die Kälber besser geschützt», erklärt der Landwirt. Seine Kälber behandelt Landwirt Zweifel nur punktuell mit Antibiotika.
Futterkosten und Düngerbilanz im Auge behalten
Ob es sich lohnt, die Kälber selber zu mästen, ist oftmals je nach Region durch die verschiedenen Milchpreise unterschiedlich. «Jeder Betrieb muss individuell eine Rechnung machen, ob das für ihn aufgeht. Wenn der Milchpreis sehr gut ist, ist es nicht unbedingt interessant, mit dieser Milch noch Kälber zu mästen», so Andrea Wiedmer.
Im Iglu werden die Kälber auf dem Flühackerhof ad libitum getränkt. In der Gruppe wird die Milchmenge von anfangs 10 kg kontinuierlich bis Ende der Mast auf 16 bis 17 kg gesteigert. Mithilfe des Tränkeautomaten, der die Tiere über den Transponder im Halsband identifiziert, kann die Milchmenge für jedes Kalb individuell angepasst werden. Über den Tag werden die Kälber mit Vollmilch getränkt. Ist diese aufgebraucht, wechselt der Tränkeautomat zu Milchpulver.
Es ist ein bedeutender Teil an Milch, der die Anforderungen des Handels nicht erfüllt. «Für mich ist das ein relevanter Grund, dass ich diese Mastkälber überhaupt halte. Milch von frischlaktierenden Kühen und Milch von Kühen mit Zellzahlproblemen kann so über die Mast verwertet werden», sagt Philipp Zweifel.
Ein weiterer Punkt, den LandwirtInnen beachten müssen, ist die Düngerbilanz. «Je nach Betriebszweige und deren Intensität ist gar keine Kapazität für die Mastkälber vorhanden», erklärt Wiedmer.
Genügend Platz für tiergerechten Stall sollte gegeben sein
«Häufig ist der fehlende Platz mit ein Grund, dass Betriebe ihre Tränkekälber nicht behalten möchten», sagt Andrea Wiedmer. Bestehende, nicht mehr genutzte Gebäude können hierbei gut umfunktioniert werden. Trotzdem sollte ein möglichst tierkonformer Stall zur Verfügung gestellt werden. «Werden die Kälber in einer finsteren Ecke im hintersten Teil vom Stall in Kombination mit einem schlechten Klima gehalten, ist der Vorteil der besseren Gesundheit auch nicht mehr gegeben», betont Wiedmer.
Landwirt Philipp Zweifel gibt seine Aufzuchtkälber extern auf einen dafür spezialisierten Betrieb. «Wenn ich die Aufzucht auch noch hier auf dem Betrieb halten würde, ginge es platztechnisch nicht mehr auf», so Zweifel.
Dabei ist aber zu beachten, dass die Aufzucht schon vor dem Stallneubau extern gegeben wurde und von Anfang an nur für die Mastkälber geplant wurde. Der Stall für die Mastkälber wurde im Jahr 2001 zusammen mit dem Stallneubau für die Milchkühe geplant und gebaut. Die beiden Einraum-Gruppenboxen mit Tiefstroh sind einfach zu misten und generell wenig arbeitsintensiv.
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Jedoch gibt es einige Aspekte, die der Landwirt in Zukunft ändern möchte. «Nach mehr als 20 Jahren ist der Stall generell baufällig geworden. Damals wurde vieles in Eigenregie und mit viel Holz gebaut, was jetzt langsam abgenutzt ist», fasst Zweifel zusammen. Im Mistbereich sollen neu Sockelmauern betoniert werden. Der ganze Liegebereich soll so hygienischer werden, zudem können sich Insekten weniger gut einnisten.
Weiter möchte der Landwirt in Zukunft wieder zwei Gruppen mit kleineren und grösseren Kälbern machen. «Die kleineren Kälber hätten so mehr Ruhe und wären beim Wechsel in die Gruppe weniger gestresst. Zudem würde sich auch das Handling vereinfachen», erklärt Zweifel.
Möglichkeit zur Vermarktung muss sichergestellt sein
Philipp Zweifel kann seine Mastkälber an eine regionale Metzgerei im Nachbardorf liefern. Neben kurzen Transportwegen gibt es weitere Vorteile. «Weil wir nicht den Detailhandel, sondern eine regionale Metzgerei beliefern, ist das Schlachtgewicht und das Alter der Kälber nicht so relevant. Die umliegenden Metzgereien bevorzugen sogar tendenziell schwerere Kälber», sagt Philipp Zweifel.
Geschlachtet werden die Kälber im Alter von 160 bis 180 Tagen bei einem Schlachtgewicht von 140 bis 170 kg. Zweifel bekommt für seine Mastkälber aktuell gut 18 Franken pro kg Schlachtgewicht. Für ein 140 bis 150 kg schweres Kalb bezahlt ihm die Metzgerei momentan 2500 bis 2700 Franken.
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Zudem werden auf dem Flühackerhof jährlich gut sieben Kälber direktvermarktet. Bei einer Schlachtausbeute von zum Beispiel 95 kg und einem Preis von 34 Franken pro kg ergibt das 3230 Franken pro Kalb. Hinzu kommen aber noch Abzüge für die Verarbeitung und das Verpacken in der Metzgerei sowie der eigene Arbeitsaufwand. «So ist der Gewinn am Ende nicht wirklich grösser», sagt Philipp Zweifel.
Er versucht, die Abkalbungen so zu steuern, dass ein Grossteil der Mastkälber vor Weihnachten schlachtreif ist, wenn die Preise und die Nachfrage bei der Metzgerei hoch sind. «Die Geburten sollten vom Betrieb wenn möglich so gesteuert werden, dass die Kälber zum nachgefragten Zeitpunkt vermarktet werden können», bestätigt Andrea Wiedmer.
Die Kälber für die Direktvermarktung auf dem Flühackerhof werden möglichst auf den Frühling und Sommer hin verkauft. Zu diesem Zeitpunkt ist die Nachfrage bei der Metzgerei tiefer, weswegen Zweifel für seine Mastkälber dann im Schnitt 14 Franken pro kg Schlachtgewicht erhält.
«Das ist genau das saisonale Problem, welches wir haben. Die Nachfrage ist im Frühling tiefer als im Herbst», ergänzt Wiedmer. «Zu diesem Zeitpunkt erziele ich mit der Direktvermarktung den höheren Gewinn», betont Zweifel. So können die Tiere über das Jahr hinweg jeweils über den optimalen Kanal vermarktet werden.
Lösungsansätze für den Schweizer Tränkermarkt
Die Kälber auf dem Geburtsbetrieb zu behalten und auszumästen, ist sicher ein Teil der Lösung. «Jeder Tränker, der platziert werden kann, trägt zur Lösung bei», so Andrea Wiedmer. Dennoch würde aufgrund der Abkalbungen im Winter das Problem des Überangebots zur falschen Zeit bestehen.
Ein weiterer Lösungsansatz könnte zum Beispiel das Pilotprojekt «Sommerochse» darstellen. Die Idee dahinter ist, dass überschüssige Tränker im Rahmen einer eher extensiven Mast gemästet und das Fleisch im Sommer verkauft werden könnte. «Im Sommer werden nämlich grosse Mengen an Kuhfleisch importiert», betont Wiedmer. Letztlich ist es ein Zusammenspiel von mehreren Lösungen, die erarbeitet werden müssen, um die heutigen Herausforderungen des Tränkermarkts zu bewältigen.
Betriebsspiegel Flühackerhof
Philipp und Denise Zweifel, Anwil BL
LN: 25 ha
Kulturen: Naturwiese, Kunstwiese, Silomais, Weizen (Fruchtfolgegemeinschaft mit anderem Betrieb)
Tierbestand: 54 Milchkühe (SF, RH), Mastkälber (40 bis 45 pro Jahr), 7 Pferde, 1 Pony
Weitere Betriebszweige: Pensionspferde, Direktvermarktung
Arbeitskräfte: Philipp und Denise Zweifel, Hannes und Sabine Gysin (Eltern von Denise), 1 Lehrling