Herr Gazzarin, diskutieren wir in der Landwirtschaft zu viel über Maschinen?
Christian Gazzarin: Nein. Zumindest nicht, wenn es um die Kosten der Maschinen geht. Da wird gerne verdrängt. Wir von Agroscope sind dann etwas die Spielverderber. Die Maschinenkosten, insbesondere die Fixkosten lassen sich auch gerne verdrängen. Einmal gekauft, ist das Geld weg und in wenigen Wochen oder Tagen ist das vergessen. Was noch sichtbar ist, sind Treibstoff oder Unterhalts- und Reparaturkosten. Jede Vollkostenanalyse zeigt aber, dass die Maschinenkosten zusammen mit Arbeit und Gebäude am stärksten zu den hohen Produktionskosten in der Schweiz beitragen.
Was kann man als Landwirt denn konkret tun, um die Maschinenkosten zu senken?
Der entscheidende Faktor ist die Auslastung der Maschine, weil der Fixkostenanteil jeweils sehr hoch ist. In der Schweiz haben wir eine relativ tiefe Auslastung, weil wir eine vergleichsweise klein strukturierte Landwirtschaft haben.
Gäbe es in diesem Bereich noch viel Potenzial?
Ich denke schon. In letzter Zeit wurden aber öfter Maschinen gemeinsam angeschafft, um die Fixkosten zu senken. Auch die Vergabe von Arbeiten an Lohnunternehmen hat eher zugenommen. Das allein reicht aber nicht: In der Folge muss auch der eigene Maschinenpark reduziert werden. Damit das geht, muss eine klare Aufgabenteilung definiert werden.
Wieso soll man eine Maschine nicht behalten, wenn sie schon abgeschrieben ist?
Jede Maschine, die man hat, verursacht Kosten. Service, Reparaturen, Standschäden, Versicherung, Strassenverkehrsgebühren, der Einstellplatz … Das wird oft ausgeblendet.
Am schlimmsten ist eine Doppelmechanisierung. Wenn beispielsweise fast alle Feldarbeiten an Lohnunternehmer ausgelagert werden, braucht es auch nur noch einen Traktor auf dem Betrieb. Mir ist aber klar, dass auch Emotionen eine Rolle spielen.
Weshalb wird das Potenzial für Kostensenkungen selten ausgeschöpft? Ist der Leidensdruck zu klein?
Der englische Wirtschaftshistoriker Northcote Parkinson sagte: «Expenditures rise to meet income.» Zu Deutsch: Egal, ob Erlöse steigen oder sinken, der Betrieb passt immer seine Ausgaben an, um das verfügbare Einkommen konstant zu halten. Das ist eigentlich menschlich, ein Angestellter gibt auch mehr Geld aus, wenn er mehr Lohn bekommt. Für Landwirte heisst das: Bei geringeren Erlösen oder eben höherem Leidensdruck werden Potenziale besser ausgeschöpft, sprich: Kosten gesenkt.
Oft hört man die Aussage: Lieber investieren als Steuern zahlen. Funktioniert das?
Nur Geld in Maschinen zu investieren, um Steuern zu sparen, macht wenig Sinn. Man muss immer noch sinnvoll investieren, nicht zuletzt wegen der Folgekosten der Maschinen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, das Geld zu investieren.
Was meinen Sie damit genau?
Es kann Sinn machen, weniger in den Betrieb und mehr in die Familie zu investieren, beispielsweise durch eine Renovation des Wohnhauses oder die Planung von Ferien.
Bei neuen Maschinen hat häufig in erster Linie der Betriebsleiter etwas davon. Die Familie profitiert nur insofern, als dass der Betriebsleiter zufriedener am Tisch sitzt (lacht).
Ist die Fruchtfolgegemeinschaft aus Orges VD für sie ein gutes Beispiel in dieser Hinsicht?
Ja. Diese Betriebe verfolgen das Ziel einer Einkommenserhöhung, um auch die Arbeitsbelastung zu reduzieren, sich Ferien leisten oder übrige Freizeitaktivitäten mit der Familie verwirklichen zu können. Für andere Betriebe gehört es aber auch zur Lebensqualität, mit der Maschinentechnik auf dem neuesten Stand zu sein. Das muss jeder für sich entscheiden.
Was sollte vor der Anschaffung einer neuen Maschine in jedem Fall geprüft werden?
Ich würde immer überlegen, ob eine gemeinsame Anschaffung der Maschine Sinn macht. Auch müssen Alternativen zum Kauf wie etwa das Zumieten der Maschine erwogen werden.
Dazu gehört natürlich auch, dass Konkurrenzofferten eingeholt werden. Dabei muss man die Technik gut vergleichen können, die Reparaturanfälligkeit ist da ein wichtiges Stichwort, aber auch der Wiederverkaufswert oder bei Traktoren der Dieselverbrauch.
Wenn niemand in der Region meine Wunschmaschine hat und ich diese brauche, muss ich sie aber selber kaufen.
Das ist je nach Region auch richtig. Wenn ich eine solche Maschine kaufen muss, kann ich mir aber überlegen, wie ich die Auslastung steigere: Biete ich meine Arbeit im Lohn an? Kann ich die Maschine weitervermieten? Wer könnte noch Interesse daran haben? Das sind wichtige Fragen, die man sich stellen muss. Erst rechnen, dann kaufen ist hier die Devise.
Sie sind der Verfasser des Agroscope-Maschinenberichtes. Wird dieser Bericht in der Praxis viel gebraucht?
Ja, es ist mit Abstand die meistgelesene Agroscope-Publikation. Die jährlichen Aktualisierungen geben nicht mehr so viel zu tun. Wir ergänzen den Bericht mit neuen Maschinen wie etwa dem Pickup-Bandschwader oder Kamera-gesteuerten Hackgeräten.
Viel mehr Arbeit gibt die Preis-Vollerhebung, die allerdings nur noch alle zwei bis vier Jahre stattfindet.
Wie wird der Bericht richtig angewandt?
Der Bericht darf nicht als Evangelium verstanden werden, denn wir können nicht jeder einzelnen Betriebssituation gerecht werden. Er gibt den Anwendern nur einen Richtwert, basierend auf einem möglichst typischen Maschineneinsatz auf einem typischen Betrieb.
Im konkreten Einzelfall gibt es aber immer Abweichungen. Wichtig ist, dass der Maschinenvermieter oder Lohnunternehmer seine individuellen Kosten kennt.
Gibt es dabei geeignete Hilfsinstrumente für die Kalkulation?
Agroscope hat beispielsweise das Tool «Tractoscope» entwickelt, das gratis zur Verfügung steht. Dort kann ein Landwirt oder Lohnunternehmer seine individuelle Situation abbilden und dann – auch unter Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage – einen Preis daraus berechnen.
Die Bauern müssen selber rechnen. Agroscope zeigt, was durchschnittliche Kosten der Maschine sind. Je nach Region können die Tarife entsprechend stark schwanken.
Die verrechneten Tarife von Lohnunternehmern stimmen häufig nicht mit jenen aus dem Bericht überein.
Das ist der Grund für einige Anrufe, die wir jährlich bekommen. Es kommt dabei immer auf die Situation an. In unseren Tarifen sind etwa Rüst- und Wegzeiten nicht in den Kosten eingerechnet. Und es gilt, wie gesagt, Angebot und Nachfrage in der jeweiligen Region zu berücksichtigen.
Würden Sie als selbstständiger Landwirt Formen der Zusammenarbeit anstreben?
Interessant finde ich den gemeinsamen Maschinenkauf mit organisierter Arbeitsteilung unter Nachbarn. Dann kann ich mir die neueste Technik und eine hohe Schlagkraft leisten.
Das geht auch mit Futterbau-Maschinen. Einmal mähe ich, das nächste Mal der Nachbar die Flächen beider Betriebe. Die Maschine wird so automatisch besser ausgelastet. Dazu muss es aber persönlich stimmen, es braucht Toleranz und Vertrauen. Letztendlich können aber beide davon profitieren.
Welches ist ihre persönliche Lieblingsmaschine?
Saisonbedingt ist das momentan gerade die Schneeschleuder.
Zur Person
Christian Gazzarin (55) ist seit 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Agroscope. Er bewirtschaftet im Nebenerwerb einen 4 ha Betrieb in der Bergzone 1 und setzt dabei auf Schafhaltung. Seine Eigenmechanisierung besteht aus einem Einachser-Rapid mit Mäher, Heuraupe und Schneeschleuder. Das Ziel des Agronomen für seinen Hobbybetrieb: «Ohne Direktzahlungen kostendeckend produzieren.»