Kurz & bündig

- Auf dem Birkenhof in Uster ZH wächst Hafer für die Produktion von Haferdrink, einer veganen Alternative zu Kuhmilch.
- Für den Betrieb der Familie Pfister bedeutet das eine Diversifizierung ihrer Produkte-Palette.
- Andreas Pfister macht sich viele Gedanken darüber, was künftig auf dem Birkenhof produziert werden soll. Er wird, gemeinsam mit seinem Bruder Christian, bald den Hof von Vater Martin übernehmen.

Während Martin Pfister auf dem Birkenhof in Uster ZH die Melkmaschine an die erste seiner Milchkühe hängt, steht sein Sohn Andreas in einem Haferfeld und freut sich, dass die Mangandüngung gut angeschlagen hat.

Früher war hier Moor, geblieben ist der basische Boden und das viele organische Material. Neu ist der Hafer, er steht hier zum ersten Mal, und hat, weil das organische Material bindet, zu wenig Mangan zur Verfügung. So wenig Mangan, dass der Hafer fast abgeserbelt wäre. Triticale hatte an gleicher Stelle nie das gleiche Problem, es kam für den jungen Landwirt Andreas Pfister unerwartet.

Zuhause bei Vater Martin Pfister im Melkstand plätschert Liter um Liter in die Tanks. Das Gemelk geht an eine Molkerei in Hinwil und etwa ein Viertel davon weiter an die Zürcher Kaffee-Kette Vicafe.

Der Ustermer Hafer wird einen anderen Weg mit demselben Ziel gehen. Er wurde mittlerweile geerntet, getrocknet, gesäubert und dann gelagert, bis die Mühle im Emmental Zeit hat, ihn zu schälen. Der Hafer wird gemahlen und fermentiert, dann wird etwas Öl, wenig Rotalgen für das Kalzium, eine Prise Salz und viel Wasser zugegeben, bevor er als Haferdrink in den Cappuccinos der Vicafe-Kunden landet.

Betriebsspiegel des Birkenhofs
Martin, Elsbeth, Andreas, Christian und Stephanie Pfister, Uster ZH

LN: 74 ha mit 5 ha Wald
Kulturen: Kunstwiese, Triticale, Hafer, Soja, Hanf, Eiweisserbsen, Mais, Lupinen, Raps
Tierbestand: 70 Milchkühe
Weitere Betriebszweige: Naturschutzarbeiten, Wald, Joghurt
Arbeitskräfte: Familie Pfister, Kurt Bosshard, Florian Kalt, Andi Brändle


www.hofmolkerei.ch

«Wir wollen Tiere dort, wo Ackerbau nichts bringt»

Andreas Pfister fasst den Draht des Weidezauns mit der Hand und drückt ihn nach unten. Der Strom durchschlägt ihn zuverlässig und regelmässig, während er Bein um Bein auf die andere Seite schwingt. Er will nachsehen, ob die Rinder noch Wasser haben.

Stellt sein Vater Martin Mitarbeitende ein, ist die mangelnde Scheu vor Stromzäunen ein Kriterium. Behauptet zumindest Andreas. Zu wissen, dass der Strom wirklich schlägt, ist wichtig. Ihn all die Male zu spüren, wenn man dies oder jenes nachsehen geht, ist wie Routinekontrolle. Für ihn mache das Sinn, sagt Andreas. Also hat er die Routine vom Vater übernommen.

Vater Martin ist aktuell Betriebsleiter des Birkenhofs. Produziert wird Bio nach Bundesverordnung, nicht Knospe. Andreas (31) und sein jüngerer Bruder Christian werden den Hof voraussichtlich 2025 übernehmen. Momentan studieren beide Agronomie, Andreas an der ETH Zürich, Christian an der HAFL Zollikofen.

«Meine Söhne müssen Landwirtschaft für ihre Generation machen»

Landwirt Martin Pfister, Uster ZH

Davor haben sie Polymechaniker beziehungsweise Mediamatiker und Landwirt gelernt. Für den Ackerbau ist der ältere Sohn jetzt schon zuständig. Hier trifft er faktisch die Entscheidungen.

Die Milchkühe – der wichtigste und profitabelste Betriebszweig – sind noch Martins Metier. Der Vater tut mehr, als dafür zu sorgen, dass die Kühe gefüttert, besamt und gemolken werden. Martin baut den Kälbern Hütten mit Käferholz aus dem eigenen Wald, das man sonst nur noch «vertschutten» könnte. Die Hütten bieten vier Kälbern Platz und das Klima sei besser als in Plastik-Iglus.

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Die Kälber sind grossteils Nachzucht und sollen einst in den Laufstall der Milchkühe umsiedeln. Heute stehen dort 70 Tiere. «So viele Kühe machen an unserem Standort aus Umweltüberlegungen keinen Sinn», sagt Andreas. Grundsätzlich finde er:«Wir wollen Tiere dort, wo Ackerbau nichts bringt.»

Der tiefgründige, fruchtbare Boden, auf dem sich der Hof zum guten Teil befindet, sei viel zu gut, um Futter anzubauen. Auf dem Birkenhof sind es für ihn vor allem die abschüssigen Wiesen, auf denen Ackerbau «nicht machbar oder enorm ineffizient» wäre.

Werbung auf Instagram

Auf der Instagram-Seite gutsch.drink kann man Andreas Pfister zusehen, wie er Fläche umfunktioniert. «Es fehlt nicht mehr viel, bis auch dieses Feld fertig gesät ist mit Hafer für Gutsch», sagt er in seine Handykamera.

Er filmt, als gerade die Samen im Tank ausgegangen sind, steigt vom Traktor und hievt neue Säcke der Sorte Canyon in die Nodet-Sämaschine.

Gutsch ist die Genossenschaft, in der sich Vicafe und das Café Adrianos aus Bern (beides Gründungsmitglieder) mit weiteren Cafés und Verteilern organisiert haben, um Bio-Haferdrink aus Schweizer Zutaten zu produzieren.

Haferdrink-Nachfrage steigt, Schweizer Hafer ist gesucht

Die Nachfrage nach Kuhmilch sinke bei ihrer Kundschaft, sagt Christian Forrer, Gründer von Vicafe. Wenngleich der Nettobedarf wegen der Neueröffnung von Filialen noch immer steige. Die Nachfrage nach Haferdrink steige hingegen stetig und rasant, momentan hinke die Eigenproduktion weit hinterher: «Wir brauchen mehr Produzenten und sind um jeden innovativen Landwirt froh, der sich auf das Abenteuer einlässt.»

Für Pfisters bedeutet der Hafer eine Diversifizierung des Angebots, allerdings für denselben Abnehmer. Abhängig fühle er sich dadurch nicht, sagt Andreas Pfister. Er nennt die Beziehung zu Vicafe eine Partnerschaft, die durch den Haferanbau gestärkt wird: «Und selbst wenn es Abhängigkeit wäre, dann lieber zu einem Abnehmer, dem wir auf Augenhöhe begegnen können, als zu einem der Grossen.»

Von «den Grossen» möglichst unabhängig wirtschaften zu können, ist Pfisters offensichtlich wichtig. Vor der Abnahme durch die Molkerei haben sie die Milch selbst verarbeitet.

Im Nachteil bei den Krähen, im Vorteil bei den Kunden

Uster ist 15 S-Bahn-Minuten von Zürich entfernt. Man spüre die Stadt, sagt Andreas Pfister und meint es nicht negativ: Der Birkenhof profitiere. Vor allem. «Manches ist auch schwieriger, wir müssen aufpassen, wann wir güllen.» Und seine diesjährige Ackerbohnensaat haben ihm die Krähen «abgeräumt». «Einige Vögel zu schiessen, können wir uns nicht erlauben. Der Direktvertrieb ist hingegen verhältnismässig einfach und wertvolle Abnehmer-Partnerschaften wie mit Vicafe zu finden ist zwar aufwändig, aber absolut machbar.»

Die verlorene Ackerbohnensaat hat Andreas mit Eiweisserbsen ersetzt, eine Kultur, die auf dem Birkenhof schon lange in der Fruchtfolge ist. Dieses Jahr hat er die Sorte Astronaute gesät, «weil sie auch für menschliche Ernährung geeignet ist».

Für dieses Jahr habe er sich beide Optionen offenhalten wollen, sagt Pfister: Die Verwendung für die menschliche und die tierische Ernährung. Mittlerweile ist klar, dass die Ration zum Eiweissfutter für die Kühe wird.

Das Futter für die Milchkühe nur im Notfall zukaufen

Jede Hektare, die Andreas Pfister für seinen Ackerbau in Anspruch nimmt, bedeutet weniger Futter für die Tiere seines Vaters. Mehr Ackerbau bei gleicher Milchproduktion kommt für Vater und Sohn gleichermassen nicht in Frage. Das Futter zukaufen: «Nur im Notfall.»

Langfristig will Andreas Pfister die Anzahl Milchkühe etwa halbieren. Auf Ende Jahr sollen es zehn weniger sein. Sehr glücklich sei sein Vater darüber nicht, sagt Andreas. Buchhalterisch ist der Abbau bei den Milchkühen momentan nicht günstig.

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Martin äussert sich nicht zu seiner persönlichen Meinung, sondern sagt: «Meine Söhne werden bald übernehmen. Sie müssen Landwirtschaft für ihre Generation machen, so wie ich sie für meine Generation gemacht habe. Ich sehe ja auch, dass sich die Konsumentenbedürfnisse verändern. Es bringt nichts, die Augen davor zu verschliessen.»

«En gäbige» sei sein Vater, sagt Andreas: «Dieser Freiraum, den er uns gibt, ist enorm wertvoll. Ich bin überzeugt, dass wir neue Ideen brauchen, Innovation. Aber Innovationen muss man auch ausprobieren können. Das ermöglicht uns unser Vater.»

Viele Ideen – manche werden funktionieren, andere nicht

Die Liste von Dingen, die Andreas Pfister gerade ausprobiert, ist lang. Der gelernte Polymechaniker rüstet die landwirtschaftlichen Maschinen von anderen Bauern mit GPS-Systemen nach, die präzises Fahren ermöglichen.

Die auch in Uster lebende Nationalrätin Meret Schneider hatte auf Anregung von Andreas eine Motion eingereicht, damit der Zugang zur dazu benötigten Datenbank für Landwirte gratis wird.

Im Nationalrat wurde die Motion angenommen. Der Ständerat wollte die RTK-Signale für Traktoren und Mähdrescher aber nicht kostenlos zur Verfügung stellen. Er lehnte die Motion ab. Der Vorstoss ist damit definitiv vom Tisch.

Ausserdem pflanzt Andreas Hanf an, vertreibt Soja als lokales Edamame, führt für das FiBL einen Versuch mit «Strip Cropping»-Saaten durch und hat mit seinem Bruder ein Öko-Büro gegründet. Es soll auch die landwirtschaftliche Machbar- und Wirtschaftlichkeit berücksichtigen.

Das erste Galloway-Kalb ist auf der Welt

Eine weitere Idee, die er auf dem Birkenhof auszuprobieren gedenkt: Semi-permanente Feuchtweiden, die über ein Ventil in der Drainage genässt oder getrocknet werden können. Dieses Ventil existiert bisher nur in Andreas Kopf und auf einigen hastigen Skizzen. Ende Jahr will er mit der Entwicklung beginnen. Sollte es einst funktionieren, braucht der Birkenhof leichte Masttiere. Das erste hofeigene, dafür geeignete Galloway-Kalb ist wenige Tage alt.

«Manches wird wohl nicht klappen oder sonst wieder aus unserem Programm fallen», sagt Pfister. «Anderes wird funktionieren.»

In seinen eigenen Kaffee kippt Andreas Kaffeerahm. Weder sei er vegan noch wolle er die Milchproduktion ganz abschaffen. Nicht auf dem Birkenhof und nicht anderswo. «Es geht für mich um Balance. Ich will Landwirtschaft machen, hinter der ich stehen kann.»