Allesfressende Nutztiere wie Hühner und Schweine sollen in der Schweiz wieder mit aus Schlachtabfällen gewonnenen Eiweissen gefüttert werden dürfen. Oppositionslos hat der Ständerat die Motionen «Tierische Eiweisse nicht mehr vernichten» von Nationalrat Manuel Strupler (SVP / TG) und «Hühner und Schweine sollen wieder tierische Eiweisse erhalten» von Nationalrätin Martina Munz (SP / SH) angenommen.

Wieso wurde das Verfüttern von Schlachtabfällen verboten?

Bundeshaus-Modell im Massstab 1 zu 130 vor dem Bundeshaus in Bern.Sommer-Session 202222 Landwirtschafts-Themen in der Sommer-Session 2022 von Nationalrat und StänderatSonntag, 29. Mai 2022 In den 1990er-Jahren verunsicherte die Rinderkrankheit Bovine spongiforme Enzephalopathie BSE weltweit die LandwirtInnen und Konsumentinnen:

In der Schweiz wurde 1995 ein Höhepunkt mit 68 Fällen erreicht und 1999 noch einmal mit 50 Fällen. Insgesamt starben in der Schweiz mehrere hundert Tiere am sogenannten «Rinderwahn».

Verbreitet wurde die Tierseuche BSE, weil die Bauern ihren Rindern unwissentlich verunreinigtes Tiermehl verfütterten – also Schlachtabfälle wie Gedärme und Knochen, die zerkleinert, sterilisiert und anschliessend getrocknet werden.

Die Tierseuche BSE führte zu einem Tiermehl-Fütterungsverbot

Im Jahr 2000 erliess der Bundesrat deshalb ein generelles Fütterungsverbot für Tiermehl. Zuvor hatte auch die Europäische Union EU Tiermehl im Futter verboten.

In Schweizer Schlachtbetrieben fallen jährlich 325‘000 Tonnen tierische Nebenprodukte als Abfälle an. Seit dem Tiermehl-Fütterungsverbot muss sich der Bund jährlich mit maximal 48 Millionen Franken an den Entsorgungskosten beteiligen.

Stattdessen fütterten die Schweizer Landwirte für die Mast ihrer Tiere importiertes Soja – was ökologisch fragwürdig ist. Die Einfuhr von Eiweiss-Futtermitteln wie Sojaschrot nahm alleine von 2000 bis 2010 von 300'000 Tonnen auf 450'000 Tonnen zu.

Jetzt wird das Tiermehl-Fütterungsverbot in der Schweiz aufgehoben

Die Motionärin und der Motionär begründeten ihre Vorstösse damit, dass  die Europäische Union EU das Verbot der Verfütterung von tierischen Nebenprodukten 2021 aufgehoben habe. Im Sinn der Kreislaufwirtschaft und der Transformation zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft müssten Kreisläufe geschlossen und Nährstoffverluste minimiert werden.

Auch in der Schweiz soll die Verwendung von verarbeitetem tierischen Protein von Schweinen in Geflügel-Futter und umgekehrt von Geflügel in Schweine-Futter – in einer sogenannten Kreuzung – wieder erlaubt sein.

Wie in der EU sollen auch in der Schweiz getrennte Verarbeitungsketten die Vermischung der tierischen Proteine aus der Schlachtung gesunder Tiere verhindern, damit die Kreuzung gesichert wird. Zudem werden die Fleischreste unter hohem Druck bei 130 Grad sterilisiert.

Den Hühnern und Schweinen darf zum Schutz vor BSE kein Fleischmehl von Wiederkäuern verfüttert werden. Umgekehrt dürfen Rinder – als Vegetarier – auf keinen Fall Tiermehl fressen.

Es wird damit gerechnet, dass einheimisches Tiermehl bei der Futterherstellung 30'000 Tonnen Soja ersetzen könnte, rund einen Zehntel der importierten Menge.

Der Ständerat folgte dem einstimmigen Antrag seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben WAK-S. Der Nationalrat hatte den beiden Motionen bereits in der Wintersession stillschweigend zugestimmt. Der Bundesrat war mit den Vorstössen einverstanden und muss nun die rechtlichen Grundlagen für deren Umsetzung schaffen.