Kurz & bündig
- Die Familie Schibli aus Rütihof AG hat auf ihrem Hofplatz einen bedienten Hofladen eingerichtet.
- Der bediente Hofladen ist an drei Halbtagen pro Woche geöffnet.
- Betriebsleiter Schibli achtet penibel auf die vom BAG angeordneten Hygiene-Vorschriften und Abstände.
- Viele Stammkunden oder deren Angehörige zieht es an den Direktverkauf.
- Es entstanden auch neue Formen der Zusammenarbeit unter Produzenten.
- Nicht mobile Kunden finden das Grundsortiment der Schiblis bei Chocolatier Rimann in Wettingen.
Freitag um 9 Uhr, auf dem Hofplatz der Familie Schibli in der Nähe von Birmenstorf AG. Wie Spielfiguren in einem Brettspiel stehen die Kunden in den abgeklebten Quadraten. Kaum wird ein Quadrat frei, rutscht ein Kunde nach. Ein Korridor aus Absperrbändern und Klebstreifen am Boden zeigen den Weg.
Auf einer Länge von 20 Meter verkaufen Gabriel und Margrit Schibli mit acht Mitarbeitern ihr Gemüse. «Nächster bitte», heisst es, als eines der Quadrate frei wird. Die Warteschlange ist lang und die Ansage klar: «Bitte hier warten, wir weisen Sie ein», steht auf dem Schild am Anfang der Warteschlange geschrieben.
Gut informiert den Verkauf auf dem Hofplatz «aufgebaut»
Die wartenden Kunden halten sich an die vom Bundesamt für Gesundheit BAG verordneten Zwei-Meter-Abstände. Kein Wunder ist die Warteschlange gegen 50 Meter lang.
Landwirt Gabriel Schibli ist mehr als zufrieden. Dass es so gut läuft, hätte er nicht gedacht. Gabriel Schibli und seine Frau Margrit gehen seit eh und je mit bis zu zehn Mitarbeitern auf den Markt. Und das dreimal pro Woche. Seit die Märkte wegen Corona verboten wurden, veranstalten Schiblis an drei Halbtagen pro Woche den Markt auf ihrem Hofplatz – unter Auflagen.
Umstrittene Wiedereinführung der Wochenmärkte
Infos hat Schibli vor allem durch den Schweizer Bauernverband SBV erhalten und durch ein zweiseitiges Infoblatt der Landwirtschaftlichen Schule Liebegg AG. «Ich will es korrekt machen und die Abstände, wie auch die Hygiene-Vorschriften, einhalten», sagt Schibli. Wenn er das nicht gewährleisten könnte, würde er den Hofverkauf nicht machen.
Am 16. März 2020 verbot der Bundesrat sämtliche Wochenmärkte. «Ich habe es ganz am Anfang überhaupt nicht verstanden», erzählt Schibli. «Warum sollten wir schliessen, während die Lebensmittelläden offen bleiben dürfen?»
Seine Meinung änderte Schibli aber schnell: «Tatsächlich können die Abstände auf einem Markt kaum eingehalten werden – bei so vielen Leuten erst recht nicht.» Deshalb ist er auch dagegen, dass die Wochenmärkte schon jetzt wieder stattfinden sollen.
«Natürlich begrüsse ich es, dass sich einige Verbände und Politiker für die Wochenmärkte einsetzen», sagt Schibli. «Aber ich bin überzeugt, dass der Schutz nicht gewährleistet ist und die Vorgaben des BAG kaum umsetzbar wären.» Dies, so meint er, auf jeden Fall für Märkte in engen Gassen wie in Baden, wo er auch Obmann ist.
Corona hin oder her – nach dem Markt wäscht man sich sowieso die Hände
Abstände, Desinfektionsmittel, Handschuhe: Der Hofladen der Schiblis entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Es besteht weder für die Mitarbeiter noch für die Kunden eine Gefahr der Ansteckung.
Selbst beim Bezahlen kommt man sich nicht zu nahe: Der Kunde legt das Bargeld in ein Körbchen, welches an einer zwei Meter langen Stange befestigt ist. Die Kassiererin zieht die Stange mit dem Körbchen zu sich, kassiert ein und gibt das Wechselgeld auf demselben Weg zurück.
Die Hygiene-Massnahmen vom Bund sind für Schibli absolut nachvollziehbar: «Schmutzige Hände von der Arbeit auf dem Betrieb stören mich nicht.» An einem Markttag dagegen hüte er sich, mit den Händen das Gesicht zu berühren. «Ich habe schon als Kind gelernt, dass man sich nach dem Markt als erstes gründlich die Hände wäscht.»
Schiblis wollten eigentlich mit dem Gemüseverkauf pausieren
Der Direktverkauf auf Schiblis Betrieb funktioniert einwandfrei. Der Entscheid, einen Direktverkauf aufzuziehen, war aber nicht von Anfang an klar. Zuerst wollten sie vollständig auf den Gemüseverkauf verzichten und während dieser Zeit vom Ackerbau und den Mutterkühen leben.
Doch in der Nacht nach dem «Lockdown» plagte Schibli das Gewissen: «Es kann doch nicht sein, dass ich unsere treuen Kunden, die jahrein jahraus zu uns auf den Markt kommen, nun nicht mehr beliefere. Ich kann sie doch nicht einfach hängen lassen. Und es kann doch nicht sein, dass wir nach zwei, drei Monaten wieder hinstehen und erwartet, dass alle Kunden wiederkommen.»
Der Entscheid war am nächsten Tag klar: Den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern eine Lösung suchen.
Wie erreicht man seine Wochenmarkt-Kunden?
Nach dem Verbot der Wochenmärkte lief Schiblis Telefon heiss und es hagelte E-Mails. Doch wie konnte er die Kunden erreichen, die sich nicht selbst meldeten?
«Wir verkaufen sämtliches Fleisch ab Hof», sagt Schibli, «und viele Fleisch-Kunden kommen auch zu uns auf den Markt.» Deshalb schickte Schibli eine E-Mail an sämtliche Fleisch-Kunden. «Das sind immerhin 750 Mail-Adressen und damit konnten wir viele erreichen», sagt Schibli.
Für alle anderen Kunden hatte Schibli einen Plan: Am Tag, an dem der Wochenmarkt stattgefunden hätte, stellte Schibli ein Schild an seinen Standplatz in der Badener Altstadt.
Und wie sieht es aus mit Werbung auf Social Media? «Das möchte ich bis jetzt nicht», sagt Schibli. Er habe Angst, überrannt zu werden und dann plötzlich zu wenig Ware zu haben. «Wir wollen in erster Linie unsere Stammkunden bedienen», sagt er. Das seien die Leute, die auch nach der Krise wieder auf den Markt kämen.
Kunden tun sich zusammen und kaufen gemeinschaftlich ein
«Es ist schön zu sehen, wie sich die Leute zusammentun», sagt Schibli. Es kämen Bestellung für bis zu zwölf Haushalte eines Quartiers. Eine Person komme die Taschen dann jeweils abholen und bezahle alles auf einmal.
«Andere Kunden kaufen jetzt für zwei bis drei Leute ein. Vor allem auch für ältere Leute, welche nicht rausgehen sollten», sagt Schibli. Ältere Kunden schickten jetzt ihre Kinder zum Einkaufen. Schibli schmunzelt: «Letztens hatten wir einen Aargauer Politiker hier – er wurde von seiner Mutter geschickt». Sie sei schon seit Jahrzehnten eine Kundin der Familie Schibli.
Mittlerweile ist fast Mittagszeit. Die Warteschlange ist konstant lang, obwohl die Kunden nicht lange warten müssen. Ständig kommen neue Leute hinzu und reihen sich mit einem Abstand von zwei Metern in die Schlange ein.
«Nächster bitte!» Am Marktstand herrscht geschäftiges Treiben. Sack um Sack wird mit frischen Frühlingssalaten und den ersten Tomaten dieser Saison gefüllt, aber auch mit Lagergemüse. Die Welt scheint bei Schiblis in Ordnung zu sein. Nur die grossen Abstände zwischen den Menschen und die Markierungen am Boden lassen darauf schliessen, dass wir uns mitten in einer Pandemie befinden.
Video
Unser Video-Team interviewte Gemüsebauer Gabriel Schibli und Chocolatier Fabian Rimann zu ihrer ungewöhnliche Zusammenarbeit.
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Betriebsspiegel der Familie Schibli
Margrit und Gabriel Schibli mit Daniel (18), Marion (16) und Christian (12) aus Rütihof AG
LN: 44 ha
Bewirtschaftung: ÖLN
Betriebszweige: Direktvermarktung von Fleisch und Gemüseverkauf an Wochenmärkten, dazu Ackerbau und Pferdepension
Kulturen:Winterweizen, Winterraps für Speiseöl, Konservenerbsen, Maschinenbohnen, Sellerie, Frischgemüse, Naturwiesen und Weideland
Tierbestand:30 Angus-Milchkühe mit Jung-Tieren, 6 Pensions-Pferde
Arbeitskräfte: Betriebsleiter-Ehepaar, 1 Angestellter, über 20 Mitarbeiter auf Abruf für die Wochenmärkte
Win-win-Situation für Gmüesler & Chocolatier
In der Corona-Krise entstehen neue Formen der Zusammenarbeit. Zum Beispiel zwischen Gemüsebauer Gabriel Schibli und dem Chocolatier Fabian Rimann aus Wettingen AG. Rimann musste sein Kaffee wegen der Ausgangssperre schliessen, Chocolaterie und Bäckerei bleiben aber geöffnet. Nun verkauft Rimann das Gemüse von Schibli dort, wo sonst der Kaffee serviert wird.
Im Gegenzug verkauft der Gmüesler Rimanns Brot. «Und das ist gefragt», sagt Schibli, «wir verkaufen bis zu70 Brote an einem halben Tag.» Es ist eine Win-win-Situation. Doch wie lange ist diese Situation für die Familie Schibli haltbar? «Klagen ist nicht meine Art», sagt der Gemüsebauer Schibli, «das raubt mir nur Energie.»
Klar sei der Aufwand grösser. «Aber wir machen das Beste aus der Situation und hoffen, dass die Pandemie bald vorüber ist.»