Herr Guggisberg, wie viele Bauern nutzen derzeit Barto und 365FarmNet?

Jürg Guggisberg: Total haben bisher 3700 Betriebe eine oder mehrere Bausteinlizenzen gelöst, jedoch nutzen nicht alle diese Betriebe unsere Angebote gleich regelmässig. Rund 300 Betriebe wickeln ihren Tierverkehr über Barto ab.

Welche Module werden am meisten nachgefragt?

Besonders auf Interesse stossen derzeit der in die Basis von 365FarmNet integrierte Feldkalender und der Baustein Anbau- und Fruchtfolgeplanung.

Was ist der grösste Vorteil, wenn Aufzeichnungen wie der Feldkalender gemacht werden?

Die grösste Erleichterung liegt darin, dass man die Daten immer greifbereit hat. Auch wenn man auf das Feld fährt, kann man jederzeit die Geschichte der Parzelle mit dem Handy abrufen. Oder gleich vor Ort in der App erfassen, was gemacht wurde. Die Landwirte schätzen das.

Was ist die grösste Hürde, um auf ein digitales System umzusatteln?

Grundsätzlich ist jeder Systemwechsel zunächst mit einem Initialaufwand und somit mit Arbeit verbunden. Das ist auch bei einem Wechsel hin zu digitalen Lösungen so.

Als Erstes müssen alle Parzellen, die Maschinen, Hilfsstoffe und Mitarbeiter erfasst werden. Je genauer man hier zu Beginn arbeitet, desto einfacher wird anschliessend der alltägliche Gebrauch.

Müssten möglichst sämtliche Aufzeichnungen digital erfasst werden, damit das System seine Stärken optimal ausspielen kann?

Verknüpfungen bieten tatsächlich viele Vorteile. Wenn dank Verknüpfungen Mehrfacherfassungen wegfallen, ist das eine Erleichterung für den Nutzer. Man muss aber bedenken, dass jeder Landwirt ganz unterschiedliche Bedürfnisse hat und nicht bei allen eine umfassende Lösungen Sinn macht.

Schlussendlich geht es beim Feldkalender darum, seine Arbeiten für den ÖLN-Nachweis direkt zu erfassen. Ob das nun digital oder im Büchlein erfolgt, macht doch keinen grossen Unterschied?

Man kann bei beiden Systemen Ordnung haben oder im Chaos versinken. Wichtig ist die Qualität der Aufzeichnungen, bei beiden Varianten.

Künftig ist aber zu beachten, dass der behördliche Hunger nach Daten sicher nicht kleiner wird. Damit ein Absenkpfad glaubwürdig ist, muss er mit Daten aus der Praxis untermauert werden.

Wenn die Feldaufzeichnungen bereits digital gemacht wurden, kann man sie einfach an die entsprechenden Stellen weiterleiten.

Wenn alles im Büchlein eingetragen ist und die Daten in naher Zukunft in digitaler Form dem Bund zur Verfügung gestellt werden müssen, entstehen Doppelspurigkeiten. Dann müssen die Landwirte ihre Aufzeichnungen aus dem Feldkalender-Büchlein abtippen, um sie weiterleiten zu können.

Was empfehlen Sie einem Landwirt, der neu auf digitale Lösungen setzen will?

Anfangs würde ich mich bei Berufskollegen, Geschäftspartnern und Beratern umhören. Einerseits bei der Frage, «auf welches Pferd» ich setzen soll, und andererseits, wer mir beim Einrichten nötigenfalls hilft.

Bei Barto wollen wir 2021 ein Netz von Referenzbetrieben aufbauen, die unsere Dienstleistungen bereits kennen und nutzen. Sie sollen ihre Erfahrungen mit Berufskollegen teilen. Das ist sicher so glaubhaft, wie wenn wir als Anbieter unser eigenes System anpreisen.

Zudem bieten wir für 75 Franken ein Startpaket mit Online-Unterstützung durch unsere Experten an. Das spart Zeit und Nerven.

Mittlerweile gibt es in der Schweiz eine Vielzahl von digitalen Lösungen für Landwirte. Alleine für den Feldkalender gibt es sechs digitale Versionen. Ist das sinnvoll?

Letztendlich ist das eine wirtschaftliche Frage. Wenn die Landwirte bereit sind, für digitale Lösungen angemessen Geld zu bezahlen, damit alle Anbieter davon leben können, ist es in Ordnung.

Generell ist aber zu sagen, dass IT-Lösungen teuer in Bereitstellung und Unterhalt sind und die potenziellen Kunden in der Landwirtschaft zahlenmässig beschränkt sind.

Eine Bereinigung der Anzahl Anbieter könnte ironischerweise durch den technologischen Fortschritt kommen. Neue Möglichkeiten wecken auch neue Bedürfnisse bei den Landwirten. Wenn ein Anbieter da nicht investieren kann, wird er wohl vom Markt verschwinden.

Barto wird aber bestehen bleiben?

Barto hat seit seinen Anfängen ein breit abgestütztes Fundament und arbeitet mit einem technisch versierten Partner zusammen. Diese breite Trägerschaft hilft uns, auch in Zukunft ganzheitliche digitale Lösungen für die Landwirte anzubieten.

Manche Landwirte sind misstrauisch gegenüber digitalen Lösungen im Allgemeinen und Barto im Speziellen. Der Grund: Auch die Fenaco gehört zur Trägerschaft. Und diese Bauern möchten nicht, dass ihre Daten an die Fenaco gehen. Was sagen Sie dazu?

Diese Stimmen gibt es tatsächlich. Hierzu kann ich nur sagen: Bei Barto wird treuhänderisch gearbeitet. Die Daten der Landwirte werden definitiv nicht an unsere Aktionäre weitergeleitet.

Beim Feldkalender bleiben die Daten vollständig beim Landwirt. Es gibt Partnerbausteine, bei denen gewisse Daten, die für den Baustein benötigt werden, dem Partner zur Verfügung stehen. Die entsprechenden Datenpakete sind im Baustein-Shop pro Baustein beschrieben.

Ein Beispiel hierzu wäre das Modul Agroline Service, das der Planung des Pflanzenschutzes dient. Ohne Kenntnis der geplanten Kulturen und Flächen kann kein Plan erstellt werden. Ein Landwirt, der das nicht will, kann einfach darauf verzichten, das entsprechende Modul zu buchen.

Was können Sie tun, um Vertrauen aufzubauen?

Den treuhänderischen Umgang mit den Daten immer wieder betonen und ihn konsequent leben. Auch kritisch eingestellte Landwirte lassen sich längerfristig überzeugen, wenn die digitale Lösung ihnen Nutzen bringt.

Alle Interviews für «die grüne» werden zunächst im Wortlaut transkribiert und danach – in Absprache mit den Gesprächspartnern – zur besseren Verständlichkeit bearbeitet und wenn notwendig gekürzt.

 

Zur Person

Jürg Guggisberg ist gelernter Landwirt und Agronom ETH. Er hat als Lehrer und Berater im Bereich Pflanzenbau an den Inforama-Institutionen gearbeitet, bevor er bei der Identitas für die Tierverkehrsdatenbank verantwortlich war. Seit 2018 ist er Geschäftsführer von Barto.