Melkmaschinen werden in der Landwirtschaft seit 160 Jahren eingesetzt. In den ersten Jahrzehnten waren es noch eher brachiale Apparaturen.

Die 1860 patentierte Melkmaschine des amerikanischen Ingenieurs Leighton O. Colvin saugte zum Beispiel mit konstantem Unterdruck am Euter – und verletzte dabei die empfindlichen Euter der Milchkühe.

Erst 1895 entwickelte der schottische Ingenieur Alexander Shields eine Melkmaschine, die wie ein Kalb periodisch saugt. Der Melker musste noch von Hand «kurbeln», elektrische Melkmaschinen kamen erst zwanzig Jahre später auf. Aber sogar diese «gekurbelten» Melkmaschinen waren effizienter als das Melken von Hand, weil jeweils alle vier Zitzen zusammen abgesaugt wurden.

Gustav de Laval prägte die moderne Milchwirtschaft

1896 taucht erstmals in der Geschichte der Melkmaschine ein Name auf, den man bis heute kennt: Gustav de Laval war ein Nachkomme französischer Einwanderer in Schweden.

Der schwedische Ingenieur mit dem frankophonen Namen liess 1878 unter anderem den Zentrifugal-Separator patentieren und erfand 1896 den sogenannten DeLaval «Laktator» als wichtigen Bestandteil der modernen Melkmaschine.

Mit dem Neuseeländer Norman John Daysh entwickelte Gustav de Laval eine Melkmaschine mit pulsierendem Vakuum. Diesen «Milker» liess DeLaval 1917 patentieren und begründete damit die moderne Milchwirtschaft.

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Von der Eimer-Melkanlage zum modernen Melkstand

Mit der Eimer-Melkanlage konnte der Melker statt 7 oder 8 bis zu 16 Kühe pro Stunde melken. Aber die vollen, schweren Eimer mussten nach wie vor zwischen den Kühen hin und her sowie zum Milchtank getragen werden.

In einem nächsten Entwicklungsschritt pumpte die Rohr-Melkanlage die Milch durch fest installierte Leitungen vom Stall direkt in den Kühltank. Damit konnte die Leistung auf 20 bis 22 gemolkene Kühe pro Stunde gesteigert werden.

Der Melker musste sich aber immer noch von Kuh zu Kuh bewegen. Im nächsten Entwicklungsschritt kommt die Kuh, die sich frei im Laufstall bewegt, zur Melkzeit freiwillig oder vom Menschen «manövriert» in den Melkstand. Dort steht einen Meter tiefer der Melker, der von der Seite oder von hinten guten Zugriff auf das Euter hat.

In einem Melkstand mit acht Plätzen kann die Leistung so auf 30 gemolkene Kühe pro Stunde gesteigert werden.

1992 wurden die ersten Melkroboter präsentiert

Da muss noch mehr möglich sein, dachten sich findige Ingenieure in den Niederlanden und in Deutschland. Erste Versuche zur Entwicklung von Melkrobotern gab es seit den 1980er-Jahren. Auf dem Versuchsgut Schädtbeck im norddeutschen Dobersdorf wurde eine automatische Melkmaschine entwickelt. 1986 berichtete die SRF-Sendung «Karussell» über die ersten Melkroboter (VIDEO).

An der Agritechnica 1989 präsentierten dann Unternehmen aus diesen zwei Ländern ihre Prototypen von sogenannten Automatischen Melksystemen AMS.

Diese Prototypen schlossen das Melkgeschirr erstmals automatisch und ohne manuelle Hilfe mit Erkennungssystemen an das Euter der Kuh an. Die ersten Modelle suchten die Zitzen mit Ultraschall, später kamen Laser und optische Sensoren dazu.

Lely entwickelt sich zum Melktechnik-Hersteller

1992 stellte Lely seinen ersten Melkroboter vor. Seither hat sich das niederländische Unternehmen zu einem der zwei grössten Melktechnik-Hersteller und Hauptkonkurrenten der schwedischen DeLaval entwickelt. Der «Kampf» der Konkurrenten wird scherzhaft auch als Rot (Lely) gegen Blau (DeLaval) bezeichnet.

Dabei wurde Lely 1948 von den Brüdern Cornelis und Arij van der Lely als Futtertechnik-Hersteller gegründet. Nachdem aber in den Niederlanden, Belgien und Frankreich erfolgreich Lely-Melkroboter installiert wurden, folgten viele andere Länder.

Lely ist als einziger Melktechnik-Hersteller bis heute in Familienbesitz. Und seit 2017 die Futtertechnik-Sparte an AGCO verkauft wurde, setzt Lely voll auf Melkroboter. Weltweit wurden von 1992 bis 2020 rund 40'000 Lely-Melkroboter verkauft. Die grössten Märkte für Lely sind Deutschland, Frankreich, Kanada und die USA.

Die Entwicklung in der Schweiz: Von der Melkanlage zum Roboter

In der Schweiz kamen die ersten Melkanlagen in den 1920er-Jahren auf. 1930 wurden in der Schweiz immerhin schon 50 Melkanlagen gezählt. Zum eigentlichen Boom kam es in den 1950er-Jahren, als Melkmaschinen in der Schweiz zum Standard wurden. Jetzt beherrschten sie das Nachmelken einwandfrei und hatten die Reinigung sowie Desinfektion nach dem Melken im Griff. Auf der anderen Seite sorgte die Zuchtauswahl für eine Melkmaschinen-taugliche Form des Euters und der Zitzen.

Obwohl in Nachbarländern schon seit 1992 die ersten Melkroboter in Betrieb waren, setzten sich die Vorteile der Automatischen Melksysteme AMS in der Schweiz erst 1999 durch.

Melkroboter haben Vorteile für den Landwirt und die Kuh

Damals erkannte man auch bei uns, dass Melkroboter im Vergleich zum Melkstand für Arbeitserleichterung, Zeitersparnis und flexiblere Arbeitszeiten sorgen.

Und nicht nur der Landwirt kann flexibler über seinen Tagesablauf bestimmen. Auch die Kuh kann frei entscheiden, wann sie fressen, liegen oder zum Melken gehen will. Dieser stressfreie Alltag einer Milchkuh wirkt sich positiv auf die Tiergesundheit und die Milchleistung aus.

Eine Melkung dauert 6 bis 9 Minuten. Wenn der Melkroboter zwei Mal pro Tag eine Hauptreinigung und mehrere Kurzreinigungen macht, kann an 22,5 Stunden pro Tag gemolken werden. In dieser Zeit sind bis 200 Melkungen möglich. Wenn die Kühe 2,5 bis 3 Mal pro Tag zum Melken gehen, kann ein Melkroboter 70 Kühe pro Tag melken.

Mit dem Lely Astronaut landete der erste Melkroboter in der Schweiz

1999 sahen die Landwirte Max Bieri und Ernst Märki aus Untersiggenthal AG auf einer Besichtigungsreise in Holland ihren ersten Melkroboter – und unterzeichneten noch auf der Rückfahrt im Car den Kaufvertrag. Im Juni 1999 nahmen sie in ihrer Tierhaltergemeinschaft mit 60 Holsteinern einen Lely Astronaut A2 in Betrieb.

«Verklopfen und in den Mist drücken» sollte man den Lely-Importeur, schimpften damals wütende Bauern. Entsprechend verkaufte Lely in den Anfangsjahren jährlich nur rund zehn Melkroboter. Ab 2006 stiegen die Verkaufszahlen mit jeder neuen Astronaut-Generation – und erreichten 2019 die runde Zahl von 100 neuen Lely-Melkrobotern pro Jahr.

Den Modell-Namen Astronaut erhielten die Lely-Melkroboter übrigens, weil die Zitzenbecher mit dem Melkroboter über ein Kabel verbunden waren – die Lely-Ingenieure erinnerte das an einen im All fliegenden Astronauten mit dem Raumschiff.

2001 kamen die ersten Melkroboter von DeLaval in die Schweiz. Später folgten weitere Melkroboter-Hersteller:

  • Lely mit dem Astronaut-Melkroboter.
  • DeLaval mit dem VMS (Voluntary Milking System = freiwilliges Melksystem).
  • GEA mit dem Monobox-Melkroboter. Bis 2016: MIone für Milking Intelligence One (Intelligenz beim Melken Nummer 1).
  • Lemmer-Fullwood mit dem M2erlin Melkroboter (Merlin ist der Zauberer aus der Sage von «König Artus»).
  • Boumatic: MR Milking Robot
  • Happel: TIM Aktiv Puls Robot

Der Melkroboter-Markt ist auch in der Schweiz klar aufgeteilt

Von den rund 20'000 Schweizer Milchbauern melken heute nach Schätzung von Branchenkennern 5 bis 6 Prozent mit einem Melkroboter. Das sind 1000 bis 1200 Betriebe mit durchschnittlich je 50 Kühen pro Betrieb.

Bei geschätzten 500'000 Milchkühen in unserem Land würden demnach rund 10 Prozent der Kühe mit einem Melkroboter gemolken.

Wie gross die Marktanteile der bekannten Marken in der Schweiz sind, ist schwierig zu sagen. Die Importeure wollen sich nicht in die Karten schauen lassen. Branchenkenner schätzen aber die Marktanteile der beiden grossen und der vier kleineren Hersteller wie folgt ein:

Im Jahr 2019 wurden in der Schweiz rund 200 neue Melkroboter verkauft. Mit steigender Tendenz. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis in der Schweizer Landwirtschaft anteilsmässig gleich viele Melkroboter arbeiten, wie zum Beispiel in den Niederlanden.

Dort sind heute schon 25 Prozent der Milchwirtschafts-Betriebe mit einem Melkroboter ausgerüstet. Bis 2025 erwarten Branchenkenner in den Niederlanden bei Neu-Investitionen in die Melktechnik «fast 100 Prozent Melkroboter». Aktuell liegt der Wert in den Niederlanden bei 80 bis 85 Prozent. Im Schweizer Talgebiet liegt dieser Wert bei 60 bis 75 Prozent der Neu-Investitionen in Melktechnik.